Campagne-Areal
Die Visualisierung des geplanten „neuen Stadtteils“ auf dem Campagne-Areal gibt einen Eindruck der neuen Anlage.
© Stadt InnsbruckExpressiv, IA Bogenfeld Architektur

Begleitetes Wohnen deckt Bedürfnisse

Innsbruck reagiert auf den knappen Wohnraum mit großen Bauprogrammen. Doch wie sich immer mehr zeigt, ist es mit der Errichtung der reinen Infrastruktur nicht getan. Auch am „Miteinander“ der Bewohner muss „gebaut“ werden, um Konflikte zu vermeiden.

Auf dem Innsbrucker „Campagne“-Areal in der Reichenau werden nach mehreren Jahren interdiziplinärer Planung ab Herbst 2019 auf einer Fläche von zirka 83.000 m2 rund 1100 Wohnungen für etwa 2500 Bewohner gebaut. Wobei die Größe des Areals gleichzeitig auch das Potenzial ist. Schließlich entstehen neben Wohnungen auch Grünflächen, Sportanlagen und Infrastruktur, was teilweise mit einer Absiedlung und Verlegung der bestehenden Sport- und Freizeitanlagen einhergeht. Die neuen Wohnungen sind nach dem Prinzip der Nachhaltigkeit gebaut und nach dem neuesten Stand der Technik ausgestattet.

Im Grunde entsteht in Innsbruck so ein neuer Stadtteil. Dieser Umstand wirft allerdings auch neue Probleme auf: So sind die Bewohner, die in die neuen Wohnungen einziehen, oft nicht in der Lage, die Technik sinnvoll einzusetzen und nutzen das Potenzial der Energieeinsparung in einem Passivhaus zu wenig.

Elisabeth Meze, Leiterin der Geschäftsstelle für Bürgerinnen- und Bürgerbeteiligung der Stadt Innsbruck und eine der Vortragenden 
auf der Urban Future Global Conference 2019 Ende Mai in Oslo, ist diesem Umstand mit einer einfachen Lösung zu Leibe gerückt:

„Wir wollen die Bewohner zusammenbringen. In mehrmaligen Treffen soll der Zusammenhalt innerhalb der Wohnanlagen gestärkt und ein Gefühl für gemeinsame Verantwortung geschaffen werden. Dies umfasst Themen wie Sauberkeit der Anlage, Mülltrennung, Brandschutz oder die Einhaltung der Hausordnung. Außerdem geht es uns aber auch darum, den BewohnerInnen die Möglichkeiten aufzuzeigen, die sie in ihrer Wohnanlage bzw. im Umfeld vorfinden – wie etwa Mobilitäts- und Freizeitangebote, Vereine oder schlicht die nutzbare Infrastruktur ihrer Anlage. Das gibt gleich mehrere Synergien. Nicht zuletzt lernen sich die Menschen von Anfang an kennen, was die Wertschätzung für die neue Umgebung deutlich erhöht.“

Wie man erreicht, dass sich Bürger beteiligen

Gerade Städte und größere Gemeinden haben oft das Problem, dass die Bürger sich nicht in dem Ausmaß freiwillig engagieren wollen, in dem sie es in kleineren Gemeinden tun. Woraus gleich mehrere Probleme folgen. Vereinsamung vor allem älterer Mitbürgerinnen und -bürger und eine Ghettoisierung sind nur zwei davon. 

Die Lösung heißt Beteiligung von Anfang an. Dadurch, dass Innsbruck Anrainer und künftige Bewohner von Anfang an auch schon in die Planung involviert, können diese ihre Bedürfnisse definieren. „Wir sind so weit, dass wir am Campagne zwei der Vertreter der Anrainer als beratende Mitglieder in die Jury für den Freiraumwettbewerb nehmen werden“, so Meze. Für Innsbruck ist dies die konsequente Fortsetzung eines kooperativen Planungsprozesses und ein wichtiger Schritt zu mehr Bürgerbeteiligung.

Auch das gemeinsame Einrichten von Gemeinschaftsräumen mit den Mietern wird in Innsbruck praktiziert, allerdings ist es wichtig, „gemeinsam vorher die Nutzungsregeln zu klären“, wie Meze meint.

Beerensträucher und Obstbäume

In einem weiteren Schritt werden in Wohnanlagen und in Innsbruck generell – frei nach dem Prinzip der „Essbaren Stadt“ – Beerensträucher und Obstbäume gepflanzt, deren Früchte von den Bewohnern auch gepflückt werden können. „Das hat den Menschen nicht nur eine Aufgabe gegeben, sondern auch neue Treffpunkte und die Möglichkeit, miteinander ins Gespräch zu kommen“, erzählt Meze. Allerdings muss man die Leute auch darauf vorbereiten, dass es vorkommen kann, dass eines Morgens die Bäume leergepflückt sein können. „So eine Initiative hängt stark an der Kommunikation“, weiß Meze.

Campagne-Areal
Frei nach dem Prinzip der „Essbaren Stadt“ werden von den Bewohnern  Beerensträucher und Obstbäume gepflanzt. Hochbeet-Schulung in einem Innenhof städtischer Mietwohnungen.

Übrigens: Eine ausgeklügelte „Durchmischung“ ist für die Stadt Innsbruck der Schlüssel zu einem funktionierenden Miteinander. Junge Familien und ältere Menschen, MieterInnen mit und ohne Migrationshintergrund, Mittelstandsbewohner und sozial schwächere Personen sowie Menschen mit und ohne Behinderung sollen einander die Waage halten. 

Unterstützung auch bei der Sanierung alter Bauten

Mieter auf neue Gebäude und eine neue Umgebung vorzubereiten ist eines, Bestandsgebäude zu sanieren ein anderes. In Innsbruck wurde mit Unterstützung der EU durch das Projekt „Sinfonia“ in die hochwertige und energieeffiziente Sanierung von Wohn- und Schulgebäuden sowie in die Optimierung von Wärme- und Stromnetze investiert.

Meze: „Aber trotz technischer Maßnahmen können Klimaziele nur erreicht werden, wenn die Mieter und Schüler mit ins Boot geholt werden. Dies geschieht durch Schulworkshops  und (Einzel-)Beratungen in Haushalten zum Thema richtiges Heizen und Lüften, samt Schimmelberatung. Letzteres erledigen Freiwillige und ein Vollzeit-Klima- und Energiecoach aus der Aktion 20.000 innerhalb des Projekts „Doppelplus“ vom Klimabündnis Tirol: Bekämfung von Energiearmut bei gleichzeitiger Ressourceneinsparung.

Unter dem Strich bleibt über, dass die Bürger das wichtigste Kapital jeder Kommune sind. Sich um sie zu kümmern, ein bisschen mehr das Prinzip „Teilen statt Haben“ wirken zu lassen, sie in Planungen mehr einzubeziehen ist das Um und Auf einer modernen kommunalen Verwaltung.