Foto von der Brücke in Bratislava
Bratislava, die Hauptstadt der
Slowakei, liegt
direkt an der Donau.

Die Slowakei ist oft eine andere Welt

Rasantes Wirtschaftswachstum, aber großer Aufholbedarf in der Infrastruktur. Das ist die Bilanz einer Delegation heimischer Bürgermeister, die die slowakischen Nachbarn besuchte.

Nur eine Stunde von Wien“, schreien die vielen Schilder, die auf die Nähe von Bratislava hinweisen. Was dort ist und was man dort tun soll, sagen die Schilder nicht. Fest steht: Die Regionen Wien und Bratislava wachsen Jahr für Jahr mehr zusammen, unter anderem deshalb, weil die Metropolregion Wien eigentlich nur nach Süden und Osten wachsen kann, in andere Richtungen umschließt der Wienerwald als natürliche Barriere die Bundeshauptstadt.



Bratislava also, Hauptstadt der Slowakei, des „kleinen Bruders“ der viel bekannteren Tschechei mit der goldenen Hauptstadt Prag. Doch gerade deshalb lohnt sich ein Blick auf das kleine Land mit 5,3 Millionen Einwohnern, das etwa die Größe von Estland oder Dänemark hat. Mehr als 90 Kilometer gemeinsame Grenze haben Österreich und die Slowakei, größtenteils natürliche Grenzen, die von Donau und March gebildet werden. In der föderalen Struktur ähnelt das Land dem System, das Österreich bis vor einigen Jahrzehnten hatte. Acht Bundesländer (alle annähernd gleich groß) und 3031 Gemeinden (davon 140 Städte) bilden die Struktur der Slowakei. Zwei Drittel der Gemeinden haben weniger als 1000 Einwohner. Beschlussfassendes Organ ist in den Gemeinden der jeweilige Gemeinderat, der Bürgermeister wird alle vier Jahre direkt gewählt.



Große Unterschiede gibt es bei der Finanzierung der Kommunen. 70 Prozent der slowakischen Einkommensteuer fließt direkt an die Kommunen und bildet damit die Haupteinnahmequelle. Insgesamt heben die Gemeinden 67 Prozent ihrer Finanzmittel selbst ein, darunter auch die Grundsteuer, Hundesteuer, Automatensteuer sowie Gebühren. Als Grundregel gilt: Eigene Aufgaben müssen durch eigene Einnahmen finanziert werden. Übertragene Aufgaben werden über den Zentralstaat finanziert.



Die Gehälter der Bürgermeister, die ihr Amt in der Regel nebenberuflich ausüben, orientiert sich am slowakischen Mindestlohn, der mit Faktoren zwischen 1,65 und 3,58 multipliziert wird. Branislaw Grimm, der Bürgermeister von Senica, einer 20.000-Einwohner-Stadt im Norden der Slowakei, kommt somit auf rund 2500 Euro pro Monat. Für slowakische Verhältnisse ein Spitzengehalt, das Durchschnittseinkommen liegt bei rund 950 Euro. Grimm ist – wie jeder Bürgermeister – stolz auf seine Stadt und gibt der Gemeindebund-Delegation eine Führung. Ein schmuckes Fußballstadion, eine kleine Eishockey-Arena für den Erstliga-Klub, ein neues Schwimmbad, eine große Schule. Der Stadt geht es nicht schlecht. Eine Million lässt sich Senica allein das Eishockey-Stadion pro Jahr kosten, kein geringer Betrag bei einem Gesamtjahresbudget von 15 Millionen Euro. „Wir leisten viel für unsere Bevölkerung“, sagt Grimm. „Wir erwarten allerdings auch, dass die Menschen ihre Eigenverantwortung wahrnehmen und sich ins Gemeindeleben einbringen. Das geht auch bei größeren Gemeinden wie wir eine sind.“



Dass die Infrastruktur in der Slowakei noch einiges an Verbesserungspotenzial hat, sieht man sofort. Die Straßen sind – mit Ausnahme der hochrangigen Verkehrswege – in nicht besonders gutem Zustand, der öffentliche Verkehr ist nur schlecht ausgebaut. Trotz des rasanten Wirtschaftswachstums des Landes fährt die öffentliche Hand einen recht eisernen Sparkurs.  Davon kann auch Josef Turcany, Vizepräsident des slowakischen Gemeindebundes ZMOS (Združenie miest a obcí Slovenska), ein Lied singen. Er beklagt die fehlende finanzielle Ausstattung der Gemeinden. „Vor allem die kleinen Gemeinden sind immer öfter gar nicht mehr in der Lage, ihre Pflichtaufgaben zu erfüllen“, sagt Turcany. Der ZMOS vertritt 95 Prozent aller slowakischen Kommunen. „Wir haben dem Gemeindebund viel zu verdanken“, sagt Turcany. „In der Gründungsphase haben wir große Unterstützung erfahren; das ist ein Grund, warum heute die slowakischen Gemeinden mit einer Zunge sprechen und stark gegenüber den zentralen politischen Ebenen auftreten können.“



In der Infrastruktur sehen sowohl Grimm als auch Turcany den größten Investitionsbedarf. Rund um die Ballungsräume im Westen des Landes sieht man den Fortschritt. Dort entstehen auch viele regionale Zentren, die von der Nähe zu Österreich, zu Ungarn und zu Tschechien profitieren. Größer ist der Rückstand in den östlichen Gebieten der Slowakei. Dort fehlt es vielfach noch an der „harten“ Infrastruktur. Straßen, Kanal, Wasserversorgung oder Müllentsorgung sind noch längst nicht auf westeuropäischem Niveau. „Hier fehlen uns Milliarden, wenn wir das auf aktuellen Stand bringen wollen“, sagen die slowakischen Kollegen.



Für Gemeindebund-Chef Helmut Mödlhammer ist die Reise ins Nachbarland lehrreich. „Wir sehen hier, von welch hohem Niveau in der Infrastruktur wir in Österreich ausgehen. Wir sollten nicht ständig daran denken, wie wir die Standards noch höher schrauben können, sondern zufrieden sein, wenn wir sie halten können. Vor allem in sozialer Hinsicht gibt es wenige Länder in Europa, die sich mit uns messen können. Hier in der Slowakei ist das dahingehend eine völlig andere Welt.“

 

Bratislava, die Hauptstadt der
Slowakei, liegt
direkt an der Donau.