Die Einnahmenlücke, die 2020 ein enormer Krater sein wird, reicht von fehlenden Elternbeiträgen bei der Kinderbetreuung, geringeren Gebühreneinnahmen und einem deutlichen Dämpfer der eigenen Wirtschaftstätigkeit bis hin zu wahrscheinlich zumindest zweistelligen prozentuellen Rückgängen bei der Kommunalsteuer und den Ertragsanteilen.
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Wie es um die Gemeindefinanzen in der Corona-Krise steht

Nachdem in den letzten Wochen aus kommunaler Sicht vor allem gesundheitspolitische, organisatorische und rechtliche Fragen im Vordergrund standen, rücken nun mehr und mehr die finanzwirtschaftlichen Themen in den Fokus. Mit den Mai-Vorschüssen dürfte sich bereits ein massiver Einbruch der Gemeinde-Ertragsanteile abzeichnen.

In seiner Mitte April veröffentlichten Einschätzung zur weltweit anstehenden Rezession geht der internationale Währungsfonds (IWF) von einem realen BIP-Rückgang Österreichs von rund sieben Prozent aus. Zum Vergleich: Im Jahr der Wirtschaftskrise 2009 ging das Bruttoinlandsprodukt um 3,8 Prozent zurück.

Deutlich optimistischer erwarten die Experten aus dem Büro des Fiskalrates, mit Stand 17. April 2020, ein Minus von 4,6 Prozent, seitens des WIFO werden für 2020 bis zu minus fünf Prozent erwartet.

All diese Prognosen sind jedoch mit großer Unsicherheit behaftet – wohl auch mit ein Grund, dass die dringend erwartete Steuer- und Ertragsanteile-Prognose des BMF nach wie vor nicht erfolgt ist.

Die tatsächlichen Ergebnisse werden für unser stark tourismus- und exportorientiertes Land dann insbesondere davon abhängen, wie lange die aufgrund von Covid-19 getroffenen Beschränkungen aufrechterhalten werden, wie schnell die in vielen Bereichen fast zur Gänze heruntergefahrene Wirtschaft wieder in Schwung gebracht werden kann und letztlich auch, wie viele Unternehmen nicht mehr aus der Krise zurückkehren werden. Auch hier gibt es unterschiedliche Meinungen, wie stark der für 2021 erwartete Wiederaufschwung ausfallen wird.

Rekord-Arbeitslosigkeit

Extrem herausfordernd stellt sich aktuell die Situation auf dem Arbeitsmarkt dar. Von den rund 3,6 Millionen unselbstständig Erwerbstätigen in Österreich dürfte mittlerweile jede(r) Vierte in Kurzarbeit sein.

Entwicklung der Arbeitslosenzahl in den Bundesländern

In der Gastronomie und Hotellerie haben sich die Arbeitslosenzahlen fast verdreifacht, in der Bauwirtschaft und im Transport- und Logistikbereich annähernd verdoppelt. Wie die Tabelle zeigt, ist allein in der zweiten März-Hälfte die Arbeitslosigkeit um gut 50 Prozent oder fast 200.000 Personen hochgeschnellt. Davon prozentuell am stärksten betroffen sind die Tourismusländer Tirol und Salzburg.

Steigende Ausgaben, drastisch sinkende Einnahmen

Neben den laufenden Ausgabensteigerungen (Löhne und Preise) sind eine Reihe von Covid-19-bedingten Mehrausgaben zu erwarten. Diese reichen von unmittelbaren Hygienemaßnahmen über den Krankenanstalten-Bereich (nachdem die Krankenversicherungen derzeit mit ihren Einnahmen gedeckelt sind, muss die Landes- und Gemeindeebene die tatsächlichen Kosten stemmen) und den Pflege- und Sozialbereich bis hin zu Kostensteigerungen bei aktuell erschwerten oder unterbrochenen Bauvorhaben und zusätzlichem Aufwand für EDV- und Beratung.

Und wohl auch im Personalbereich wird aktuell die eine oder andere Überstunde anfallen, während andere Bereiche nicht ausgelastet sind. Mit dem Hinweis, dass es nur für Gemeinde-Personal in rechtlich selbstständigen Ausgliederungen und bei entsprechender wirtschaftlicher Betroffenheit dieser Unternehmen (zum Beispiel der Hallenbad GmbH) Anspruch auf Covid-19-Kurzarbeitsbeihilfe gibt, sind wir auch schon bei den Mindereinnahmen angelangt.

Die Einnahmenlücke, die 2020 ein enormer Krater sein wird, reicht von fehlenden Elternbeiträgen bei der Kinderbetreuung, geringeren Gebühreneinnahmen und einem deutlichen Dämpfer der eigenen Wirtschaftstätigkeit bis hin zu wahrscheinlich zumindest zweistelligen prozentuellen Rückgängen bei der Kommunalsteuer und den Ertragsanteilen.

Gemeinden müssen liquide bleiben

Auf die meisten der bisher angesprochenen Einnahmen- und Ausgabenpositionen kann die Gemeinde kaum Einfluss nehmen. Anders stellen sich die Ermessensbereiche Förderungen und Zahlungserleichterungen dar.

Die Gemeinde hat aber jedes Recht dazu und auch die Rückendeckung des Gemeindebundes und der Aufsichtsbehörden, nicht selbst Hilfsprogramme für die Wirtschaft zu starten, sondern auf die umfassenden Covid-19-Hilfsmaßnahmen auf Bundesebene zu verweisen.

Auch ist zu berücksichtigen, dass eine kommunale Förderung in Form einer Barauszahlung gemäß den Förderrichtlinien des Bundes einen Ausschlussgrund für zum Beispiel einen Kleinstunternehmer darstellt, Mittel aus dem Härtefallfonds zu lukrieren.

Letztlich finanzieren die Gemeinden ohnedies einen Teil dieses Pakets indirekt über den Finanzausgleich mit und haben – im Gegensatz zum Bund und auch den Ländern – auch nach wie vor nicht die Möglichkeit, sich die notwendige Liquidität auch nur annähernd so friktionsfrei und zinsgünstig (Stichwort ÖBFA) auf dem Kapitalmarkt zu besorgen.

Damit auch über den Sommer und Herbst die Liquidität erhalten bleibt und die Gemeinden weiterhin in der Lage sind, neben den hoheitlichen jedenfalls auch den Aufgaben der Daseinsvorsorge für ihre Bürgerinnen und Bürger und den Besoldungspflichten für ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nachkommen zu können, hat der Gemeindebund angeregt, die Obergrenzen für Kassenkredite vorübergehend deutlich anzuheben. Dieser Empfehlung wurde von Länderseite in den bisherigen Landtagssitzungen bereits nachgekommen. 

Auch das Gewähren von Zahlungserleichterungen (Aussetzen und späteres Wiederaufnehmen der Einbringung nach § 231 BAO oder Genehmigung von Anträgen auf Stundung oder Ratenzahlung fälliger Gemeindeabgaben nach § 212 BAO) liegt im Ermessen der Gemeinden.

Auch hier gilt angesichts der kommenden finanziellen Herausforderungen und der umfangreich bestehenden Fördermaßnahmen des Bundes für Unternehmen, Vereine und Privatpersonen, dass Erleichterungen nur nach Einzelfallprüfung und nur in absoluten Härtefällen gewährt werden sollen. Dies gilt nicht nur für öffentlich-rechtliche, sondern auch für vertraglich vereinbarte Entgelte (zum Beispiel Mieten).

Konjunkturstimulation in der Budgetkrise

Nach der Gesundheitskrise und der Liquiditätskrise 2020 wird ab 2021 eine mehrjährige Budgetkrise folgen. Dass der Bund in den wohl im Herbst startenden Verhandlungen zum Finanzausgleich sein Füllhorn über den Gemeinden öffnet, ist angesichts der Erfahrungen der letzten zehn bis zwölf Jahre nicht zu erwarten, die durchwegs von harten Verhandlungen der Bundesregierung mit den Ländern und den Gemeindebünden geprägt waren. Auch von EU-Seite sind für die Gemeinden eines wohlhabenden Landes wie Österreich wenige Finanzspritzen zu erwarten.

Angesichts (politisch) der anstehenden Wien-Wahl im Herbst und (wirtschaftlich) der Notwendigkeit, die Wirtschaft durch umfangreiche Konjunkturmaßnahmen zu stimulieren, ist es jedoch nicht auszuschließen, dass von Bundesseite wieder so etwas wie ein Kommunales Investitionsprogramm aufgelegt wird, damit die Gemeinden kombiniert mit namhaften Bundesmitteln die Möglichkeit haben, in die lokale Wirtschaft zu investieren.

Denn es steht sonst zu befürchten, dass aufgrund der zu erwartenden Einnahmeneinbrüche und den bereits in mehreren Bundesländern empfohlenen bzw. verhängten Investitionsstopps der Rückgang an kommunalen Investitionen im heurigen Jahr weitaus höher ausfallen wird, als dies noch im Jahr 2009  (Finanz- und Wirtschaftskrise) mit minus 18 Prozent der Fall war.

Wie die Grafik zu den Investitionen seit 2008 andeutet, könnte der heurige Investitionsrückgang durchaus 30 Prozent ausmachen.

Entwicklung der Investitionen

Neue Einnahmequellen erforderlich

Viele Gemeinden werden die Krise ganz besonders hart spüren und an und über die Grenzen der Liquidität kommen. Vor allem jene, deren Einnahmen zu weit mehr als der Hälfte aus Ertragsanteilen bestehen und auch solche mit hohem Anteil an aktuell gerade besonders betroffenen Branchen (Tourismus, Handel und gewisse Industriebetriebe). Der Österreichische Gemeindebund hat bereits im März an die Länder appelliert, für die notwendige Liquidität zu sorgen. Zu begrüßen sind auch kommunale Finanzpakete, wie sie etwa zuletzt in Tirol oder Niederösterreich beschlossen wurden.

Die coronabedingten Mehrausgaben und Mindereinnahmen könnten am Ende des Jahres zu einem Konsolidierungsbedarf von bis zu 2 Milliarden Euro oder 8 bis 9 Prozent des Budgetvolumens aller Gemeinden ohne Wien führen.

Ein solcher Betrag kann längst nicht durch bestehende Rücklagen (und damit wiederum durch verschobene Investitionsmaßnahmen) und vorhandene Ermessensspielräume gedeckt werden, die aufgrund der bestehenden Pflichtaufgaben und Ko-Finanzierungsverpflichtungen in weitaus geringerem Maße als bei Bund und Ländern gegeben sind.

Auch ist es den Gemeinden im Gegensatz zum Bund nicht möglich, ihre Einnahmenentwicklung über gesetzliche Änderungen selbst zu steuern. Es wird somit auch auf Gemeindeebene zu einer umfangreichen Neuverschuldung kommen - auch ohne die weiterhin von der Bundesregierung geplante Umsetzung der schrittweisen Steuerreform (ab 2021 vor allem eine Lohnsteuer-Entlastung und ab 2022 verschiedene ökologische Lenkungsmaßnahmen).

Es braucht also neue Einnahmequellen abseits der Massensteuern und Arbeitseinkommen. Wenig überraschend bietet sich für die Gemeindeebene eine reformierte Grundsteuer B an, um sozial verträglich Mehreinnahmen und auch ökologische Lenkungsmaßnahmen zu erzielen.

Krise als Chance zur Veränderung

Ähnlich wie die Corona-Krise nun eine Chance, vielmehr aber eine Notwendigkeit darstellt, die viel zu lange aufgeschobene Reform der Grundsteuer B endlich durchzuführen, bietet sie auch die Möglichkeit, ohne Gesichtsverlust vom einen oder anderen Holzweg oder Denkmuster abzugehen und Dinge neu zu bewerten. Na ja, es ist noch etwas Zeit, denn die „Aufräumarbeiten“ nach der hoffentlich bald überstandenen Gesundheitskrise werden alle Gebietskörperschaften noch lange beschäftigen.