Patient erhält Tabletten
Geht man in der ländlichen Gemeinde zum nahegelegenen niedergelassenen Arzt, kann dieser im Idealfall, wenn er eine Hausapotheke führt, die gängigsten Medikamente gleich mitgeben. Der Patient spart sich somit den Weg zur Apotheke.

Geht man in die Apotheke, um sich schnell ein rezeptfreies Medikament für den lästigen Schnupfen zu holen, erspart man sich in diesem Fall den Gang zum Arzt. Und der kundige Apotheker kann bei so manchen gesundheitlichen Fragestellungen nachweislich sehr gut weiterhelfen.
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Gesundheitsversorgung zum Wohle der Patienten

Die Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum Österreichs steht vor großen Herausforderungen. Während der Ärztemangel und die knappe Besetzung von Kassenstellen zunehmend die medizinische Versorgung belasten, wird die Debatte um die Rolle ärztlicher Hausapotheken intensiver geführt. Beide Seiten argumentieren mit dem Ziel, die bestmögliche Versorgung für die Bevölkerung sicherzustellen. In diesem Spannungsfeld zeigt sich die Komplexität der Gesundheitsversorgung am Land – ein Thema, das alle betrifft und wohl weiterhin intensiv diskutiert wird.

Es geht um die Gesundheit der Österreicherinnen und Österreicher. Die Bevölkerung wird älter, und möchte hochbetagt auch noch möglichst fit und gesund leben. 

Hierfür ist die bestmögliche medizinische Versorgung der Schlüssel und vieldiskutiertes Thema in Österreich. Ärztemangel und Nachwuchssorgen beschäftigen nicht nur die pensionsreifen Babyboomer. Fachärztemangel, vor allem im ländlichen Raum, nicht besetzte Kassenstellen, ein stetiger Trend zu Wahlärzten und daraus resultierender Zweiklassenmedizin, Pflege-Engpässe, Medikamentenknappheit, die Liste der „Baustellen“ im Gesundheitsbereich, um die man sich in Österreich kümmern muss, ließe sich noch fortsetzen.

Herausfordernde Situation in den Kommunen

Gerade in den ländlichen Gemeinden gestaltet sich die bestmögliche Gesundheitsversorgung erfahrungsgemäß etwas schwieriger, als in der Stadt. Beispielsweise die Frage, woher die Patientinnen und Patienten ihre Medikamente bekommen, steht seit längerer Zeit und aktuell wieder im Fokus der öffentlichen Debatte.

Es ist kompliziert. Geht man in der ländlichen Gemeinde zum nahegelegenen niedergelassenen Arzt, kann dieser im Idealfall, wenn er eine Hausapotheke führt, die gängigsten Medikamente gleich mitgeben. Der Patient spart sich somit den Weg zur Apotheke.

Geht man in die Apotheke, um sich eventuell schnell mal ein rezeptfreies Medikament für den lästigen Schnupfen zu holen, erspart man sich in diesem Fall den Gang zum Arzt. Und der kundige Apotheker kann bei so manchen gesundheitlichen Fragestellungen nachweislich sehr gut weiterhelfen.

Bestenfalls jedoch liegt die Arztpraxis in direkter Nähe einer Apotheke und beide Berufszweige arbeiten Hand in Hand in Ergänzung und in beiderseitigem Sinne zum Wohle der Patienten. 

Ärztekammer fordert Liberalisierung

Edgar Wutscher
Edgar Wutscher, Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer und Bundeskurienobmann der niedergelassenen Ärzte: „Wir wollen ganz klar ein Neben- und Miteinander von öffentlichen Apotheken und Hausapotheken, damit die Patientinnen und Patienten die optimale Versorgung genießen.“ Foto: Wolfgang Lackner

Laut Österreichischer Ärztekammer soll eine Erleichterung für den Betrieb von Hausapotheken vom Gesetzgeber endlich ermöglicht werden. „Der Gebietsschutz für öffentliche Apotheken gehört ein für alle Mal abgeschafft“, sagt beispielsweise Edgar Wutscher, Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer und Bundeskurienobmann der niedergelassenen Ärzte. Damit bezieht er sich auf die Sechs-Kilometer-Grenze, die zwischen einer Hausapotheke und einer Apotheke einzuhalten ist.  

„Ärztliche Hausapotheken können einen entscheidenden Beitrag zu einer möglichst flächendeckenden Gesundheitsversorgung leisten.“ Für ihn liegt der Vorteil auf der Hand: „Patientinnen und Patienten bekommen gleich bei ihrer Ärztin oder bei ihrem Arzt, die ihre Bedürfnisse am besten kennen, ihre Medikamente und brauchen sich um nichts mehr zu kümmern. Jeder weitere mühsame Weg – auch jener in die Apotheke, das sind am Land oft viele Kilometer – ist einem kranken Menschen nicht zumutbar und ineffizient.“

Man wolle sich seitens der Ärztekammer klar am Bedarf der Bevölkerung orientieren. Jedoch betont Wutscher auch: „Wir wollen ganz klar ein Neben- und Miteinander von öffentlichen Apotheken und Hausapotheken, damit die Patientinnen und Patienten die optimale Versorgung genießen.“   

Win-Win für alle Beteiligten

In der Forderung gehe es aber nicht nur um das Wohl der Patientinnen und Patienten. Es gebe, so Wutscher, noch einige andere Vorteile von Hausapotheken: „Die Möglichkeit einer Hausapotheke ist ein deutlicher Vorteil, wenn es um die Neubesetzung einer Kassenstelle geht. Der niedergelassene Bereich braucht dringend Impulse zur Verbesserung, je attraktiver eine Kassenstelle ist, umso besser für die Versorgungsdichte und Versorgungssicherheit.“ 

Hausapotheken seien aber auch wesentliche Faktoren für die Infrastruktur insbesondere von ländlichen Gemeinden, betont Wutscher. „Sie sichern die Gesundheitsversorgung und sind damit ein gewichtiges Argument gegen Abwanderung und weitere Ausdünnung ländlicher Gemeinden.“ Außerdem würden laut Studie des Energieinstituts der Johannes Kepler Universität Linz zufolge jährlich 14.137 Tonnen weniger an Kohlendioxid emittiert, da sich die Patientinnen und Patienten den Weg zur Apotheke sparen – über 71 Millionen zusätzliche PKW-Kilometer werden durch Hausapotheken jährlich vermieden. 

Kein Bedarf an weiteren Hausapotheken

Dieser Argumentation setzt die Österreichische Apothekerkammer deutliche Worte entgegen: „Die immer wieder aufkeimende Forderung der Ärztekammer nach einem Mehr an ärztlichen Hausapotheken ist ein untauglicher Lösungsansatz und führt nicht zu einer Verbesserung der Arzneimittelversorgung. Anders als von Seiten der Ärztekammer gern behauptet, gibt es auf dem Land kein Problem mit der Arzneimittelversorgung.“ Es bestehe tatsächlich auch kein Bedarf an zusätzlichen sogenannten hausärztlichen Notabgabestellen, die nur über ein vergleichsweise kleines Sortiment an Medikamenten verfügen würden.

Darüber hinaus seien Ärzte keine Apotheker. Nur die Apothekerinnen und Apotheker seien speziell ausgebildete Arzneimittelexpertinnen und -experten. Und nur sie würden die optimale Versorgung und persönliche Beratung der Menschen mit Medikamenten garantieren. Nicht zuletzt verfügen Apotheken über weitaus längere Öffnungszeiten als Arztpraxen, verrichten auch am Wochenende Dienst und würden weder Urlaubs- noch sonstige Schließzeiten kennen. Die Trennung zwischen Arzt- und Apothekerberuf besteht seit dem Mittelalter und habe sich bis heute, nicht zuletzt wegen des „Vieraugen-Prinzips“ zum Wohle der Patientinnen und Patienten, bestens bewährt.

Stabile und zuverlässige Versorgung

Derzeit gibt es rund 7.000 Apothekerinnen und Apotheker, die in den rund 1400 Apotheken einen entscheidenden Beitrag leisten, um das medizinische System zu entlasten und die gesundheitliche Grundversorgung der Menschen spürbar zu verbessern.

„Apotheken bieten institutionelle vorbeugende Sicherheit. Die jüngsten Krisen haben gezeigt, wie wichtig es für die Menschen in Österreich ist, jederzeit auf eine stabile und zuverlässige Gesundheitsversorgung durch die Apotheken zählen zu können. Sie sind mit ihrer Infrastruktur und der fachlichen Expertise der Garant für eine qualitativ hochwertige und gerechte Daseinsvorsorge“, so die Apothekerkammer in einem Statement weiter.

In der zunehmenden Digitalisierung des Gesundheitswesens sieht die Apothekerkammer große Chancen. So sollten neue medizinische Versorgungsformen (z. B. Videosprechstunden und Gesundheits-Apps) in bestehenden gesundheitlichen Anlaufstellen, wie den öffentlichen Apotheken ermöglicht werden, um den Druck auf Ordinationen abzufedern und Wartezeiten auf ärztliche Termine zu reduzieren.

Für die Patientinnen und Patienten ist es im Grunde egal, wer die Versorgung übernimmt, Hauptsache, die Gesundheitsversorgung in den Gemeinden ist unter Einbeziehung aller Möglichkeiten gesichert.

Key Facts zur Sicherung der gesundheitlichen Versorgung am Land

  • Akuter Mangel an Kassenärzten in Österreich, besonders in ländlichen Gebieten
     
  • Forderung der Abschaffung der Regelung im Apothekengesetz (§ 29 Abs. 1 Z 3), die niedergelassenen Ärzten die Führung einer Hausapotheke nur erlaubt, wenn ihre Praxis mehr als sechs Kilometer von der nächsten öffentlichen Apotheke entfernt ist
     
  • Neue Filialapotheken verhindern Gründung von Hausapotheken
     
  • Ohne Hausapotheke sind Praxen oft nicht profitabel
     
  • Ziel: Besetzung 400 freier Kassenstellen sowie Erhalt bestehender Hausapotheken bei Praxisübernahmen