Zivildiener
Die meisten Zivildiener waren zuletzt im Rettungswesen tätig.
© ÖRK/Kellner Thomas Holly

Mehr Soldaten und mehr Zivildiener als Ziel

Mit Fortschreiten der Corona-Epidemie in Österreich griff die Bundesregierung zur Aufrechterhaltung der Versorgungssicherheit in den letzten Wochen auch verstärkt auf Soldaten und Zivildiener zurück. Nach nur drei Tagen hatten sich bereits mehr als 3000 ehemalige Zivildiener freiwillig gemeldet und ihre Unterstützung angeboten. Die Bundesregierung will aber auch in Hinkunft für mehr Soldaten und Zivildiener sorgen und überarbeitet die Tauglichkeitskriterien.

Beim Zivildienstgipfel am 10. März im Bundeskanzleramt trafen sich Regierungsvertreter mit Sozialpartnern, Gemeinde- und Städtebund und den Organisationen, die Zivildiener einsetzen, zum gemeinsamen Austausch über die zukünftigen Herausforderungen.

Zu diesem Zeitpunkt waren die harten Maßnahmen der Regierung zur Eindämmung des Coronavirus im Detail noch nicht bekannt, dennoch wussten alle, dass das Coronavirus alle Bereiche des Staates noch intensiv beschäftigen würde.

Im Zuge des Zivildienstgipfels kündigten Verteidigungsministerin Klaudia Tanner und Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger Reformen bei den Tauglichkeitskriterien an. Man erwartet sich damit ab 1. Jänner 2021 zwischen 2000 und 3000 zusätzliche Grundwehrdiener und 500 zusätzliche Zivildiener.

Milizsoldaten wurden einberufen, ehemalige Zivildiener um Unterstützung gebeten

Aber auch schon mit Fortschreiten der Corona-Krise zeigte sich, dass Zivildiener und Soldaten dringend gebraucht werden. Nur fünf Tage nach dem Gipfel kündigten die beiden Ministerinnen an, aktuelle Grundwehr- und Zivildiener zu verlängern, Milizsoldaten einzuberufen und ehemalige Zivildiener um Unterstützung zu bitten. Die Einsatzfelder der Soldaten im Zuge der Pandemie seien um ein Vielfaches größer geworden. Sie helfen bei der Gesundheitshotline, den Grenzkontrollen oder in den Supermärkten aus. Mit der Aussetzung der Ausmusterung können somit 5000 Wehrpflichtige zu einem längeren Dienst verpflichtet werden.

Ähnlich war es auch beim Bedarf an den Zivildienern. Speziell im Bereich der systemkritischen Infrastruktur steigen die Belastungen, das betrifft das Rettungswesen, Krankenanstalten, Sozial- und Behinderteneinrichtungen, aber vor allem auch das Pflegesystem, Krankenbetreuung und natürlich auch die gesamte Gesundheitsvorsorge.

Aktuelle Zivildiener müssen länger dienen

Um rechtzeitig Personalreserven zu mobilisieren, hat die Regierung den „außerordentliche Zivildienst“ nach dem Zivildienstgesetz aktiviert. Der Dienst der aktuellen Zivildiener wurde um drei Monate verlängert und ehemalige Zivildiener wurden eingeladen, sich freiwillig zu melden. Der Appell der Regierung an Freiwilligkeit und Solidarität bewegte innerhalb von drei Tagen 3000 ehemalige Zivildiener dazu, sich bei den Organisationen freiwillig zu melden.

Es zeigt sich auch in dieser schwierigen Situation die große Welle an Hilfsbereitschaft. Im Zuge des Fortschreitens der Pandemie könnte die Bundesregierung auch Paragraf 21 des Zivildienstgesetzes zurückgreifen. Er erlaubt bei „Elementarereignissen und außerordentlichen Notständen“ die Einberufung von ehemaligen Zivildienern, die jünger als 50 sind. Erfahrungswerte mit dem außerordentlichen Zivildienst gibt es bis dato nicht.

Zivildienst war immer schon Türöffner für das Ehrenamt

Der Zivildienst hat sich als Wehrersatzdienst seit dem Jahr 1975 als wesentliche Säule in Österreich etabliert. Er ist ein Türöffner für das Ehrenamt, denn rund 27 Prozent aller Zivildiener bleiben ihrer Einrichtung einige Jahre als ehrenamtliche Mitarbeiter erhalten.

In insgesamt 18 Sparten können junge Männer ihren Dienst leisten. Dazu gehören die Blaulichtorganisationen wie das Rote Kreuz, der Samariterbund oder die Johanniter ebenso wie der Behinderten- und Sozialbereich, die landwirtschaftliche Betriebshilfe, inländische Gedenkstätten oder die Kinder- und Jugendarbeit. Die verschiedenen Einrichtungen sind auf die Unterstützung durch die Zivildiener angewiesen. Ohne sie wäre ein Regelbetrieb kaum möglich.

Ausnahmen von Waffenverbot für Zivildiener

Der Zivildienst dauert seit 2006 neun Monate, drei Monate länger als der Grundwehrdienst. Bis zum Jahr 2014 mit über 16.600 Meldungen zum Zivildienst hat die Anzahl der Zivildiener laufend zugenommen. Aufgrund der geburtenschwachen Jahrgänge ist nun auch ein Rückgang bei den Zivildienern zu spüren.

War früher mit der Abgabe der Zivildiensterklärung ein Waffenverbot für 15 Jahre verbunden, was etwa der Aufnahme der Polizei hinderlich war, so erlaubt eine Novelle des Zivildienstgesetzes aus dem Jahr 2010 nun unter gewissen Umständen eine Ausnahme vom Waffenverbot. Mit einem nachträglichen Widerruf der Zivildiensterklärung, kann nun auch eine Laufbahn bei Polizei oder Justizwache angestrebt werden. 

Das Freiwillige Soziale Jahr

Seit dem Jahr 2016 ist es auch möglich, statt des Zivildiensts ein Freiwilliges Soziales Jahr zu leisten. Dieses steht auch Frauen offen. Es bietet jungen Erwachsenen die Möglichkeit, die Arbeit im Sozialbereich kennenzulernen.

Ziel ist die Stärkung sozialer Kompetenzen, das Kennenlernen von Arbeitsfeldern im Sozialbereich und die Förderung des freiwilligen sozialen Engagements. Klassische Einsatzbereiche sind: Betreuung von behinderten oder älteren Menschen, Arbeit mit Kindern oder mit Jugendlichen.

Blick auf die Zahlen

Von den knapp 45.000 jungen Österreichern, die sich im Vorjahr der Musterung unterzogen haben, entschieden sich rund 16.000 für den Grundwehrdienst (das Heer bräuchte aber 20.000 pro Jahr), circa 13.500 entschieden sich für den Zivildienst und fast 10.000 waren untauglich, mehr als 5.000 vorübergehend untauglich.

In Summe sank die Zahl der tauglichen Wehrpflichtigen in den vergangenen zehn Jahren um 25 Prozent. Und bis 2033 wird die Zahl der Stellungspflichtigen generell auf rund 37.000 junge Männer sinken. Zum Vergleich: Mitte der 2000er-Jahre gab es noch 56.800 Stellungspflichtige, wobei damals etwa 70 Prozent tauglich waren.

Die meisten Zivildiener waren im letzten Jahr übrigens im Rettungswesen tätig (40 Prozent), dann folgte die Sozial- und Behindertenhilfe (30 Prozent) und die Altenbetreuung (10 Prozent). 23 Prozent der Personen waren in Wien stationiert, rund 19 Prozent in Oberösterreich, 16 Prozent in Niederösterreich.

Die beliebtesten Trägerorganisationen waren unter anderem das Rote Kreuz, der Samariterbund, die Caritas und die Diakonie sowie Feuerwehrverbände.  

Mehr junge Österreicher sollen zum Einsatz kommen

Ziel der Regierung ist nun, dass künftig mehr männliche österreichische Staatsbürger zum Einsatz kommen. „Volltaugliche“ sollen wie bisher uneingeschränkt Dienst beim Bundesheer oder beim Zivildienst machen können. „Teiltaugliche“ sollen eine individuell passende Tätigkeit, etwa im Verwaltungs- oder Versorgungsbereich ausüben.

Nur wer dazu aufgrund körperlicher und geistiger Beeinträchtigung tatsächlich nicht in der Lage ist, wird auch in Zukunft keinen Dienst tun müssen.  

Die Pläne der Regierung zielen auf mehr Soldaten und Zivildiener ab. Der Ersatzdienst wird zwar immer beliebter, aber die Trägerorganisationen können ihren Bedarf kaum decken. Jede zehnte Stelle ist unbesetzt. Alle Organisationen begrüßen die geplanten Maßnahmen der Bundesregierung zur Stärkung des Zivildienstes und des Grundwehrdienstes – auch außerhalb der herausfordernden Corona-Epidemie.