Gemeinden sollten Radarüberwachung durchführen dürfen
Gemeinden haben in den letzten Jahren viele Anstrengungen unternommen, damit der zunehmenden Raserei Einhalt geboten und den Beschwerden der örtlichen Bevölkerung Rechnung getragen wird. Geschwindigkeitsbeschränkungen, Bodenschwellen, Fahrbahninseln, Fahrbahnverengungen, Fahrbahnteiler und andere verkehrsberuhigende Maßnahmen: allen Maßnahmen zum Trotz wird innerorts zu schnell gefahren.
Der Österreichische Gemeindebund fordert schon seit Jahren eine Änderung der StVO (Erweiterung der Aufgaben des eigenen Wirkungsbereichs in § 94d StVO), damit Gemeinden auf ihren Straßen automationsunterstützt punktuelle Geschwindigkeitsüberwachungen durchführen können bzw. durchführen lassen können.
Erste Umfrage zur Radarüberwachung bereits 2009
Bereits im Jahr 2009 wurden Gemeinden zum Thema „Radarüberwachung“ befragt. Anlass damals war unter anderem die im Jahr zuvor ergangene Entscheidung der Datenschutzkommission (heute Datenschutzbehörde), wonach von Gemeinden bzw. im Auftrag von Gemeinden durchgeführte Radarüberwachungen mangels gesetzlicher Grundlage datenschutzwidrig seien.
Das Ergebnis der Umfrage war damals schon eindeutig: Den Gemeinden muss die Möglichkeit gegeben werden, automationsunterstützte Geschwindigkeitsmessungen durchzuführen.
Obwohl sich alle einig sind, dass Ge- und Verbote kaum Wirkung entfalten, wenn keine oder unzureichende Kontrollen und Strafsanktionen folgen, wird dem Thema Verkehrsüberwachung auf Gemeindestraßen, wo der Bürger der Gefahr von Rasern sowie der Lärm- und Geruchsbelästigung besonders ausgesetzt ist, wenig bis gar keine Aufmerksamkeit geschenkt. Kontrollen finden nicht statt: die Exekutive kann nicht (Personalmangel) und die Gemeinde darf nicht (mangels gesetzlicher Grundlage).
An der unbefriedigenden Situation hat sich auch zehn Jahre danach nichts geändert, das bestätigen die Ergebnisse einer kürzlich erfolgten Umfrage, an der 176 Gemeinden teilgenommen haben und demnach sogar noch mehr als vor zehn Jahren (143 Gemeinden).
Nur in 13 Prozent der Gemeinden werden die zulässigen Höchstgeschwindigkeiten eingehalten
Den Ergebnissen der Umfrage zufolge werden lediglich in 13 Prozent der Gemeinden die zulässigen Höchstgeschwindigkeiten eingehalten. In 82 Prozent der Gemeinden, die an der Umfrage teilgenommen haben, wird ein Bedarf an automationsunterstützter Geschwindigkeitsüberwachung („Radarüberwachung“) gesehen. Gar 91 Prozent der Gemeinden berichten über Beschwerden der Bevölkerung aufgrund überhöhter Geschwindigkeit.
Dementsprechend ernüchternd ist die Bilanz hinsichtlich der Überwachungstätigkeit der Exekutive: Nur 21 Prozent der Gemeinden sind der Meinung, dass in der Vergangenheit ausreichend Überwachungsmaßnahmen von Seiten der Bezirksverwaltungsbehörden innerhalb des Ortsgebietes durchgeführt wurden. Lediglich 36 Prozent der Gemeinden sind mit der Überwachung durch die Polizei zufrieden.
Kooperation mit Polizei funktioniert nicht
Abgefragt wurde auch die Tauglichkeit des im Jahr 2014 mit dem Innenministerium erarbeiteten Modells, wonach Gemeinden und Polizeibehörden im Bereich der Geschwindigkeitsüberwachung kooperieren können.
Demnach sollten Gemeinden im Rahmen eines mehrstufigen Prozesses zunächst ein Verkehrssicherheitskonzept erstellen, in dem mögliche Standorte für die Überwachung definiert und begründet werden. Nach positiver Prüfung durch die Verkehrsbehörde sollten Gemeinden die nötigen Radargeräte anschaffen und die Infrastruktur am Standort bereitstellen, wobei der Betrieb und die Abarbeitung der Strafanzeigen von der jeweils zuständigen Behörde (Polizei und Bezirkshauptmannschaften) übernommen werden. Dieses Modell wurde aufgrund des zunehmenden Drucks und der Beschwerden der örtlichen Bevölkerung ins Leben gerufen.
Das Ergebnis der Umfrage ist ernüchternd: Von 176 Gemeinden haben sich lediglich 13 an diesem Modell beteiligt. Drei von 13 Gemeinden berichteten, dass das Kooperationsmodell nicht funktioniert, eine weitere Gemeinde hat mitgeteilt, dass nicht sicher ist, ob das Projekt weiterverfolgt wird, da die Bezirkshauptmannschaft jeglichen zusätzlichen Aufwand ablehnt.
Bemerkenswert ist, dass mehr als 30 Gemeinden in ihren Anmerkungen direkt Bezug zu diesem Modell genommen und begründet haben, weswegen dieses Modell abgelehnt wird.
Folgende Beurteilungen wurden zu diesem Modell getroffen (auszugsweise): unflexibel, praxisfremd, mühsam, umständlich, sehr aufwendig, arbeitsintensiv, bürokratisch, kompliziert, nur an Unfallhäufungsstellen, zu viele Experten, zu lange Umsetzungsphase, kein Einfluss auf die Standortwahl, kein Einfluss auf Einsatzzeiten, zu kostenaufwendig, Zuständigkeiten teilweise nicht klar, langwieriger Prozess, kostspielige Gutachten, Weigerung der Bezirksverwaltung, zu wenig Verkehrsaufkommen etc.
Zusammenfassend stellen die Gemeinden diesem Kooperationsmodell ein denkbar schlechtes Zeugnis aus. Richtigerweise fordern die Gemeinden daher eine gesetzliche Grundlage, die es ihnen selbst ermöglicht, Überwachungsmaßnahmen zu ergreifen. Letztlich wissen die Gemeinden und die örtliche Bevölkerung am besten über die Gefahrenstellen Bescheid.
Es scheitert am Personalmangel
Bislang scheiterte eine Umsetzung vor allem am Widerstand einzelner Länder, die einen Mehraufwand befürchten. Das ist insofern bemerkenswert, als es an sich Aufgabe der Exekutive und damit der Länder wäre, für eine ordnungsgemäße Kontrolle der Einhaltung der Geschwindigkeitsbeschränkungen zu sorgen – und zwar auch auf Gemeindestraßen.
Dass das nicht passiert, hat vor allem einen Grund, der auch sehr deutlich in der Umfrage bestätigt wurde: Personalmangel. Die Exekutive hat schlicht nicht die Kapazität, flächendeckend und regelmäßig Überwachungsmaßnahmen auch im Ortsgebiet zu setzen. Demgemäß wäre gerade die automatisierte Verkehrsüberwachung die Antwort auf den eklatanten Personalmangel der Exekutive. Diese Möglichkeit den Gemeinden in die Hand zu geben, ist daher ein Gebot der Stunde.
Die Anonymverfügung in unserem Glossar.
Warum wäre es problemlos, wenn Gemeinden Anonymverfügungen ausstellen würden?
Erstens ist die Strafhöhe für Anonymverfügungen nach oben hin begrenzt und zum anderen wird nur mit der Anonymverfügung noch kein richtiges Strafverfahren eingeleitet. Erst wenn die Anonymverfügung nicht innerhalb der vorgegebenen Zeit bezahlt wird oder ein Einspruch eingelegt wird, muss der tatsächliche Täter ermittelt werden. Ab diesem Zeitpunkt kann sich immer noch die Exekutive einschalten.