Dürre im Nationalpark Neusiedler See
Dürre im Nationalpark Neusiedler See
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Erderhitzung

Klimawandel trifft Österreich besonders stark

17. Juni 2025
Österreich ist vom Klimawandel besonders betroffen, Risiken und Auswirkungen nehmen mit fortschreitender Erwärmung zu. Der Zweite Österreichische Sachstandsbericht zum Klimawandel (AAR2) zeigt, dass die Folgen der Klimakrise unseren Wohlstand gefährden und soziale Ungleichheiten verschärfen. Der Bericht zeigt vielfältige Handlungsoptionen auf und betont, dass realistische, sozial verträgliche und wirtschaftlich tragfähige Wege hin zur Klimaneutralität vorhanden sind.

Mehr als 200 Forscherinnen und Forscher aus über 50 Institutionen haben über drei Jahre an dem interdisziplinären Bericht gearbeitet. Finanziert wurde er durch den Klima- und Energiefonds mit Mitteln des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Klima- und Umweltschutz, Regionen und Wasserwirtschaft (BMLUK). 

Die Ergebnisse sind deutlich: 

  • Die Temperatur in Österreich ist seit 1900 um rund 3,1 °C gestiegen – mehr als doppelt so stark wie im globalen Durchschnitt.
  • Extremwetterereignisse wie Hitze, Dürre, Starkregen und Muren nehmen zu – mit erheblichen Folgen für Gesundheit, Infrastruktur, Landwirtschaft und Tourismus.
  • Vorsorgender Klimaschutz und Anpassungsmaßnahmen sind dabei auf lange Sicht deutlich kostengünstiger als die Bewältigung der Schäden, die durch den Klimawandel verursacht werden. 

Durch rasches Handeln sind Klimaziele erreichbar

Österreichs Treibhausgasemissionen sind in den vergangenen Jahren gesunken. Co-Vorsitzender Keywan Riahi vom Internationalen Institut für angewandte Systemanalyse IIASA betont, dass im internationalen Vergleich die Pro-Kopf-Emissionen weiterhin hoch sind: „Die derzeit umgesetzten Maßnahmen sind ein Schritt in die richtige Richtung, sie sind jedoch nicht ausreichend, um das Ziel der Klimaneutralität im Jahr 2040 zu erreichen. Wenn keine weiteren Maßnahmen gesetzt werden, beträgt die Reduktionslücke im Jahr 2030 bis zu 10 Megatonnen CO₂-Äquivalente, um die mit der EU vereinbarten Ziele zu erreichen.“

Österreich kann die Emissionsreduktionsziele durch zusätzliche Maßnahmen aber erreichen, sind sich die Autorinnen und Autoren des Berichts einig. Österreichs verbleibendes Kohlenstoff-Budget, das sich aus den Zielen des Pariser Klimaübereinkommens ergibt, ist weitgehend ausgeschöpft. „Durch seinen Beitrag zur Erfüllung der Klimaziele wird Österreich auch seiner internationalen Verpflichtung gerecht. Unser Bericht zeigt die Synergien zwischen Emissionsreduktion, Anpassung und nachhaltiger Entwicklung”, so Riahi. 

Transformation als Chance 

Alle Sektoren sind gefordert: „Zur Erreichung der Klimaziele müssen rasch weitere wirksame Maßnahmen umgesetzt werden“, betont Co-Vorsitzender Daniel Huppmann, ebenfalls vom IIASA. „Zentrale Hebel sind der vollständige Ausstieg aus fossilen Energieträgern, die rasche Elektrifizierung von Industrie, Mobilität und Wärmeversorgung, und ein gesellschaftlich getragener Fokus auf einen bewussten Umgang mit Ressourcen. Diese Maßnahmen sind nicht nur für den Klimaschutz wichtig, sie senken auch Österreichs Abhängigkeit von Energieimporten und reduzieren damit die Vulnerabilität gegen globale Preisschocks von Öl und Gas.“ 

Mögliche Maßnahmen

Der Bericht zeigt Synergien in vielen gesellschaftlichen Bereichen auf. Etwa durch den Ausbau von öffentlichem Verkehr und Radinfrastruktur, die Sanierung von Gebäuden, Umstieg auf klimafreundliche Wärmeversorgung, Begrünung von Städten als Maßnahme gegen Hitzeinseln, den Schutz von Feuchtgebieten sowie eine aktive Anpassung in Tourismus und Landwirtschaft. Für alle Maßnahmenbündel ist eine rasche, tiefgreifende und sektorübergreifende Umsetzung entscheidend. Denn, je länger die Umsetzung aufgeschoben wird, umso kleiner wird der verbleibende Handlungsspielraum und umso wahrscheinlicher werden Grenzen der Anpassung erreicht. 

„Der Klimasachstandsbericht zeigt klar: Wir müssen viele verschiedene Werkzeuge nutzen, um unser Klimaziele zu erreichen. Deshalb arbeiten wir derzeit mit Hochdruck an einem neuen Klimagesetz, das einen Rahmen für eine gemeinsame Zusammenarbeit setzt“, sagt Umwelt- und Klimaminister Norbert Totschnig. „Um unsere Ziele zu erreichen, braucht es neben dem Ausbau der Erneuerbaren auch neue Technologien wie die CO₂-Speicherung – vor allem für jene Bereiche, in denen Emissionen schwer vermeidbar sind. Der Bericht liefert dafür die wissenschaftliche Grundlage. Jetzt geht es darum, Maßnahmen umzusetzen, die wirken – technologisch, wirtschaftlich, sozial und nachhaltig“, so Totschnig.

Zentrale Aussagen des Berichts

Deutliche Zunahme von Extremwetterereignissen und Klimafolgen 

Die Temperaturzunahme liegt in Österreich bei etwa 3,1 °C über dem vorindustriellen Niveau – deutlich stärker ausgeprägt als im globalen Schnitt. „Vor allem seit den 1980er-Jahren hat sich die Erwärmung mit rund 0,5 °C Zunahme pro Jahrzehnt merklich verstärkt. Das zeigt sich auch in einer deutlichen Zunahme von Extremereignissen wie Hitzetagen oder Trockenheit, die in den nächsten Jahrzehnten in Abhängigkeit von der Emissionsentwicklung weiter zunehmen werden. So könnten zum Beispiel Hitzeextreme bis zu drei Mal so häufig wie heute vorkommen”, erklärt Co-Vorsitzender Harald Rieder von der BOKU in Wien. 

Besonders spürbar sind diese Veränderungen in dicht besiedelten Gebieten. Städte wie Wien, Graz, Linz und Innsbruck verzeichnen eine rapide Zunahme der Hitzebelastung. Ohne die Umsetzung von verschiedenen Maßnahmen wie Hitzeschutzkonzepten oder angepasste Stadt- und Raumplanung wird sich die Belastung weiter verschärfen. 

Auswirkungen auf den alpinen Raum 

In den alpinen Regionen werden sich die Auswirkungen des Klimawandels verstärken. Die Erderhitzung setzt sensiblen Ökosystemen und in hohen Regionen Gletschern sowie Permafrostböden massiv zu. „Durch intensivere Starkregen steigt die Gefahr für Siedlungen und Infrastruktur durch Muren, Hochwasser und Rutschungen, während die lokalen Anpassungskapazitäten vielerorts begrenzt sind”, betont Margreth Keiler. 

Der Rückgang der Schneesicherheit stellt weite Teile des Schitourismus vor tiefgreifende strukturelle Herausforderungen. Bis zur Mitte des Jahrhunderts wird je nach Emissionsverlauf die Dauer der Schneedecke selbst in höheren Lagen um weitere 60 bis 80 Tage abnehmen. Regionen, deren wirtschaftliches Profil stark auf klassischen Wintersport ausgerichtet ist, drohen langfristige Einbußen bei Wertschöpfung, Arbeitsplätzen und regionaler Entwicklung, wenn keine gezielte Anpassung erfolgt. Auch die Stabilität und die Schutzwirkung der Wälder ist gefährdet. Gleichzeitig verändert sich durch die zunehmende Erhitzung auch die Wasserverfügbarkeit in vielen Regionen. 

Soziale Dimension des Klimawandels 

Nicht alle Menschen sind von den Folgen des Klimawandels gleichermaßen betroffen. „Der Klimawandel ist mehr als ein Umweltproblem, er betrifft unser gesamtes Wirtschafts- und Gesellschaftssystem. Wenn wir Emissionen wirksam reduzieren wollen, müssen wir auch soziale Ungleichheit und politische Handlungsspielräume in den Blick nehmen. Der Bericht zeigt, dass eine gerechte Transformation nicht nur möglich ist, sondern entscheidend für den Erfolg von Klimapolitik ist“, sagt Co-Vorsitzender Daniel Huppmann. 

Ältere Menschen, Personen mit niedrigem Einkommen und Menschen in prekären Wohnverhältnissen sind besonders vulnerabel. Insbesondere Frauen sind durch die ungleiche Verteilung von unbezahlter Pflege- und Sorgearbeit häufig benachteiligt. Gleichzeitig verursacht das einkommensstärkste Zehntel der Bevölkerung mehr als das Vierfache der Emissionen des einkommensschwächsten Zehntels und trägt damit viel stärker zum Klimawandel bei. 

Kosten des Nichthandelns teurer als Investitionen in Klimaschutz und Anpassung 

Bereits heute entstehen in Österreich durch die Auswirkung der Erderhitzung Schäden von rund zwei Milliarden Euro jährlich durch Hitze, Extremwetter, Infrastrukturbelastung oder Gesundheitsfolgen. Ohne wirksamen Klimaschutz und Anpassungsmaßnahmen könnten diese bis 2050 auf bis zu 10,8 Milliarden Euro pro Jahr ansteigen. 

Modellrechnungen zeigen, dass Investitionen in Klimaschutz und Anpassung langfristig deutlich günstiger sind als Nichthandeln. Co-Vorsitzender Harald Rieder unterstreicht diesen Aspekt besonders: „Ein vorausschauender, systematisch geplanter Klimaschutz rechnet sich – ökologisch, wirtschaftlich und sozial. Die Klimakrise ist kein Zukunftsszenario, sondern auch in Österreich längst Realität. Extreme Wetterereignisse, Hitzebelastung und Folgeschäden verursachen schon heute enorme Kosten. Der Bericht zeigt: Wenn wir jetzt handeln, können wir diese Risiken begrenzen und wirtschaftliche Stabilität sichern. Klimaschutz ist somit eine Investition in Wohlstand, Sicherheit und Lebensqualität. Unser Bericht ist eine solide wissenschaftliche Legitimationsbasis für entschlossenes gesellschaftliches Handeln.“ 

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