Das Kontrollinstrument Konsultationsmechanismus ist zu stärken und die Gemeindebünde sind frühzeitig in alle gemeinderelevanten Reformvorhaben einzubinden. Neue oder zusätzliche Aufgaben, die den Gemeinden überwälzt werden, sind vollständig und langfristig abzugelten.
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Solidarisierung beim Finanzausgleich ist dringend nötig

Der „Graue Finanzausgleich“, also die Überwälzung neuer Aufgaben ohne entsprechende Mittel, ist seit Jahren der Grund, warum die Gemeindefinanzen – auch wenn die Einnahmen steigen – nicht so rosig aussehen. Der Gemeindebund hat dazu einige Vorschläge und Forderungen formuliert.

Aus gutem Grund fordert der Gemeindebund schon länger eine Weiterentwicklung oder besser eine Solidarisierung des Finanzausgleichs. Vor allem aufgrund der desaströsen Folgen für den ländlichen Raum haben die Finanzausgleichspartner 2017 von der sogenannten aufgabenorientierten Verteilung bestehender Gemeindeertragsanteile über statistische Angebots- bzw. Leistungsindikatoren Abstand genommen.

Im Rahmen der Verhandlungen zum Finanzausgleich ab 2022 sollte angesichts dessen, dass die Gemeindeebene die Finanzierung einer Vielzahl von überaus dynamischen Ausgabenbereichen (Kindergärten, schulische Nachmittagsbetreuung, Pflege, Sozialhilfe, Gesundheitsversorgung, Personennahverkehr uvm.) zu bewältigen hat, vielmehr über eine Erhöhung des Gemeindeanteils an den gemeinschaftlichen Bundesabgaben (derzeit 11,849 Prozent) nachgedacht werden.

Darüber hinaus bedarf es einiger punktueller Änderungen, um Ungerechtigkeiten entgegenzuwirken und den Finanzausgleich solidarischer zu machen: So etwa eine deutliche Erhöhung der Strukturfondsmittel für finanzschwache und abwanderungsbetroffene Gemeinden sowie eine Stärkung der ÖPNV-Finanzzuweisung, um endlich nennenswerte Mittel für den Personennahverkehr auch in den ländlichen Raum zu bringen.

Um den Breitbandausbau flächendeckend zu ermöglichen, bedarf es jährlicher zweckgebundener Mittel von mindestens 200 Millionen Euro, die über eine Fondslösung verfügbar gemacht werden könnten. Aus Gründen der Solidarität mit besonders betroffenen Gemeinden sollte auch eine Aufstockung der aktuellen Zweckzuschussmittel für Maßnahmen an Eisenbahnkreuzungen ins Auge gefasst werden.

Mehr Kostenbewusstsein der gesetzgebenden Ebenen

Durch die Zuweisung neuer oder die Verlagerung bestehender Aufgaben ohne ausreichende und langfristige finanzielle Abgeltung entstehen den Gemeinden per Bundes- oder Landesrecht immer höhere Ausgaben. Dieser sogenannte „graue Finanzausgleich“ tritt darüber hinaus auch dann auf, wenn Qualitätsstandards bei der Aufgabenerfüllung erhöht oder Steuereinnahmen der Gemeinden vermindert werden.

Dementsprechend wird gefordert, dass die gesetzgebenden Ebenen bei der wirkungsorientierten Folgenabschätzung (WFA) künftig nicht nur penibel die Auswirkungen auf die Bundesebene, sondern auch auf die Gemeindeebene bedenken und in den Gesetzesentwürfen darstellen. Selbiges muss für Verordnungsentwürfe gelten, wo darüber hinaus endlich damit begonnen werden muss, das Begutachtungsverfahren analog zu www.parlament.gv.at transparent zu machen, indem sowohl die Entwürfe als auch die Stellungnahmen zeitnah auf der Website des betreffenden Ressorts veröffentlicht werden.

Das Kontrollinstrument Konsultationsmechanismus ist zu stärken und die Gemeindebünde sind frühzeitig in alle gemeinderelevanten Reformvorhaben einzubinden – hier wäre auch eine punktuelle 15a-Vertragsfähigkeit der kommunalen Interessensvertretungen anzudenken. Last but not least: Neue oder zusätzliche Aufgaben, die den Gemeinden überwälzt werden, sind vollständig und langfristig abzugelten.

Nachhaltige Finanzierung der Bildung

Im Bereich der Kindergärten wie auch der ganztägigen Schulangebote ist eine nachhaltige und langfristige Finanzierung im Finanzausgleichsgesetz zu verankern. Weiters sollte endlich auch der Kompetenzzersplitterung im Schulbereich entgegengewirkt werden, u. a. auch durch „alles Personal in eine Hand“.

Deckelung der Transfers

Die hohen jährlichen Ausgabensteigerungen etwa im Gesundheits- und Sozialbereich, die die Gemeinden ohne maßgebliche Mitsprache kofinanzieren müssen, stellen eine enorme Belastung für die Gemeindehaushalte dar. Hier ist auf die Einhaltung der im Paktum zum Finanzausgleich 2017-2021 zwischen Bund, Ländern und Gemeinden vereinbarten Kostendämpfungspfade zu drängen: Die maximale jährliche Ausgabensteigerung im Gesundheitsbereich wurde für 2020 und 2021 in Höhe von 3,3 bzw. 3,2 Prozent vereinbart.

Die Kostendynamik im Pflegebereich wurde unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen und demografischen Entwicklung mit jährlich 4,6 Prozent begrenzt. Um diese Vereinbarungen zu halten, bedarf es nicht nur der Umsetzungen diverser rechtliche Maßnahmen zu Kostendämpfung, sondern auch der vollständigen Abgeltung der vom Bundesgesetzgeber verursachten Folgekosten aufgrund des Vermögensregressverbots in der stationären Pflege.

Reform und Finanzierung des Pflegesystems

Die 2019 begonnen Arbeiten zum Masterplan Pflege sind fortzuführen und eine stärkere Finanzierungsbeteiligung des Bundes (über die notwendigen Maßnahmen beim Pflegegeld und die laufende Valorisierung des Pflegefonds hinaus) ist zu etablieren. Die Länder und Gemeinden dürfen bei diesem kostenintensiven Zukunftsthema nicht alleingelassen werden.

Steuerrechtliche Herausforderungen

Die Gemeinden sind hier mit einer Vielzahl von Problemlagen konfrontiert, die es zu beseitigen gilt. So beispielsweise die abseits der Hoheitsverwaltung bzw. der Gemeindeverbände häufig auftretende Umsatzsteuerpflicht bei Gemeindekooperation oder der seit dem Stabilitätsgesetz 2012 weitgehend ausgeschlossene Vorsteuerabzug bei der Errichtung von Kindergärten und Schulgebäuden. Hier braucht es steuerliche Ausnahmen oder, falls EU-rechtlich nicht möglich, eine entsprechende Erstattung (etwa analog der GSBG-Beihilfen im Gesundheitsbereich).

Um der vielerorts vorherrschende Problematik der Zweitwohnsitze zielgerichtet und im Sinne des europarechtlichen Prinzips der Subsidiarität begegnen zu können, sollten Zweitwohnsitzabgaben in das freie Beschlussrecht der Gemeinden (§ 17 FAG 2017) aufgenommen werden.

Beispielhaft sei hier auch angeführt, dass entgegen langjähriger Verwaltungspraxis betreffend Betriebe gewerblicher Art (BgAs) das BMF nunmehr auch von permanenten Verlustbetrieben der Gemeinden (wie z. B. Kindergärten oder Freibäder) eine steuerliche Gewinnermittlung und Körperschaftssteuererklärung einfordert, was diverse Abgrenzungsfragen zwischen UGB und VRV mit sich bringt und vor allem auch zu unnötigem Verwaltungs- und Steuerberatungsaufwand führt.

Schülerfreifahrt im Gelegenheitsverkehr

Anders als im Linienverkehr hat sich das Abgeltungssystem des Familienlastenausgleichsfonds für die Schülerfreifahrt im Gelegenheitsverkehr über die Jahre mehr und mehr von der tatsächlichen Kostensituation entfernt.

Die Folge ist, dass Busunternehmen ihre Dienste im Gelegenheitsverkehr einstellen oder nur aufgrund von Abgangsdeckungen von Gemeinden fortsetzen können. Diese für die Gemeinden wie auch die Bevölkerung unhaltbare Situation wird zusätzlich noch dadurch verstärkt, dass in der Bundesfinanzverwaltung aktuell auch die Meinung vertreten wird, die vielerorts durch Gemeinden aus dieser politischen Zwangslage heraus erfolgende Abdeckung der Verluste der Verkehrsunternehmen wäre auch noch der zehnprozentigen Umsatzsteuer zu unterwerfen.

Die Finanzierung der Schülerfreifahrt, sowohl im Linienverkehr als auch im Gelegenheitsverkehr, obliegt gemäß § 30f FLAG dem Bund. Somit wird die neue Bundesregierung aufgefordert, unmittelbar Maßnahmen zu setzten, um diese Finanzierungslücke zu beseitigen.

Bundesweite Klima- und Verkehrsstrategie

In den Bereichen Klimaschutz, Elektromobilität und öffentlicher Verkehr werden in den kommenden Jahren große Anstrengungen notwendig werden. Damit die Maßnahmen wirkungsvoll umgesetzt werden können und nicht letztlich wieder vor allem auf die Gemeindeebene abgewälzt werden, braucht es eine einvernehmlich von Bund, Ländern und Gemeindebünden vereinbarte Gesamtstrategie.

Sauberes Trinkwasser

Das Erfolgsmodell der gemeinsamen FAG-Finanzierung der Förderung der Siedlungswasserwirtschaft (die den flächendeckenden Ausbau, sozialverträgliche Gebühren und hohe Qualitätsstandards ermöglichte) muss dauerhaft fortgeführt und sollte angesichts der künftigen Herausforderungen (Klimawandel, EU-Vorgaben, Sanierungsquote etc.) an die Wasserver- und Abwasserentsorgung auch ausgebaut werden. Im Umweltförderungsgesetz sollte ein jährlicher Neuzusage-Rahmen von 150 Millionen Euro verankert werden. Darüber hinaus sollte der vorhandene Förderrückstau (liquide Mittel wären im Umwelt- und Wasserwirtschaftsfonds verfügbar) beseitigt und der Auszahlungszeitraum der Finanzierungszuschüsse von derzeit 28 Jahren deutlich verkürzt werden.

Reform der Grundsteuer

In einem kommunalen Forderungspapier muss leider immer noch auch die Forderung nach der verfassungsrechtlich wie verwaltungsökonomisch gebotenen Reform der Grundsteuer B enthalten sein. Verschiedene Modelle für die Ermittlung einer neuen Bemessungsgrundlage oder zum Grad der Steuerautonomie der Gemeinden liegen auf dem Tisch.  Ebenso das Bekenntnis, das Mehraufkommen durch eine Reform moderat und sozial verträglich für die Steuerpflichtigen zu halten. Was bisher fehlt ist der politische Wille zur Umsetzung – ohne dass es (wie in Deutschland der Fall) der höchstgerichtlichen Aufhebung der verfassungswidrigen Einheitswerte bedarf. 

Das Forderungspapier

Der Österreichische Gemeindebund hat im September sein Forderungspapier an die neue Bundesregierung verabschiedet. 

In diesem sind einige zentrale Forderungen im Zusammenhang mit der finanziellen Mittelausstattung der Gemeinden aufgelistet, die ja im Gegensatz zu Bund und Ländern nicht die Möglichkeit haben, ihre Einnahmensituation gesetzlich selbst zu verbessern und deren Budgets in weit höherem Maße durch Pflichtausgaben und Kofinanzierungsverpflichtungen determiniert sind. 

Dies nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund, dass neben den traditionell dynamischen Ausgabenbereichen (Kinderbetreuung, Schulen, Gesundheit und Soziales) in den nächsten Jahren große Kostentreiber in den Aufgabenfeldern Klimaschutz, Pflege, Bildung und Digitalisierung zu erwarten sind.