Wolfang Viehauser
Wolfang Viehauser: "Für Gemeinden ist jetzt vor allem wichtig, das Risiko zu begrenzen."

„Gemeinden sollten auf fixe Verzinsung umsteigen“

23. August 2018
Nach dem Rückzug des bisherigen Chefs der HYPO NOE, Peter Harold, übernimmt Wolfgang Viehauser gemeinsam mit Udo Birkner Ende November die Führung der Landesbank. Mit KOMMUNAL sprach er über seine Vorhaben und darüber, wie sich Gemeinden angesichts wahrscheinlicher Zinserhöhungen verhalten sollten.

Was wird sich durch die Änderung an der Spitze der HYPO NOE ändern? Haben Sie schon konkrete Pläne? 

Nachdem Udo Birkner und ich schon im Vorstand waren, sind wir bereits ein eingespieltes Team. Gemeinsam mit Peter Harold haben wir im vergangenen Jahr die Fusion von HYPO NOE Gruppe Bank AG und HYPO NOE Landesbank gut über die Bühne gebracht. Jetzt wollen wir unsere Geschäftsfelder ausbauen. Mit rund 600 Millionen Euro Neugeschäft waren wir im ersten Halbjahr 2018 sehr erfolgreich.

Gerade im Bereich der öffentlichen Hand bauen wir unsere Kompetenz weiter aus. Unsere Kundenbetreuer, die in diesem Bereich tätig sind, werden besonders ausgebildet, beispielsweise in der Kommunalakademie NÖ und auf der Donau Uni Krems.

Neu ist, dass wir auch über die Grenzen Niederösterreichs gehen und unsere Dienstleistungen im gesamten Bundesgebiet anbieten. 

Warum sollte eine Gemeinde aus einem anderen Bundesland zur niederösterreichischen HYPO gehen?

Weil wir auf das Geschäft mit der öffentlichen Hand spezialisiert sind. Durch unsere langjährige Erfahrung in diesem Bereich können wir Gemeinden sehr gut beraten, wie sie die Finanzierung von Projekten am besten bewerkstelligen.

Gibt es da ein gewisses Volumen, ab denen eine Finanzierung für Sie interessant ist?

Es gibt keine klar definierte Grenze, unsere Kundenbetreuer sehen sich jede Finanzierungsanfrage von Gemeindeprojekten an. Grundsätzlich versuchen wir, eine langjährige Verbindung mit unseren Kunden aufzubauen. Da sind dann auch kleinere Volumina möglich. 

Wie Sie schon erwähnt haben, wurde vor knapp einem Jahr die Fusion zwischen ihrem Mutterkonzern und der Landesbank durchgeführt. Was sind die Erkenntnisse nach dem ersten Jahr? War es die Mühe wert? 

Die Fusion ist absolut reibungslos über die Bühne gegangen. Bemerkenswert dabei war, dass wir die Fusion ohne externe Berater, also nur mit unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, durchgeführt haben. Unser Ziel war es, dass die Kunden nicht mitbekommen, dass zwei Banken zu einer zusammengeführt werden. Das ist uns gut gelungen.

Wir haben die Fusion auch zur Verbesserung von internen Prozessen genutzt. So konnten wir die Zeit, die benötigt wird, bis ein neuer Kunde das Geld in den Händen hat, das er für ein Projekt braucht, deutlich verkürzen. Hier sind wir zu einem Maßstab in der österreichischen Bankenszene geworden.

Die HYPO NOE ist eine der wenigen Landesbanken, die noch im Eigentum eines Bundeslandes ist. Wie zukunftsfähig ist das Modell einer Landesbank noch?

Wir sind die Bank der Niederösterreicherinnen und Niederösterreicher. Das Modell Landesbank ist aus meiner Sicht etwas sehr Zukunftsfähiges. Dieses Modell ermöglicht es uns, mit einem starken, stabilen Eigentümer eine nachhaltige und stabile Geschäftsstrategie verfolgen zu können.

Wir sind ja mehr als eine Bank, weil wir nicht nur im Bankgeschäft tätig sind, sondern auch Sport und Kultur sehr stark unterstützen. Mit mehr als 800 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sind wir auch ein starker Arbeitgeber im Land. 

Die HYPO NOE gilt als eine der führenden Banken für Kommunalfinanzierung. 55 Prozent ihres Geschäftes machen Sie mit der öffentlichen Hand. Ist das Geschäft mit den Kommunen in Zeiten von Negativzinsen noch interessant?

Das Geschäft mit den Kommunen ist aus vielerlei Gründen interessant. Zum einen sind die österreichischen Gemeinden mit einem jährlichen Investitionsvolumen von mehr als zwei Milliarden Euro ein enorm großer Investor. Wichtig dabei ist uns, dass die Gemeinden sehr nachhaltig investieren, etwa in den Immobilienbereich.

Mit unserer Erfahrung können wir den Gemeinden die gesamte Produktpalette anbieten: Von der klassischen, einfachen Finanzierung über Leasing bis zu privaten Beteiligungsmodellen, wo wir entweder einen Partner für die Gemeinde suchen oder uns selbst beteiligen.

Spannend sind Modelle wie das All-inclusive-Leasing, wo wir der Gemeinde anbieten, dass wir nicht nur die Finanzierung übernehmen, sondern gemeinsam mit Partnern auch die Errichtung durchführen. Die Gemeinde hat dadurch eine Termin- und Kostengarantie, und wenn die Gemeinde will, können wir sogar die Betriebskosten über eine längere Laufzeit garantieren. 

Wann rechnen Sie mit einer Zinserhöhung? Was raten Sie den Gemeinden für diesen Fall?

Man kann davon ausgehen, dass die Zinsen steigen werden. Wann das der Fall ist, lässt sich derzeit nur schwer sagen. Für Gemeinden ist jetzt vor allem wichtig, das Risiko zu begrenzen. Wir empfehlen, zumindest teilweise auf eine fixe Verzinsung umzustellen.

Die Gesamtverbindlichkeiten der österreichischen Gemeinden (ohne Wien) liegen derzeit bei rund elf Milliarden Euro. Die Zinsbelastung lag im Jahr 2017 bei nur 152 Millionen Euro. Über 80 Prozent der Gesamtverbindlichkeiten sind derzeit variabel verzinst. Wenn die Zinsen steigen, dann kann das sehr rasch gehen. Damit besteht die Gefahr, dass die Zinsbelastung schnell nach oben geht. Daher empfehlen wir, einen Teil der Zinsen auf fix zu drehen. Damit kann man den Zinsanstieg sehr gut abfedern.

Heute kann man als Gemeinde einen 15-Jahre-Fixzinskredit mit einer Verzinsung von 1,6 bis 2 Prozent bekommen. Wenn die Zinsen leicht steigen, dann hat man das rasch wieder verdient.

Der OGH hat entschieden, dass Banken Negativzinsen von Konsumentenkrediten zurückzahlen müssen. Entscheidungen zu Krediten von Gemeinden gibt es noch keine. Den Gemeinden wurde aber geraten, bereits jetzt Ansprüche auf Rückerstattung von zu viel bezahlten Zinsen anzumelden, um zu vermeiden, dass Ansprüche verjähren. Wie viele Gemeinden haben sich diesbezüglich bereits gemeldet?

Noch gibt es ja kein Gerichtsurteil dazu, daher haben sich wohl nur wenige Gemeinden gemeldet. Aus unserer Sicht ist das auch nicht erforderlich, weil die Verjährung erst sehr spät in Kraft treten würde. Das Risiko für die Gemeinden ist also sehr gering.

Wenn Urteile vorliegen, werden wir dementsprechend handeln. 

Ab 2020 ist das neue Haushaltsrecht anzuwenden. Was wird sich für die Gemeinden dadurch ändern?

Natürlich ist der Umstieg für die Gemeinden enorm belastend. Aus Bankensicht ist es aber gut, dass man erstmals einen guten Überblick über das Vermögen der Gemeinden erhalten wird. Das wird zu mehr Transparenz führen.

Wie raten Sie derzeit Gemeinden?

Wir haben ein eigenes Rating-Tool entwickelt, mit der wir uns bereits jetzt einen guten Überblick schaffen können. Ich kann sagen, dass die meisten österreichischen Gemeinden sehr, sehr gut gerated sind und über eine gute Bonität verfügen.

Wir sehen aber auch, dass die Belastungen immer stärker zunehmen – etwa im Bereich der Pflege.

Übrigens unterstützen wir gerne auch die Gründung von Arztpraxen. Niederösterreichische Bürgermeister, die hier aktiv werden wollen, können sich gerne an uns wenden.

Viehauser zu Gemeindekrediten
„Über 80 Prozent der Gesamtverbindlichkeiten der österreichischen Gemeinden sind derzeit variabel verzinst. Wenn die Zinsen steigen, dann kann das sehr rasch gehen. Damit besteht die Gefahr, dass die Zinsbelastung schnell nach oben geht.“

Die HYPO NOE gibt an, eine Kernkapitalquote von 19 Prozent aufzuweisen. Erforderlich sind viel weniger, weshalb man einen Eigenmittelüberschuss in Höhe von  355,5 Millionen Euro aufweist. Lässt man da nicht enorm viel Geschäftspotential liegen?

Ganz im Gegenteil. Das Eigenkapital ist dazu da, Wachstum zu unterstützen, für alle künftigen regulatorischen Aufwendungen vorbereitet zu sein und es ist ein wesentlicher Faktor für die Bonität einer Bank. Dank der guten Kernkapitalquote haben wir von der internationalen Ratingagentur Standard & Poor's  einen positiven Outlook bekommen. Das ist einerseits für unsere Einlagenkunden wichtig, andererseits aber auch für alle anderen Kunden, die mit uns Geschäfte machen, weil wir ein langjähriger, stabiler Partner sein können. 

Wie wirkt sich die Digitalisierung auf das Geschäft der Banken mit Gemeinden aus?

Die Digitalisierung führt dazu, dass das Bankgeschäft für die Kunden einfacher und bequemer wird, etwa weil man die Bankgeschäfte 24 Stunden am Tag erledigen kann.

Derzeit ist es aber noch nicht so, dass große Entscheidungen, etwa über eine Immobilienfinanzierung oder die Veranlagung für die Pensionsvorsorge ohne persönliche Beratung getroffen werden.

Wir nutzen die guten Beziehungen zu unseren Kunden dafür, um sie darüber zu beraten, welche Produkte, die es auf dem Markt gibt, die besten sind. Wenn wir der Ansicht sind, dass Fremdprodukte gut sind, dann verkaufen wir sie auch an unsere Kunden.

Für das Tagesgeschäft nutzen wir also die Digitalisierung, für die Kernfragen bieten wir die persönliche Beratung.

Diverse Finanz-Start-ups bieten vermehrt Bankdienstleistungen an. Oft ohne über die dafür notwendige Banklizenz zu verfügen. Wie werden die Banken darauf reagieren?

Start-ups bieten oft Teilleistungen an, etwa für den Zahlungsverkehr. Wir kooperieren auch mit einigen dieser Fintecs, weil sie oft sehr innovative Lösungen anbieten. Sehr vorsichtig sind wir aber, was den Umgang mit Daten angeht. Hier prüfen wir im Vorfeld sorgfältig, mit wem wir zusammenarbeiten. Klar ist aber, ein FinTec kann keine maßgeschneiderte Beratung bieten, das macht den entscheidenden Unterschied aus.

Das Interview führte Michael Zimper