Die Volksanwälte Günther Kräuter, Gertrude Brinek und Peter Fichtenbauer.

Das Gewissen der Republik

30. November 2017
Die Volksanwaltschaft steht allen Menschen in Österreich bei Problemen mit Behörden zur Seite, überprüft die Verwaltung und kontrolliert präventiv die Einhaltung der Menschenrechte.





Nach schwedischem Vorbild sollte mit der Volksanwaltschaft eine leicht zugängliche Anlaufstelle geschaffen werden, die Bürgerinnen und Bürgern bei Problemen mit österreichischen Behörden zur Seite steht.

20.000 Beschwerden jährlich bearbeitet



Obwohl die Institution vorerst auf sechs Jahre befristet eingeführt wurde, bestand sie schon bald ihre erste Bewährungsprobe. 1981 beschloss der Nationalrat einstimmig, die Volksanwaltschaft als bleibenden Bestandteil in die Bundesverfassung zu übernehmen. Ursprünglich ging man davon aus, dass die Volksanwaltschaft jährlich etwa 1500 Beschwerden bearbeiten werde – 40 Jahre später sind es fast 20.000 pro Jahr. Seither gingen bei der Volksanwaltschaft über 500.000 Beschwerden ein, die Volksanwälte hielten rund 9000 Sprechtage ab und trafen dabei mehr als 70.000 Menschen zu persönlichen Gesprächen.

Im Auftrag des Parlaments



Die Volksanwaltschaft zählt zu den „obersten Organen“ der Republik Österreich und ist eine unabhängige Kontrolleinrichtung. Die Mitglieder der Volksanwaltschaft arbeiten kollegial zusammen und werden jeweils für sechs Jahre vom Nationalrat gewählt. Sie sind unabhängig und können weder ihres Amtes enthoben noch abberufen werden. Alle wichtigen Angelegenheiten werden gemeinsam beraten und beschlossen.



Zu Beginn ihrer Funktionsperiode vereinbaren die Mitglieder der Volksanwaltschaft eine Geschäftsverteilung. Darin wird festgelegt, welchen Geschäftsbereich jedes Mitglied übernimmt und für welche Verwaltungsbereiche es damit verantwortlich ist. Derzeit sind Gertrude Brinek, Peter Fichtenbauer und Günther Kräuter als Volksanwältin und Volksanwälte tätig. Sie wurden vom Nationalrat für die Amtsperiode vom 1. Juli 2013 bis 30. Juni 2019 gewählt.



Der Vorsitz der Volksanwaltschaft wechselt jährlich im Juli. Derzeit übt Volksanwältin Brinek diese Funktion aus. In ihren Zuständigkeitsbereich fallen Gemeindeangelegenheiten wie z. B. Raumordnung und Bauordnung.

Sitz des internationalen Ombudsmann-Instituts



Seit September 2009 ist die Volksanwaltschaft auch Sitz des Generalsekretariates des International Ombudsman Institute (IOI). Das IOI ist eine internationale Organisation, die die Zusammenarbeit von unabhängigen nationalen Verwaltungskontrollorganen auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene unterstützt.

Zuständig auch für Entschädigung von Heimopfern



2017 kam noch eine weitere Aufgabe hinzu: Am 1. Juli 2017 nahm die Rentenkommission der Volksanwaltschaft zur Entschädigung von Heimopfern ihre Arbeit auf. Der Nationalrat beschloss einstimmig, die Volksanwaltschaft mit dieser verantwortungsvollen Aufgabe als Dachorganisation nach dem Heimopferrentengesetz (HOG) zu betrauen.



Pensionsversicherungsträger oder Sozialministeriumsservice entscheiden über die Zuerkennung von zusätzlichen Renten in der Höhe von 300 Euro für Personen, die als Kinder und Jugendliche in Heimen, Internaten oder bei Pflegefamilien misshandelt wurden. Grundlage für diese Entscheidungen sind Belege über Entschädigungen durch Opferschutzstellen oder eine begründete Empfehlung des Kollegiums der Volksanwaltschaft. Das Kollegium entscheidet auf Vorschlag der Rentenkommission. Die Leitung der Rentenkommission übernahm Volksanwalt Kräuter.

David gegen Goliath



Im Auftrag der Bürgerinnen und Bürger geht die Volksanwaltschaft Beschwerden kostenfrei nach und prüft, ob die öffentliche Verwaltung im Rahmen der Gesetze handelt und dabei Menschenrechtsstandards einhält. Beschwerden können beispielsweise Untätigkeit von Behörden, gesetzeswidriges Handeln oder auch grobe Unhöflichkeiten betreffen.



Die Volksanwaltschaft steht allen Menschen in Österreich zur Seite – unabhängig vom Alter, der Nationalität oder dem Wohnsitz. Auch Unternehmen, Wirtschafts­treibende und Vereine können sich bei der Volksanwaltschaft über die öffentliche Verwaltung beschweren.



Kontrolliert werden sämtliche Behörden, Ämter und Dienststellen des Bundes, der Länder und der Gemeinden im Bundesgebiet. In Tirol und Vorarlberg untersucht die VA nur Beschwerden über die Bundesverwaltung, da die Landtage dort eigene Landes-Volksanwältinnen und -Volksanwälte bestellen.



Wenn die Volksanwaltschaft einen Missstand vermutet, kann sie auch von Amts wegen und ohne eine konkrete Beschwerde tätig werden. Die Untersuchungsergebnisse werden in regelmäßig erscheinenden Berichten an den Nationalrat- und Bundesrat sowie an die Landtage veröffentlicht.

Schutz vor Willkür und Gewalt



Am 1. Juli 2012 erhielt die Volksanwaltschaft das verfassungsgesetzliche Mandat zum Schutz und zur Förderung der Menschenrechte in Österreich. Gemeinsam mit sechs regionalen Kommissionen kontrolliert sie auf Basis von UN-Rechtsakten als „Nationaler Präventionsmechanismus“ (NPM) Einrichtungen, in denen es zum Entzug oder zur Einschränkung der persönlichen Freiheit kommt oder kommen kann. Hierzu zählen etwa Justizanstalten, Polizeiinspektionen, Kasernen, Alten- und Pflegeheime sowie Kinder- und Jugendeinrichtungen. Einrichtungen für Menschen mit Behinderung werden auf Basis der UN-Behindertenrechtskonvention besucht.



Die Kommissionen beobachten im Rahmen des Menschenrechtsschutzes auch größere Polizeieinsätze und Abschiebungen. Im Zuge der fünfjährigen Tätigkeit als NPM wurden bereits über 2000 Kontrollen durchgeführt. Nach wie vor werden immer wieder strukturelle Defizite festgestellt, die menschenrechtlich relevant sind.



Neben der präventiven Kontrolle kann sich jeder Mensch ausdrücklich wegen einer behaupteten Verletzung der Menschenrechte bei der Volksanwaltschaft beschweren. Die derzeitige Vorsitzende Gertrude Brinek betont: „Als Volksanwältin sehe ich mich als Partnerin der Gemeinden. In Einhaltung der Grundsätze einer guten Verwaltung arbeiten wir gemeinsam korrekt, transparent, effizient und bürgerorientiert.“



Link zur Volksanwaltschaft