
Frauen sind nicht nur beim Einkommen benachteiligt.
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Noch großer Handlungsbedarf bei der Gleichstellung
Das Institut Foresight hat für den Österreichischen Städtebund und die Arbeiterkammer nach 2021 auch 2025 erhoben, wie es um die Gleichstellung in den österreichischen Städten und Gemeinden bestellt ist. Dazu wurden die 2.092 österreichischen Gemeinden und die 23 Wiener Gemeindebezirke in den Dimensionen Bildung, Erwerbstätigkeit, Einkommen, Kinderbetreuung, Gesundheit, Gewaltschutz, Mobilität, demographische Entwicklungen und Repräsentation von Frauen in Politik und Wirtschaft untersucht.
In den meisten Bundesländern sind zwischen 2021 und 2025 zwar Verbesserungen festzustellen, im Durchschnitt erreicht eine Gemeinde in Österreich dennoch nur 49 von 100 Punkten, gerechnet über alle Dimensionen.
„Das Bild, das hinter diesem Gesamtwert steht, ist ein vielschichtiges. Der Stand der Gleichstellung variiert unter anderem nach Bundesland und Bezirk, nach Gemeindegröße und Urbanisierungsgrad, entlang der betrachteten Dimensionen - und nicht zuletzt je nach konkreter Gemeinde“, sagt Astrid Ebner-Zarl, Projektleiterin bei Foresight. Genau an diesem Punkt setze der Städtebund-AK-Gleichstellungsindex an. Er macht Gleichstellung auf Gemeindeebene messbar und ermöglicht dadurch einen besonders präzisen Blick auf die Lage.
Top-Position für Wien
Der höchste Indexwert einer Gemeinde außerhalb von Wien beträgt 76 Punkte (Eisenstadt); der niedrigste Wert 21 Punkte.
Der Wiener Bezirk Neubau erreicht mit 83 Punkten den höchsten Wert, Alsergrund liegt auf Platz 2 der Wiener Bezirke. Würden die Wiener Gemeindebezirke in das Ranking der Top-20-Gemeinden einbezogen, würden diese die ersten 15 Plätze belegen.
Die Top 20 Städte und Gemeinden im Städtebund-AK-Gleichstellungsindex
1. Eisenstadt: 76 Punkte
2. Graz: 75
3. Linz: 75
4. Salzburg: 73
5. Klagenfurt: 73
6. Tulbing (NÖ): 72
7. Grafenbach-St. Valentin (NÖ): 72
8. Dornbirn: 72
9. Innsbruck: 72
10. Lienz: 71
11. St. Pölten: 71 Punkte
12. Hallein: 70
13. Puch bei Hallein: 69
14. Breitenau (NÖ): 69
15. Brunn am Gebirge: 69
16. Mödling (NÖ): 69
17. Vösendorf: 69
18. Pitten (NÖ): 69
19. Biedermannsdorf (NÖ): 69
20. Klosterneuburg: 68
Das Ranking bezieht die Wiener Bezirke nicht mit ein (würden diese in der Auflistung der Top-20-Gemeinden aufscheinen, würden sie die ersten 15 Plätze belegen.)
Handlungsbedarf in Gemeinden
Insgesamt ist der größte Teil der Gemeinden in den Top-20 als „urban“ zu sehen, aber auch zahlreiche Gemeinden im ländlichen Raum schneiden gut ab.
Trotzdem liegt der Indexwert der durchschnittlichen österreichischen Gemeinde beim Einkommen von Frauen nur bei 19 Punkten (der höchste zu erreichende Wert beträgt 100), in 97 Prozent der Städte und Gemeinden in Österreich liegt das Durchschnittseinkommen von Frauen unter jenem der Männer.
Bei den Teilzeitquoten schaut es für Frauen noch schlechter aus: Der durchschnittliche Indexwert beträgt 18 Punkte und hat sich gegenüber dem Wert von 2021 nicht verändert.
Bessere Rahmenbedingungen für Frauen schaffen
Dazu Städtebund-Generalsekretär Thomas Weninger: „Das ist ein klarer Auftrag für die Politik: Für Frauen müssen bessere Rahmenbedingungen im Arbeitsleben geschaffen werden. Die Einkommensschere muss endlich geschlossen, Lohntransparenz hergestellt und mehr Möglichkeiten für Vollzeit geschaffen werden. Es sollen aber auch mehr Männer Teilzeit arbeiten, damit sich die Care-Arbeit zwischen Frauen und Männern fairer aufteilt. Zudem darf eine etwaige künftige Pensionsreform nicht auf dem Rücken der Frauen ausgetragen werden.
Aus diesem Grund hat der Städtebund bereits 2015 den ‚Equal Pension Day‘ ins Leben gerufen, um auf das Ungleichgewicht der Pensionen hinzuweisen.“
Forderung nach mehr Kinderbetreuung
Um Frauen ein Erwerbsleben zu ermöglichen, das finanzielle Unabhängigkeit sichert, fordern der Städtebund und die Arbeiterkammer mehr VIF-konforme Angebote in der Kinderbetreuung (Vereinbarkeitsindikator für Familie und Beruf) und eine Erhöhung des Budgets der Elementarpädagogik von 0,7 Prozent des BIP auf 1 Prozent pro Jahr, wie etwa in Finnland und Estland. In Dänemark, Norwegen und Schweden werden sogar mehr als 1,5 Prozent des BIP für die elementare Bildung ausgegeben.
Eva-Maria Burger, Leiterin der Abteilung für Frauen und Gleichstellung der Arbeiterkammer: „Österreich hat mittelfristig einen Arbeitskräftemangel und kann sich den vorletzten Platz bei der Einkommensgerechtigkeit im EU-weiten Wettbewerb um Fachkräfte nicht länger leisten. Die AK fordert, dass möglichst viele Arbeitnehmer:innen von einer neuen Lohntransparenz profitieren, um die Lohnschere endlich zu schließen. Das heißt Einkommensberichte ab 25 Mitarbeiter:innen! Das betrifft nur 3 Prozent aller Unternehmen, aber es profitieren 70 Prozent aller Arbeitnehmer:innen. Zusätzlich zum Ausbau der Kinderbetreuung brauchen Eltern Unterstützung für mehr Halbe-Halbe. Daher fordern AK und ÖGB ein Familienarbeitszeitmodell: 350 Euro monatlich pro Elternteil für Halbe-Halbe bei der Elternteilzeit.“
Mehr Gynäkologinnen und Männerberatungsstellen gefordert
Nur zwei Drittel der Bezirke in Österreich (exkl. Wien) sind mit zumindest einer Gynäkologin mit Kassenvertrag ausgestattet; der durchschnittliche Indexwert liegt bei 22 Punkten. Im Vergleich dazu liegt der Indexwert für Urolog:innen bei 67 Punkten. Österreichweit fehlen insgesamt 410 Kassen-Gynäkologinnen (wenn die männlichen Fachärzte dazugerechnet werden, fehlen 199 Gynäkolog*innen mit Kassenvertrag).
Die gesamte Dimension Gesundheit kommt auf durchschnittlich 44 Punkte. Sie erhebt die Infrastruktur - ebenso wie die Dimension Gewaltschutz - auf Bezirksebene, nicht auf Gemeindeebene (wie in den anderen 7 Dimensionen).
Der durchschnittliche Indexwert für Frauenberatungsstellen liegt mit 81 Punkten weit höher als jener der Gynäkologinnen. Die Männerberatungsstellen erreichen durchschnittlich 50 Punkte. Städtebund und Arbeiterkammer fordern, diese Beratungsstellen als Präventionsmaßnahme auszubauen.
Je größer die Gemeinde, desto mehr Frauen im Gemeinderat
Bei durchschnittlich 34 Punkten liegt der Indexwert bei Frauen in Politik und Wirtschaft (Dimension Repräsentation). Nur 26 Prozent der Gemeinderatsmitglieder in den österreichischen Städten und Gemeinden sind Frauen und nur 11 Prozent der Bürgermeister:*innen sind Frauen.
Je größer die Gemeinde, desto mehr Frauen im Gemeinderat, das gilt aber nicht für die Repräsentation von Frauen in der Wirtschaft. Hier scheint die Größe der Gemeinde keinen Einfluss auf einen höheren Frauenanteil zu haben. Einen zumindest 50-prozentigen Frauenanteil in Management-Positionen gibt es nur in 51 Gemeinden. In 341 Gemeinden finden sich keine Frauen im Management von dort ansässigen Unternehmen.
Städtebund-Generalsekretär Thomas Weninger: „Es ist das Gebot der Stunde mehr Frauen in Politik und Wirtschaft zu holen. Wir brauchen Frauen als Entscheiderinnen, um eine frauengerechte Politik zu etablieren und die Wirtschaft fortschrittlich nach vorne zu bringen - Frauen müssen das öffentliche Leben zu 50 Prozent mitgestalten und entscheiden, wie sich das Leben von Frauen und Männern darstellt und wie insbesondere das Leben von Frauen gerechter wird.“
Frauen sind stärker auf Öffis angewiesen
Frauen verwenden gemeinsam genutzte Autos seltener als Männer, müssen öfter auf Öffis ausweichen und sind daher vielfach auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen, um Einrichtungen der Daseinsvorsorge zu erreichen.
Auch übernehmen Frauen einen Hauptteil der Mobilität in Zusammenhang mit Betreuungsaufgaben und dem Begleiten von Kindern (‚Mobility of Care‘). Daher ist die Erreichbarkeit des nächsten regionalen Zentrums durch öffentliche Verkehrsmittel Schlüssel zu mehr Autonomie, größeren Handlungsspielräumen und somit mehr Gleichstellung zwischen Männern und Frauen.
Städte und Gemeinden leisten durch die Finanzierung des öffentlichen Verkehrs einen erheblichen Beitrag in Richtung Geschlechtergerechtigkeit: Daten der ÖROK-Erreichbarkeitsanalyse 2024 zeigen, dass 1,7 Mio. Personen in urbanen und ländlichen Zentren und in den zentralen Bereichen der Stadtregionen Österreichs mit dem Öffentlichen Verkehr (ÖV) gleich schnell oder schneller unterwegs sind als mit dem motorisierten Individualverkehr (MIV).
Robert Kalasek, Stadt- und Regionalforscher an der TU Wien: „Aus Sicht der Gleichstellung wäre ein weiterer Öffi-Ausbau gerade in und um Ballungsräume und in den zentralen Orten im ländlichen Raum zu priorisieren, um mit vergleichsweise geringem Mitteleinsatz Einrichtungen der Daseinsvorsorge mit den Öffis schneller oder gleich schnell als per Auto zu erreichen. In den genannten Räumen könnten schlussendlich 6,4 Mio. Personen von einer Angleichung der Reisezeiten ÖV-MIV profitieren. Auch abseits dieser bevölkerungsstarken Gebiete würde ein gezielter Ausbau des ÖV, etwa durch entsprechende Zubringerverkehre zu Linienverkehren, die Lebenssituation von Frauen merklich verbessern.“