
Das Forschungsfahrrad Holoscene Bike wird für Forschungszwecke im Bereich Radverkehrssicherheit eingesetzt – insbesondere zur Analyse von Überholvorgängen durch Kraftfahrzeuge. Ausgestattet mit modernster Sensorik ermöglicht das Holoscene Bike präzise Messungen und eine umfassende Datenerhebung.
© Salzburg Research/wildbild – Herbert Rohrer
Mehr Sicherheit durch neue Bodenmarkierungen
Autos überholen Radfahrer mit einem Seitenabstand von nur 85 Zentimetern. In Salzburg wird nun mit einem speziellen Forschungsfahrrad getestet, wie sich neue Bodenmarkierungen auf den Überholabstand auswirken.
In der Nußdorferstraße im Salzburger Stadtteil Riedenburg testet das urbane Mobilitätslabor zukunftswege.at seit Mitte Mai breitere Mehrzweckstreifen und auffälligere Markierungen für Radfahrende. Salzburg Research überprüft nun die Auswirkungen der geänderten Markierungen mit Hilfe eines Forschungsfahrrades.
Die Sensorik am Spezialfahrrad ermöglicht eine objektive, zentimetergenaue Erfassung der Überholabstände zwischen Kraftfahrzeugen und Radfahrenden. Bei der ursprünglichen Markierung lag der Median der Überholvorgängen bei 85 Zentimetern – gesetzlich vorgeschrieben sind 1,5 Meter.
Überholabstände sind generell zu gering
Ein internationales Forschungsprojekt hat gezeigt, dass die Überholabstände zwischen Kraftfahrzeugen und Fahrrädern überwiegend zu gering sind.
Die abgeleiteten Empfehlungen für Straßenbreiten bis zu 9,5 Metern lauten zusammengefasst: Die Infrastruktur muss eine „deutlichere Sprache sprechen“.
Daher wurden Mitte Mai in der Nußdorferstraße zwei verschiedene Markierungen testweise aufgebracht:
- Von der Kreuzung Bräuhausstraße bis zum Kreisverkehr Moosstraßewurden zwei Meter breite Mehrzweckstreifen mit Radpiktogrammen angebracht. In der Mitte der Fahrbahn bleibt eine Kernfahrbahn mit einer Breite von drei Metern.
- Zwischen Kreisverkehr Moosstraße und Kreuzung mit der Leopoldskronstraße wird die Wirkung von großen Radpiktogrammen – sogenannten Sharrows – auf die Verkehrssicherheit für Radfahrende getestet. Radpiktogramme und Sharrows wurden im Abstand von ca. 25 Metern auf die Fahrbahn aufgebracht.
„Die neuen Markierungen sind eine kostengünstige Möglichkeit, um allen Verkehrsteilnehmenden zu signalisieren, dass der Bereich der Radfahrenden zwei Meter vom Straßenrand in Richtung Fahrbahnmitte reicht“, erläutert der Projektleiter des Reallabors, Christian Kainz von zukunftswege.at. „Die Testmarkierungen bedeuten für Autofahrende im Grunde keine Änderung: Kraftfahrzeuge können diese Bereiche grundsätzlich mitbenutzen, müssen beim Überholvorgang jedoch ausreichend weit nach links ausweichen, um ein sicheres Überholen mit mindestens 1,50 m Abstand zu gewährleisten.“
Überprüfung der Wirksamkeit mit Forschungsfahrrad
Salzburg Research testet nun die unterschiedlichen Markierungsvarianten nach einer Eingewöhnungsphase von drei Wochen durch Befahrungen mit einem Forschungsfahrrad.
Das Forschungsfahrrad ist mit LiDAR-Sensoren, Kameras und weiteren Sensoren ausgestattet und kann den gesamten Überholvorgang dreidimensional erfassen. Insgesamt 160 Überholvorgänge werden mit dem Forschungsfahrrad aufgezeichnet und analysiert, um die Auswirkungen der unterschiedlichen Markierungen auf die Sicherheit der Radfahrenden in der Nußdorferstraße objektiv zu überprüfen.
Auch die ursprüngliche Markierung vor dem Versuch wurde mit dem Forschungsfahrrad befahren – mit einem erschreckenden Ergebnis: „Die Hälfte aller Überholmanöver lag bei 85 Zentimeter oder darunter! Nur wenige Kraftfahrzeuge hielten den gesetzlich vorgeschriebenen Abstand von 1,5 Metern ein“, berichtet Cornelia Zankl vom Salzburger Forschungsinstitut Salzburg Research.
„Die mit dem Forschungsfahrrad erfassten LiDAR-Daten ergeben sogenannte Punktwolken – ein dreidimensionales Abbild der Umgebung. In diesen Punktwolken können Fahrzeuge identifiziert und deren Abstand zum Fahrrad bei Überholmanövern präzise gemessen werden“, erläutert die Salzburg Research-Forscherin Zankl. Die Analyse der Überholabstände liefert wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse über die objektiv messbare Sicherheit von Radfahrenden und unterstützt die Entwicklung gezielter Maßnahmen zur Verbesserung der Radinfrastruktur sowie zur Erhöhung der Sicherheit für Radfahrende.
Das Sensorfahrrad misst nicht nur den seitlichen Abstand, wenn ein Fahrzeug überholt. Es zeichnet den gesamten Überholvorgang detailliert auf – vom Annähern des Fahrzeugs von hinten, dem Ausscheren zum Überholen, dem parallelen Fahren neben dem Fahrrad bis hin zum Wiedereinscheren vor dem Fahrrad. Dabei werden alle relevanten Bewegungen dreidimensional und zentimetergenau erfasst. So lassen sich nicht nur die genaue Position und der Abstand zwischen den Fahrzeugen bestimmen, sondern auch deren jeweilige Geschwindigkeiten während des gesamten Überholvorgangs berechnen.
Erweiterung der Markierungen im August
Im August werden die aktuellen Markierungsvarianten durch zusätzliche rote Blockmarkierungen ergänzt. Nach einer erneuten Eingewöhnungsphase werden auch diese erweiterten Markierungen im September durch Befahrungen mit dem Forschungsfahrrad überprüft.
Ergebnisse ab November
Zusätzlich zu den Befahrungen mit dem Forschungsfahrrad können auch alle Verkehrsteilnehmenden Feedback zu den Erfahrungen und Empfindungen hinterlassen. „Mit der Befragung wollen wir das subjektive Sicherheitsempfinden aller Verkehrsteilnehmenden erfassen. Es wird zusätzlich zu den Befahrungsdaten mit dem Forschungsfahrrad in die Beurteilung des Verkehrsversuchs einfließen“, so Christian Kainz von zukunftswege.at
Die Ergebnisse dieser Teststellung bieten eine wissenschaftlich fundierte Grundlage für die Planungsabteilung der Stadt Salzburg, um künftig die Verkehrssicherheit für Radfahrende auf beengten Straßen zu erhöhen. Ab November 2025 werden die Ergebnisse verfügbar und veröffentlicht.