Hausapotheke eines Arztes
Wie wichtig der Betrieb einer Hausapotheke für einen Landarzt ist, wird unterschiedlich gesehen.
© Shutterstock/i viewfinder

Kampf um die ärztlichen Hausapotheken

18. Oktober 2019
Seit Anfang 2017 analysiert die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) den österreichischen Gesundheitsmarkt. Nach dem ersten Teilbericht „Der Markt für öffentliche Apotheken“, der im 2018 veröffentlicht wurde, deutet jetzt der zweite Teilbericht darauf hin, dass sich die medizinische Grundversorgung im ländlichen Raum verschlechtert.

Seit Anfang 2017 analysiert die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) den österreichischen Gesundheitsmarkt. Ein Bericht deutet jetzt Teilbericht darauf hin, dass sich die medizinische Grundversorgung im ländlichen Raum verschlechtert. Einer der Gründe: Viele Allgemeinmediziner gehen in Pension, junge Ärztinnen und Ärzte wollen keine Landarztstellen übernehmen.

Die Analyse der Bundeswettbewerbsbehörde zeigt, dass der Betrieb einer ärztlichen Hausapotheke ein wesentlicher Aspekt für die Attraktivität einer Kassenordination eines Landarztes ist.

Der Betrieb einer Hausapotheke wird aber derzeit durch eine sehr restriktive Regelung im Apothekengesetz beschränkt.

Bundeswettbewerbsbehörde empfiehlt Deregulierung

Als Ergebnis der Untersuchung könne, so die Bundeswettbewerbsbehörde, festgehalten werden, dass die wettbewerbsrechtlich unterschiedliche Behandlung von öffentlichen Apotheken und ärztlichen Hausapotheken weder zur Verbesserung der Versorgungssicherheit noch zur Sicherstellung eines Qualitätsniveaus bei der Verabreichung von Medikamenten erforderlich ist.

Die Behörde argumentiert, dass der größte Teil der in öffentlichen Apotheken verkauften Produkte wird nicht mehr wie früher in diesen Apotheken selbst hergestellt wird. Somit sei ein Grund für die weitgehend exklusive Distribution von Medikamenten durch öffentliche Apotheken weggefallen. „Es wird daher eine Deregulierung der Bestimmungen im Apothekengesetz betreffend ärztliche Hausapotheken empfohlen“, so die Bundeswettbewerbsbehörde.

Theo Thanner, Generaldirektor der Bundeswettbewerbsbehörde: „Eine effektive und für alle zugängliche Gesundheitsversorgung ist wichtig für die Bevölkerung und muss sichergestellt werden. Es kann nicht sein, dass durch künstliche Wettbewerbsbarrieren die medizinische Versorgung insbesondere im ländlichen Raum leidet. Die Wahlfreiheit der Patienten und Patientinnen und ein schneller Zugang zu den medizinischen Leistungen und Medikamenten muss gewährleistet sein. Aufgrund der derzeitigen Gesetzeslage ist eine effektive und wettbewerbskonforme medizinische Versorgung in bestimmten Regionen in Österreich nicht gegeben.“

„Wer verschreibt, soll nicht verkaufen“

Die Apothekerkammer sieht das komplett anders.

„Die Vorstellung, dass man den Ärztemangel durch Hausapotheken bekämpfen kann, ist illusorisch“, meint Gerhard Kobinger, Mitglied des Präsidiums der Apothekerkammer. „Wer verschreibt, soll nicht verkaufen“, zitiert er den Stauferkaiser Friedrich II., der im 13. Jahrhundert die Berufe von Arzt und Apotheker trennte. Das Vier-Augen-Prinzip, dass der Arzt ein Medikament verschreibt und der Apotheker es ausgibt, stelle sicher, dass keine Fehler passieren.

Die Apotheker sind überzeugt, dass eine größere Zahl ärztliche Hausapotheken die gesundheitliche Versorgung auf dem Land keineswegs verbessern würde.

Die Argumente der Apothekerkammer:

  • Eine öffentliche Apotheke hat pro Woche 50 bis 60 Stunden geöffnet, eine Hausarztordination nur rund 20 Stunden.
  • Eine Apotheke hat durchschnittlich 6.000 Medikamente lagernd, eine Hausapotheke nur etwa 200.
  • Eine Apotheke bietet niederschwellige pharmazeutische Beratung ohne Wartezeiten sowie unkomplizierte Hilfe bei leichten Beschwerden.
  • Ärzte, die entgegen dem Vier-Augen-Prinzip Medikamente verschreiben und auch selbst abgeben sind verleitet, wesentlich mehr und teurere Medikamente zu verschreiben. Dies belege eine Studie aus der Schweiz, so die Apotheker.
  • Studien zeigen, dass die Möglichkeit eine Hausarztpraxis zu führen, keinen großen Anreiz zur Übernahme einer Landarztstelle sei.

Die Apothekerkammer warnt davor, dass die Umsetzung der Forderungen der Bundeswettbewerbsbehörde zu einem großflächigen Apothekensterben führen würde. Rund 600 der derzeit 1.372 öffentlichen Apotheken müssten schließen – mit allen negativen Folgen für die Gesundheitsversorgung und für die Arbeitsplätze in den betroffenen Gemeinden.

„Gesundheit und Wettbewerb vertragen sich nicht“, stellt Apothekerkammer Jürgen Rehak fest.

Die Empfehlungen der Bundeswettbewerbsbehörde 

  • Forcierung der flächendeckenden Förderungen und finanzielle Anreizsetzung bezüglich Kassenstellen im Bereich Allgemeinmedizin im ländlichen Raum.
  • Vertiefte und flächendeckende Aufwertung der Allgemeinmedizin im theoretischen und praktischen Teil der universitären Ausbildung hinsichtlich des Studiums der Humanmedizin.
  • Weitere Flexibilisierungen und Ausbau der Entwicklungsmöglichkeiten für niedergelassene § 2 - Vertragsärzte.
  • Bewusstseinsfördernde Maßnahme (etwa durch eine Informationsoffensive) mit dem Ziel einer erhöhten Wertschätzung und Aufwertung von § 2 - Vertragsärzten im Bereich Allgemeinmedizin.
  • Ersatzlose Streichung der Mindestentfernungen in § 29 ApothekenG hinsichtlich der Bewilligung zur Haltung einer ärztlichen Hausapotheke in Gemeinden ohne öffentliche Apotheken.
  • Streichung der Sonderregelung bezüglich der Mindestentfernung für ärztliche Hausapotheken zu öffentlichen Apotheken gemäß § 28 Abs 3 ApothekenG in Gemeinden mit nur einer kassenärztlichen Vertragsstelle und einer vorliegenden Konzession für eine öffentliche Apotheke. Stattdessen rechtliche Gleichstellung von öffentlichen Apotheken und ärztlichen Hausapotheken durch den Verweis auf § 10 ApothekenG.
  • Berücksichtigung der strukturellen Besonderheiten des ländlichen Raums bei der Bedarfsprüfung iSd § 10 ApothekenG.
  • Planstellen für PVE (Primärversorgungseinheiten) sollen nicht zu Lasten der Kassenarztstellen in ländlichen Gebieten bereitgestellt werden, stattdessen wird eine systematische Planstellenbewirtschaftung unter Heranziehung eines transparenten Kriterienkataloges vorgeschlagen.
  • Berechtigung zur Führung von ärztlichen Hausapotheken auch für Primärversorgungseinheiten.
  • Maßnahmen zur Sicherstellung der Wahlmöglichkeit in nicht akuten Fällen hinsichtlich verschiedener Ärzte auch in Primärversorgungseinheiten durch Gestaltung der Öffnungszeiten.
  • Für die bewilligungspflichtige mobile Abgabeeinrichtung sind (Mindest)Kriterien betreffend die Bedarfsprüfung durch die österreichische Apothekerkammer gesetzlich zu regeln. Alternativ wäre denkbar, dass bei Fehlen einer mobilen Abgaberichtung im Einzugsgebiet diese jedenfalls bewilligt würde, es sei denn, die österreichische Apothekerkammer weist das Fehlen eines Bedarfs nach.
  • Filialapotheken sollten – sofern dem keine zwingenden Gründe im Einzelfall entgegenstehen – von dauerhaftem Bestand sein. Die Schutzfrist einer Filialapotheke sollte parallel zur Konzessionsdauer der Stammapotheke laufen.

Die Vorschläge der Apothekenkammer

Die Apotheker haben eigene Vorschläge eingebracht, um den Bedürfnissen der Kunden besser zu entsprechen. Schon 2017 wurden Vorschläge für eine Novellierung des Apothekengesetzes eingebracht:

  • Die Apotheken sollen ihre Öffnungszeiten ausweiten dürfen.
  • Die Möglichkeiten zur Zustellung von Medikamenten an Krankenbett im Sinn einer „mobilen Apotheke“ sollen verbessert werden. In Notfällen sollen Apotheken sogar zur Zustellung verpflichtet werden. Bei der Versorgung von Senioren- und Pflegeheimen sollen die Apotheken garantieren, dass die benötigten Arzneimittel rasch geliefert werden.
  • Filialapotheken sollen die Arzneimittelversorgung dort garantieren, wo der Betrieb einer Apotheke wirtschaftlich nicht möglich ist.