Antrittspressekonferenz Brigitte Bierlein | Übergangsregierung
Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein bei ihrer Antrittspressekonferenz.
© BKA/Dragan Tatic

Nur verwalten wird nicht gehen

Die bisherige Regierung wurde per Misstrauensantrag aus dem Amt gehievt. Die neue Regierung unter Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein besteht bis zu Neuwahlen aus hoch qualifizierten Experten, die aber dem Vernehmen nach vorrangig „verwalten“ sollen. Damit drohen aber einige Themen auf die lange Bank geschoben zu werden. Doch gerade bei Themen wie dem „Ausbau der schulischen Tagesbetreuung“ sollte der Nationalrat unbedingt tätig werden, sonst droht ab September eine Finanzierungslücke.

Die Entscheidung für Neuwahlen und der Misstrauensantrag gegenüber der Übergangsregierung unter Bundeskanzler Sebastian Kurz hat direkte Auswirkungen auf wichtige Gemeindeprojekte. Allen voran ist hier das Bildungsinvestitionsgesetz zu nennen. Dieses sollte noch vor den Wahlen beschlossen werden, sonst gibt es ab Herbst keine Gelder mehr für den Ausbau und bereits angebotene ganztägige Betreuung.

Bei anderen Projekten wie dem Abbiegeverbot für LKW kann man nur hoffen, dass sie nicht mehr vor den Neuwahlen beschlossen werden. Generell warnte Gemeindebund-Präsident Alfred Riedl schon kurz nach dem Misstrauensantrag vor Wahlzuckerln, die in den letzten Wochen vor der Nationalratswahl noch beschlossen werden könnten.

Bildungsinvestitionsgesetz: Nun ist der Nationalrat am Zug

Die vorgesehene Novelle des Bildungsinvestitionsgesetzes, die bereits in Begutachtung war, sollte unbedingt noch einer Beschlussfassung im Parlament unterzogen werden. Diese sieht für Gemeinden eine Überbrückungsfinanzierung für bestehende ganztägige Schulangebote bis einschließlich 2022 vor.

Wird diese Novelle nicht umgesetzt, erhalten Gemeinden ab dem kommenden Schuljahr für bestehende Angebote keine Personalkostenzuschüsse mehr.

Betreuungsbeiträge müssten drastisch erhöht werden, das Angebot zurückgefahren werden oder der Fehlbetrag von Gemeinden finanziert werden – was aber in Anbetracht der budgetären Lage unmöglich ist.

Umstrittenes LKW-Abbiegeverbot darf nicht beschlossen werden

Aus Sicht der Gemeinden darf die 32. StVO Novelle, deren Begutachtungsverfahren bereits beendet ist, nicht in dieser Form einer Beschlussfassung unterzogen werden. Gemäß diesem Gesetzesvorschlag sollten die Gemeinden die Möglichkeit erhalten, Rechtsabbiegeverbote für LKW ohne Rechtsabbiegeassistenten per Verordnung für ein gesamtes Ortsgebiet oder aber Teile davon zu erlassen.

Da Gemeinden aber nur für Gemeindestraßen derartige Verordnungen erlassen können und daher Landesstraßen im Ortsgebiet nicht umfasst wären, sind derartige Verordnung allein aus diesem Grund nicht praktikabel. Hinzukommt, dass der Gesetzesvorschlag auch vorsieht, dass im Falle der Erlassung einer derartigen Verordnung auch Ausnahmen vom Rechtsabbiegeverbot vorzusehen sind, sofern dadurch der Zweck der Verordnung nicht gefährdet wird.

Gemeinden wären daher angehalten, jede Kreuzung auf ihre Tauglichkeit im Zusammenhang mit einem Rechtsabbiegeverbot zu prüfen. Nachdem auch die Kundmachung derartiger Verordnungen einschließlich der Ausnahmen problematisch ist, müsste von diesem Vorhaben Abstand gehalten werden bzw. die Bezirksverwaltungsbehörde für diese Regelungsmöglichkeit zuständig gemacht werden.

Stillstand bei der Grundsteuer, Pflegereform und Co?

Zuletzt konnte sich der Gemeindebund mit dem Finanzministerium auf eine Fortführung der Arbeiten der im Paktum zum FAG im Herbst 2016 vereinbarten Grundsteuer-Arbeitsgruppe verständigen, um eine möglichst einfaches und automatisiertes Bewertungs- und Grundsteuersystem zu entwickeln.

Ob, wann und wie die Gespräche nun fortgeführt werden, ist aber nicht nur bei der Grundsteuer, sondern auch bei anderen Reformthemen wie der Umsetzung des sogenannten Masterplans Pflege offen, der eigentlich bis Jahresende ein Maßnahmenpaket für die nachhaltige Sicherung der Finanzierung sowie des Pflegepersonals mit sich bringen sollte.

Steuerreform in der Schwebe

Die Eckpunkte der für die Jahre 2020 bis 2023 geplanten schrittweisen Steuerreform waren bereits bekannt, so etwa die Reduktion der Sozialversicherungs- Beiträge um 700 bis 800 Mio. Euro (finanziert durch den Bund) sowie die schrittweisen Senkungen der Einkommensteuer- und Körperschaftsteuer-Tarife in den Jahren 2021 bis 2023.

Diese Reform wäre naturgemäß nicht nur für die Steuerzahler (Private und Unternehmen), sondern auch für alle am Finanzausgleich beteiligten Gebietskörperschaften (die Gemeindeebene mit rund 12 Prozent) von großer Relevanz. Unter Berücksichtigung von Gegenfinanzierungseffekten (z. B. einer erhöhten Umsatzsteuer aufgrund des Konsumeffekts durch eine Entlastung kleiner Einkommen) würden diese schrittweisen Steuerreformen ab dem Jahr 2023 Mindereinnahmen aus Ertragsanteilen in Höhe von rund einer halben Milliarde Euro mit sich bringen.

Bisher liegen zu dieser Steuerreform jedoch noch keine Gesetzesbeschlüsse vor, lediglich die Ministerialentwürfe zum sogenannten Digitalsteuerpaket und einiger Maßnahmen im Bereich der Steuervereinfachung und Ökologisierung sowie der Betrugsbekämpfung wurden bisher eingebracht bzw. durchliefen das Begutachtungsverfahren.

1,50-Verordnung wieder zurückgenommen

In einer Sache bleibt es trotz hitziger Diskussionen beim Alten: Die „Verordnung zur des Bundesministers für Inneres über die Heranziehung von Asylwerbern und bestimmten sonstigen Fremden für gemeinnützige Hilfstätigkeiten und die Höhe des hierfür zu leistenden Anerkennungsbeitrags“ wurde vom Übergangsinnenminister Eckart Ratz wieder zurückgenommen. Daher bleibt es durch den Wegfall dieser Obergrenze weiterhin den Gemeinden selbst überlassen, wie hoch sie den Anerkennungsbeitrag pro Stunde für Asylwerber für geleistete gemeinnützige Arbeit ansetzen.

Keine Wahlzuckerl

Gemeindebund-Präsident Alfred Riedl forderte am 23. Mai 2019 bei der Eröffnung des Städtetages, dass es in der Vorwahlzeit keine Wahlzuckerl geben dürfe: „Ich erinnere nur an einen Beschluss vor zwei Jahren, der uns bis heute beschäftigt: Die Abschaffung des Pflegeregresses im Juni 2017 ohne Kostenersatz für Länder und Gemeinden. So etwas darf sich nicht wiederholen. Die Abgeordneten aller Parteien haben gerade im freien Spiel der Kräfte die besonders große Verantwortung, bei Gesetzen auch über den Wahltag hinaus zu denken.“

Rücknahme bereits erfolgter Reformen unter der Übergangsregierung von Brigitte Bierlein?

Ganz generell stellt sich auch die Frage, ob bereits erfolgte Reformen der türkis-blauen Koalition zurückgenommen werden. So etwa das Aufgehen der bisherigen GPLA (Gemeinsame Prüfung der lohnabhängigen Abgaben durch BMF und SV) in einen gemäß dem Gesetz über die Zusammenführung der Prüforganisation der Finanzverwaltung und der Sozialversicherung ab 2020 gemeinsam vorgesehenen Prüfdienst der Finanzverwaltung. Dieses bereits teilweise in Kraft getretene Gesetz würde ab 2020 für die Gemeinden in § 11 PLABG ein „Anforderungsrecht“ für Kommunalsteuerprüfungen mit sich bringen.

Kabinett Bierlein
Das Kabinett Bierlein I:
Die Minister vorne (v.l.n.r). Andreas Reichhardt (Verkehr, Innovation und Technologi), Brigitte Zarfl (Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz), Vizekanzler Clemens Jabloner (Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz), Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein, Elisabeth Udolf-Strobl (Digitalisierung und Wirtschaftsstandort), Alexander Schallenberg (Europa, Integration und Äußeres), Ines Stilling (BKA).
hinten: Thomas Starlinger (Landesverteidigung), Iris Eliisa Rauskala (Bildung, Wissenschaft und Forschung), Eduard Müller (Finanzen, öffentlicher Dienst und Sport), Maria Patek (Nachhaltigkeit und Tourismus) sowie Wolfgang Peschorn (Inneres).

Mehr zur Person von Brigitte Bierlein auf Wikipedia.