Klärungsbedarf in Sachen Abwasser
Österreich ist für sein hervorragendes Wasser bekannt, und zu recht stolz darauf. Natürlich ist das Land gesegnet mit einer endlosen Anzahl an Gebrigsquellen, doch diese allein sind nicht der Grund für die beeindruckende Wasserqualität, um die es in vielen Ländern der Welt beneidet wird. Dass es um das heimische Wasser derart gut bestellt ist, ist der Politik, der Bevölkerung und nicht zuletzt den Kommunen zu verdanken, die mit ihren Kläranlagen und dem gut ausgebauten Kanalisationsnetz dafür sorgen, dass sämtliche Gewässer in Österreich sauber sind und bleiben. Wie die Hintergründe und Arbeiten aussehen, die notwendig sind, um das hohe Niveau des Abwassersystems zu unterhalten, wissen dennoch nur wenige. Darum gibt Kommunal zehn Antworten auf Fragen zum Thema Abwasserwirtschaft.
Was ist das Vorsorgeprinzip?
Bei der Entsorgung und Aufbereitung von Abwässern wird in der österreichischen Gewässerschutzpolitik nach dem Vorsorgeprinzip gehandelt. Es besagt, dass Abwässer nach dem Stand der Technik gereinigt werden müssen, um nachträgliche, teure Sanierungsfälle zu vermeiden. Dabei gelten zwei Ansätze: der Immisionsansatz und der Emissionsansatz. Beim Immisionsansatz wird der Zustand eines aufnehmenden Gewässers erhoben und in Abhängigkeit davon die erforderliche Qualität des einzuleitenden Abwassers ermittelt. Der kristallklare Bergsee mit sensiblem Ökosystem wird hier wahrscheinlich einen höheren Qualitätsanspruch haben als ein großes Fließgewässer. Der Emissionsansatz hingegen ist unabhängig vom Zielgewässer, und umfasst einheitliche Vorgaben, die sämtliche einzuleitenden, gereinigten Abwässer grundsätzlich zu erfüllen haben.
Soll eine neue Einleitung von Abwässern in ein Gewässer bewilligt werden, so gilt zuerst der Emissionsansatz. Erfüllen die Abwässer dessen Grenzwerte, wird in weiterer Folge ermittelt, ob auch der Immissionsansatz erfüllt wird. Sollte der Reinheitsgrad des Zielgewässers mit dem Stand der Technik nicht gehalten werden können, sind zusätzliche Benahdlungsmethoden für das Abwasser zwingend notwendig. Dank des Vorsorgeprinzips haben sich die Verunreinigungen von Grund- und Oberflächengewässern in Österreich seit den 1990er-Jahren stark verringert.
Woher kommt das Abwasser?
Man unterscheidet zwischen Wassereinträgen aus punktförmigen oder aus diffusen Quellen. Punktförmige Quellen sind Einleitungen aus kommunalen und industriellen Kläranlagen. Die Abwässer aus kommunalen Anlagen setzten sich wiederum aus häuslichen Anteilen und aus Anteilen der Tourismuswirtschaft und der Industrie zusammen. Diese bezeichnet man als sogenannte Indirekteinleiter. Bei diffusen Einträgen hingegen ist eine konkrete Eintragsstelle nicht lokalisierbar. Das ist zum Beispiel bei Stoffen aus der landwirtschaftlichen oder forstwirtschaftlichen Bodennutzung der Fall, aber auch bei atmosphärischen Einträgen.
Wie funktioniert eine Kläranlage?
Moderne Kläranlagen reinigen das Abwasser grob gesagt in drei Schritten: der mechanischen, der biologischen und der chemischen Klärung.
Bei der mechanischen Reinigung werden grobe Verschmutzungen, wie Laub, Steine oder Hygieneartikel über einen Schotterfang und Rechen herausgesiebt. Das so erhaltene Rechengut wird entweder verbrannt, kompostiert oder deponiert. Sand- und Fettfang sind ebenfalls dieser Reinigungsstufe zuzurechnen, ebenso wie das Vorklärbecken, in dem sich dank langsamer Fließgeschwindigkeit andere Feststoffe, wie Papier oder Fäkalien am Boden absetzen.
In der biologischen Reinigung bauen Bakterien und andere Mikroorganismen organische Inhaltsstoffe mithilfe von Sauerstoff ab. Im sogenannten Belebungsbecken befindet sich ein mit Bakterien angereicherter Schlamm, und durch technische Maßnahmen wird das Wasser zusätzlich mit Sauerstoff angereichert. Im Nachklärbecken setzt sich der Bakterienschlamm wieder ab. Die meisten kommunalen Kläranlagen werden nach diesem Belebtschlammverfahren betrieben. Durch die Kombination von mechanischer und biologischer Reinigung erreicht man bereits einen Reinigungsgrad von 90 bis 95 Prozent.
Die dritte, chemische Reinigungsstufe hat vor allem die Aufgabe, Phosphor auszufällen, um eine Eutrophierung der Gewässer zu vermeiden. Das erreicht man mit Hilfe von Eisen- oder Aluminiumsalzen. In Industriekläranlagen werden zudem weitere Problemstoffe wie schwermetalle oder Salze chemisch entfernt.
Wie misst man die Reinigungsleistung?
Wer sich über Kläranlagen informiert, stößt bald auf ein paar kryptische Maßeinheiten, deren Bedeutungen aus den Abkürzungen kaum zu erahnen sind. BSB5 ist zum Beispiel so eine Einheit. BSB steht für Biochemischer Sauerstoffbedarf. Da zum organischen Abbau von Abwasserverschmutzungen Sauerstoff benötigt wird, ermittelt man anhand eines festgelegten Verfahrens, wieviel Sauerstoff für eine Schmutzwasserprobe verbraucht wird. Die Menge wird in Milligramm pro Liter angegeben. BSB5 bezeichnet daraus abgeleitet die Sauerstoffmenge, die binnen fünf Tagen verbraucht wird.
Ähnlich verhält es sich übrigens mit dem CSB-Wert. CSB steht hier für den chemischen Sauerstoffbedarf, der benötigt wird, um neben den organischen auch noch die chemischen Verbindungen zu zerlegen.
Die Bezeichnung EW60 taucht ebenfalls immer wieder auf, und zwar dann, wenn es um die Reinigungsleistung von Kläranlagen geht. EW ist das Kürzel für Einwohnerwert. Der Einwohnerwert ist ein Vergleichswert für die Schmutzfracht, die im Abwasser enthalten ist. Ein Mensch verursacht durch Waschen, Duschen, Toilettengang etc. täglich Abwässer. Um diese täglichen Abwässer einer Einzelperson zu reinigen benötigt man im Schnitt 60 Gramm Sauerstoff pro Tag. Der EW60 bezeichnet nun nichts anderes als den Verbrauch einer Person von 60 g BSB5 pro Tag. Wirklich anschaulich ist diese Maßeinheit nicht, aber durch den EW60-Wert lassen sich die Reinigungsleistungen verschiedener Kläranlagen am besten vergleichen.
Wo steht Österreich im europäischen Vergleich?
Die EU-Richtlinie 91/271/EWG über die Behandung von kommunalem Abwasser, auch bekannt als „Abwasserrichtlinie“, zählt zu den maßgeblichen Instrumenten im Bereich der Wasserpolitik in Europa. Ihr Ziel ist es, die Umwelt vor den schädlichen Auswirkungen von Abwasser aus Wohngebieten und biologisch abbaubarem industriellen Abwasser aus der Agrar- und Ernährungsindustrie zu schützen. Sie schreibt vor, Abwässer in geeigneter Weise zu sammeln, und regelt die Einleitung von Abwässern.
Die Abwasserrichtlinie stammt aus dem Jahr 1991. Seitdem erstellt die Kommission alle zwei Jahre einen Bericht über den Fortschritt der Umsetzung und die Lage in den Mitgliedsländern. Nach über zwanzig Jahren seit der Verabschiedung der Richtinie zeigen sich Verbesserungen. Für die alten EU-Mitgliedstaaten beträgt die durchschnittliche Einhaltungsquote bei der Zweitbehandlung 88 Prozent und bei der Kanalisation und der weitergehenden Behandlung sogar 97 bzw. 90 Prozent. Erfreulich: An der Spitze liegen Österreich, Deutschland und die Niederlande.
Wohin fließen die Investitionen in der Abwasserwirtschaft?
Die Investitionen wurden in den Jahren 2013 und 2014 für den Neubau und die Sanierung von Kanalisationen sowie für Kläranlagen (Neubau, Ausbau und Anpassungsmaßnahmen) im Verhältnis neun zu eins verwendet. Gegenwärtig ist eine Verlagerung der Investitionen von reinen Neubau- hin zu Erhaltungsmaßnahmen zu bemerken. Das gilt sowohl für Kläranlagen als auch Kanalsysteme
Neuinvestitionen in Kanalsysteme, trotz des in Österreich bereits sehr hohen Anschlussgrades von 95 Prozent, sind im Wesentlichen durch die Aufschließung von Erweiterungen bestehender Siedlungsstrukturen erklärbar. Vereinzelt kommt es in ländlichen Gebieten aus ökonomischen Überlegungen oder aufgrund des Verlusts landwirtschaftlicher Entsorgungsmöglichkeiten von Senkgrubeninhalten noch zum Zusammenschluss von Einzelanlagen zu Klein- oder kommunalen Kläranlagen mit entsprechenden Sammelsystemen. Eine geringfügige jährliche Steigerung der Kläranlagenkapazität, die sich aus der Anpassung an das Bevölkerungswachstum und einer zunehmenden Verstädterung ergibt, ist ebenfalls erwartbar.
Wie ist es um das heimische Kanalisationssystem bestellt?
Das Kanalnetz in Österreich steht im internationalen Vergleich gut da. Insgesamt sind rund 93 Prozent der politischen Gemeinden Österreichs über ein öffentliches Kanalisationssystem an eine kommunale Kläranlage mit einer Ausbaugröße von >2000 EW60 angeschlossen. Innerhalb der einzelnen Einzugsgebiete dieser Kläranlagen liegt der Anschlussgrad österreichweit gar zwischen 95 und 100 Prozent.
940 der 2102 politischen Gemeinden in Österreich weisen eine Bevölkerung von mehr als 2000 Einwohnern auf und nur sieben davon, mit in Summe 15.486 betroffenen Einwohnern, verfügen über keinen Anschluss an eine kommunale Kläranlage der Größenklasse >2000 EW60. Der Grund dafür ist jeweils ein nicht ausreichend konzentriertes Siedlungsgebiet. Dennoch ist für sämtliche Gemeinden und Haushalte eine geeignete Behandlungsmaßnahme entweder über kleinere kommunale Kläranlagen, Klein- und Hauskläranlagen oder durch Senkgruben sichergestellt.
Wie überprüft man die Dichtheit eines Kanals?
Um festzustellen, ob ob Kanäle, Behälter, Abscheider oder Druckwasser-
leitungen wirklich dicht sind, ist eine Dichtheitsprüfung notwendig. Undichtheiten in Druckwasserleitungen führen oft zu sehr hohen Unterhaltskosten. Das kann durch regelmäßige Kontrollen vermieden werden. Ebenso vermeidet man damit Folgeschäden von undichten Kanälen. Die Kanaldichtheitsprüfung kann an Rohrverbindungen, Kanälen, Hausanschlüssen und Schächten mit Wasser oder Luft durchgeführt werden. Dazu wird eine Strecke zwischen zwei Kanalschächten durch Absperrblasen abgesperrt. Dieser Teil, der Prüfraum, wird anschließend mit Wasser gefüllt und so auf seine Dichtheit geprüft.
Welche Rolle spielt Lachgas bei der Abwasserbehandlung?
Lachgas, mit der chemischen Formel N2O, ist ein klimarelevantes Gas und entsteht bei Klär-anlagen hauptsächlich während der biologischen Reinigungsstufe als Nebenprodukt der Stickstoffentfernung. Die Klimarelevanz der Abwasserreinigung ist zwar vergleichsweise gering, dennoch sollte man bestrebt sein, möglichst hohe Einsparungen an Klimagasen aus Kläranlagen im Sinne eines nachhaltigen, umweltfreundlichen Wirtschaftens zu erreichen. Das Ministerium für ein lebenswertes Österreich hat in Zusammenarbeit mit dem Umweltbundesamt einen Leitfaden herausgegeben, wie die betrieblichen Abläufe in Kläranlagen dahingehend optimiert werden können. Das Dokument steht auf der Homepage des Ministeriums zum kostenfreien Download bereit.