Steinbruch
Die Natur holt sich Schritt für Schritt alles wieder. Ein Nebeneinander funktioniert auch bei großflächigen Abbaustellen – und nach der Nutzungsdauer einer Gewinnungsstätte kann auch der einst beispielsweise als Schottergrube genutzte Bereich ein Naturparadies und Brut- und Lebensraum für Amphibien, Insekten und Vögel werden.
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Neue Lagerstätten sichern ist das Gebot der Stunde

Eines der Mittel, um Österreichs Wirtschaft den Neustart nach der Krise zu erleichtern, war das Forcieren des Bausektors. Das Investitionsgesetz (KIG) war unter anderem dazu ausgelegt, kommunale Bauvorhaben auch in der Krise durchführen zu können. Seit einigen Wochen wird nun aber immer deutlicher, dass eine Teuerungswelle am Bau den Wirtschaftsmotor Gemeinde zum Stottern bringen könnte. Das führt zur Frage, wie es eigentlich um die Rohstoffversorgung Österreichs generell steht.

Preissteigerungen um 30, 40, 50, sogar bis zu 60 Prozent für Baustahl, Holz und mehrere andere Rohstoffe für den Bau haben im April und Mai Schlagzeilen gemacht. Die Gründe dafür sind vielfältig und greifen massiv ineinander, wie beispielsweise die „Salzburger Nachrichten“ am 5. Mai schreiben: „Man könnte es als einen Domino­effekt beschreiben, zu dem noch eine Reihe coronabedingter Sonderfaktoren kommt wie unterbrochene Lieferketten oder aus Kostengründen geleerte Lager, die nun in verschiedensten Bereichen zu Lieferengpässen führen. Angeheizt wird der Boom durch staatliche Förderungen.“

Die „Sonderfaktoren“ sind unter anderem dort zu suchen, wo 2020 aufgrund von Lockdowns und Kurzarbeit einfach weniger produziert wurde. Und anscheinend hat niemand daran gedacht, dass diese „künstliche“ Verknappung mit dem Ende der Pandemie zu Engpässen und damit zu einer Verteuerung führen würde. 

Die Rohstoffknappheit bringt auch Unsicherheit mit sich. Nicht nur bei den Auftraggebern, die sich mit Preisen konfrontiert sehen, die oft nichts mehr mit denen der Auftragsausschreibung zu tun haben. Dann werden ­Bauvorhaben gar nicht erst gestartet, weil nicht klar ist, was die benötigen Rohstoffe kosten – ganz zu schweigen von der Frage, ob sie überhaupt erhältlich sind. Reden Sie mal mit einem Handwerker, einem kleinen Firmenchef. Wenn ein Dachdeckermeister erzählt, dass er Material für die Juli-Aufträge bestellt und dann erfährt, dass die Bestellung jetzt nicht akzeptiert wird: Er könne ja im Juli bestellen – und muss dann die Juli-Preise zahlen. Aber wie hoch die sein werden, sagt ihm auch keiner. Und damit soll er dann kalkulieren.

Angst vor den Bürgerinitiativen fördert lange Behördenwege

2020 kamen mehrere Faktoren zusammen, die der Wirtschaft und speziell der Rohstoffbranche die Planung ­schwermachten: Die Banken waren wegen der ungewissen Situation sehr zurückhaltend und vor allem die Behördenwege dauerten noch länger. Zudem sorgte 2019 und 2020 der Borkenkäfer für eine riesige Menge Schadholz, was beispielsweise die Holzpreise belastete. Gar nicht zu reden von coronabedingten Störungen der weltweiten Produktionsketten, die teils massiv spürbar sind. 

Das ist ein Punkt, der der österreichischen Rohstoffbranche seit Jahren immer mehr zu schaffen macht. Die aktuell rund 1300 Lagerstätten sind in Österreich regional so verteilt, dass zu den Baustellen grundsätzlich nur kurze Wege nötig sind – im Schnitt sind sie nur 30 Kilometer vom Verbraucher entfernt. Aber jede Lagerstätte ist irgendwann erschöpft und neue müssen geschaffen beziehungsweise aktiviert werden. Und da kommen zwei Faktoren massiv ins Spiel.

Zum einen formieren sich – häufig unmittel­bar nach Bekanntwerden, dass eine neue Lagerstätte gefunden wurde und quasi „in der Nachbarschaft“ eine Schottergrube oder ein Steinbruch in Betrieb geht – sofort Bürgerinitiativen, die vehement einen Stopp fordern. Das ist oft auch dann der Fall, wenn Bäume in größerem Ausmaß gefällt werden oder sich ein größerer oder ein verarbeitender (Industrie-)Betrieb in der Gemeinde ansiedelt. 

Diese Initiativen ignorieren meist ­Argumente wie die Schaffung oder Sicherung von Arbeitsplätzen. Auch die Versprechen, den Wald wieder aufzuforsten oder die Schottergrube zu renaturieren – die Mitgliedsbetriebe des Forums mineralische Rohstoffe haben sich beispielsweise zum Umwelt- und Naturschutz durch Selbstverpflichtung bekannt – werden oft nicht geglaubt. Dabei werden durch Renaturierungen Lebensräume neu geschaffen, in denen sich bedrohte Tier- und Pflanzenarten wieder ansiedeln können. Dazu hat das Forum mineralische Rohstoffe sogar Kooperationen mit „BirdLife Österreich“ und früher dem WWF geschlossen.

Zum anderen werden – vermutlich auch aus Angst vor dem Gegenwind – Genehmigungen für den Abbau sehr spärlich vergeben und lange hinausgezögert. Dafür können die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister zwar nicht verantwortlich gemacht werden, trotzdem stehen sie an vorderster Front und werden mit Kritik konfrontiert. Und darüber hinaus ist die Genehmigung für neue Betriebsstätten meist Landessache und damit ein „Objekt des Föderalismus“, was die Sache nicht gerade vereinfacht. 

Situation zieht einen Rattenschwanz an Problemen nach sich

Genehmigungen sind ein Reizthema, wenn man mit Leuten aus der Branche spricht. Dabei geht es um mehr als das übliche „Es dauert alles zu lange“. Die Betriebe befürchten einen Investitionsstau, weil Genehmigungen fehlen – verfahrensbedingte Wartezeiten von mehr als einem Jahr sind keine Seltenheit. 

Dazu kam und kommt die spezielle Corona-Situation. Demnach sind die zuständigen Beamtinnen und Beamten durch Corona völlig überlastet. So wird von Arbeitsmedizinern erzählt, die Gutachten für eine Betriebsgenehmigung schreiben sollten, aber wegen Überarbeitung dazu monatelang nicht in der Lage waren. 

Die Forderung nach Verfahrensbeschleunigung ist wie gesagt nichts Neues, wird aber im Lichte der Situation immer wichtiger. Dass Verfahren so lange dauern, ist – so betonen führende Vertreter der Mineralrohstoff-Branche – kein Vorwurf an die Beamten oder die Gemeinden. Diese würden zwar versuchen, sich „zu zersprageln“ (ostösterreichischer Mundartbegriff für „sich zerteilen“, „überall zugleich sein wollen“), aber was nicht geht, geht nicht. Daher wird gefordert, das System zu adaptieren.

Die Gesetzeslage ist im Grunde ein Wahnsinn

Ein Blick auf die Gesetzeslage zeigt auch, dass Rohstoff gewinnende oder verarbeitende Betriebe in Österreich einen Berg an Gesetzen und Vorschriften zu befolgen haben, der vor allem kleinere Betriebe an den Rand der Möglichkeiten bringt.

Am Beispiel der Genehmigung einer für Baustoff-Recycling notwendigen Maschine, eines sogenannten „Steinbrechers“, wird das klar. 

So gilt – für eine Betriebsstelle, denn Abbau und Recycling von Bauschutt findet zumeist in regionalen Schottergruben oder Steinbrüchen statt – das Bergrecht für den Abbau, aber das Abfallwirtschaftsgesetz (AWG) für das Recycling sortenreiner Materialien. Auch die Bestimmungen der einzelnen Landes-AWG sind zu berücksichtigen. Dazu kommt eine Wasserrechtsbewilligung für den Abbau, aber eine Extra-Wasserrechtsbestimmung für AWG-Anlagen. Darüber hinaus sind Naturschutzrecht, Forstrecht und Raumordnung zu beachten – und manchmal alles doppelt, wenn die Gewinnungsstätte über Landesgrenzen geht. Und auch die österreichischen Bundesländer sind sich nicht immer einig. 

Und trotzdem glauben Teile der Bevölkerung noch immer, dass „die Industrie machen kann, was sie will“. Dabei gibt es, wie man sieht, keine leichtfertigen Genehmigungen. 

Und letztlich müssen die Genehmigungskosten vom Endkonsumenten getragen werden. In einer Zeit, in der „leistbares Wohnen“ gefordert wird, eine zusätzliche Herausforderung. 

Die Vertreter der Rohstoffbranche sind zwar für den aktuellen Stand der Regeln und Standards, wollen aber – so wie die Bundesregierung auch – kein „Gold-Plating“. Das Gegenteil ist aber der Fall: Standards werden immer weiter hochgeschraubt, Vorschriften werden – vonseiten des Bundes und der Länder – immer mehr. Im Gegenzug werden veraltete Vorschriften aber nur selten gestrichen. Das führt in Extremfällen dazu, dass ein Gutachter einen anderen überprüfen soll, was dann natürlich ein zusätzlicher Preistreiber ist.

Wie könnte man diese Negativspirale umdrehen?

Ein erster Schritt wäre, mehr Bewusstsein zu schaffen, dass man mit Vorschriften, Überprüfungen, Genehmigungen bereits am Gipfel ist. Alle Vertreter der Rohstoffbranche sind sich darin einig, dass man hier in Österreich praktisch am Höchststand des Machbaren ist. Hier sollte Bewusstsein geschaffen werden, dass das Wohl der Gesellschaft im Vordergrund steht und keine Einzelinteressen bedient werden. Ein zweiter Schritt wäre ein Ausmisten veralteter Vorschriften.

Mögliche hilfreiche Schritte wären beispielsweise auch eine Zweckbindung der Naturschutz- und Landschaftsschutzabgaben in den Ländern. Vertreter der Rohstoffbranche schlagen auch vor, dass Standortgemeinden die Einnahmen aus der Landschaftsschutzabgabe zu 100 Prozent erhalten. Derzeit bekommen die Länder bis zu 90 Prozent, Standortgemeinden je nach Bundesland lediglich zehn Prozent.

Langfristige Partner der Gemeinden und gut für die Gesellschaft

Dadurch, dass Lagerstätten regional standortgebunden sind, ist die Rohstoffbranche ein langfristiger Arbeitgeber auch im Sinne der Eigenversorgung Österreichs. Noch dazu in nächster Nähe: Die Entfernung zwischen Abbaustätte und Baustelle beträgt in Österreich wie gesagt rund 30 Kilometer. Und die Liste der Produkte, in denen beispielsweise mineralische Rohstoffe enthalten sind, reicht von Zahncremes über Katzenstreu bis zu Dünger und natürlich sämtlichen Baurohstoffen – allein dafür werden rund 100 Millionen Tonnen im Jahr oder pro Kopf zwölf Tonnen im Jahr oder rund 33 Kilogramm pro Tag benötigt. 

Doch Vorarlberg muss beispielsweise mineralische Rohstoffe importieren – nicht, weil sie nicht vorhanden wären, sondern weil es keine Abbaugenehmigungen gibt. Das führt Anforderungen wie Eigenversorgung und leistbares Wohnen ad absurdum. Importe müssen zudem oft über Hunderte Kilometer transportiert werden, was nicht gut für die CO₂-Bilanz ist.

Neue Lebensbereiche werden geschaffen

Was vielen  auch nicht klar ist, ist die Tatsache, dass nach Beendigung einer Lagerstätte oft blühende Biotope entstehen. Schon im Betrieb stellt man fest, dass sich seltene Tiere und Pflanzen wieder ansiedeln, trotz Lärms und Sprengungen (die übrigens auch nicht mehr wie früher passieren, wo alles gescheppert hat). Ein Phänomen, das sich beispielsweise seit Jahrzehnten am Truppenübungsplatz Allentsteig zeigt. Trotz laufender Explosionen und Schießereien siedeln sich in solchen naturbelassenen Bereichen seltene Amphibien, Insekten, Vögel etc. an. 

Im Grund kann festgehalten werden, dass alles, was jetzt Belastung ist, nach erfolgreicher Renaturierung ein blühendes Paradies sein wird. Bei aktiven Lagerstätten gibt es auch kaum bis gar keine Probleme, nur bei neuen Vorhaben behindern Initiativen oft alle Anstrengungen. Wie es ein Gesprächspartner etwas spitz formuliert hat, ist es meist der, „der schon gebaut hat“.

Anti-Initiativen sind auch oft gegen Gewinnungsstätten, ohne sich anzusehen, was eigentlich geplant ist und wie ein Betrieb läuft. Es scheint so, als ob sich niemand für die Sache an sich interessiert. 

Wussten Sie, dass ...

  • jede Österreicherin und jeder Österreicher rund 12 Tonnen mineralische Rohstoffe pro Jahr bzw. 33 kg pro Tag benötigt?
  • man in Österreich etwa 1300 Gewinnungsstätten (rund 950 Sand- und Kiesgruben sowie ca. 350 Steinbrüche) findet? 
  • die Rohstoffindustrie insgesamt rund 15.000 Arbeitsplätze in den Regionen sichert? 
  • mineralische Baurohstoffe durchschnittlich nicht weiter als 30 km bis zum Endverbraucher transportiert werden?
  • die Flächennutzung der Rohstoffgewinnung an der Gesamtfläche Österreichs 0,05 % beträgt?
  • die Inanspruchnahme der Gewinnungsflächen zeitlich begrenzt ist und mit einer gesetzlich vorgeschriebenen und umweltgerechten Wiedernutzbarmachung der Flächen – oftmals als Naturschutz- oder Naherholungsgebiet – endet?
  • Österreich derzeit noch in der glücklichen Lage ist, seinen Bedarf an mineralischen Rohstoffen selbst zu decken?
  • die Gewinnung mineralischer Rohstoffe nur im Einklang mit der Natur möglich ist und auch so erfolgt?