Die bisher vorliegenden Rechnungsabschlüsse zeigen, dass der starke Einbruch bei den Ertragsanteilen von rund 9 Prozent verkraftet werden musste.
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Gemeinden brauchen weitere Hilfspakete

17. Juni 2021
Seit rund eineinhalb Jahren beeinflusst die Corona-Pandemie auch die finanzielle Situation der Städte und Gemeinden. Die mittelfristige Perspektive der Gemeindefinanzen bis 2024 zeigt nach wie vor deutliche Risiken. Um die Daseinsvorsorge und nachhaltige kommunale Investitionen auch in den nächsten Jahren abzusichern, brauche es daher sowohl die Fortführung der Hilfspakete als auch eine unmittelbare Umsetzung längst fälliger Reformen (etwa bei den Gemeindesteuern und den Länder-Gemeinde-Transfers), warnt der Österreichische Städtebund.

Das KDZ – Zentrum für Verwaltungsforschung hat im Auftrag des Österreichischen Städtebundes eine Prognose zur Entwicklung der Gemeindefinanzen bis zum Jahr 2024 erstellt. Tenor: Die Hilfspakete des Bundes haben dazu beigetragen, dass die Liquiditätsprobleme für 2021 und teils auch noch 2022 abgewendet werden konnten. Wenn nicht gegengesteuert wird, schmelzen bis zum Jahr 2024 jedoch die finanziellen Spielräume und erreichen erneut ein kritisches Niveau. 

Eine wesentliche Ursache für diese Entwicklung liege an der Form der Bundeszuschüsse: Von insgesamt 1,5 Mrd. Euro an zusätzlichen Mitteln für die Gemeinden müssen die Gemeinden in den nächsten Jahren wieder 1 Mrd. Euro zurückzahlen.

Der Vorteil des Modells, so der Städtebund, sei, dass für das Jahr 2021 massive Liquiditätsprobleme für Städte und Gemeinden behoben sind. In den Folgejahren können die vereinbarten Steigerungen der Ertragsanteile jedoch nicht mit den Ausgaben mithalten. So werden die Ertragsanteile der Gemeinden von 2019 auf 2024 um nur insgesamt 7 Prozent steigen (durchschn. 1,1 % p.a.), was deutlich unter der prognostizierten Inflationsentwicklung (1,7 %-1,8 %) oder der Umlagenentwicklung (4,3 % p.a.) liegt (Umlagen sind die Transfers zwischen Ländern und Gemeinden etwa für die Krankenhäuser oder den Sozialbereich).

Die KDZ-Prognose geht davon aus, dass die laufenden Einnahmen bis 2024 weniger stark steigen als die laufenden Ausgaben, womit der Überschuss der operativen Gebarung bei 1,2 bis 1,6 Mrd. Euro liegen wird. Damit stehen jährlich um 25 bis 40 Prozent weniger Mittel für Investitionen (z. B. in öffentlichen Nahverkehr, Bildung, soziale Einrichtungen) bis 2024 zur Verfügung. Damit steigt bis 2024 erneut das Risiko einer hohen Anzahl an Abgangsgemeinden sowie eines Investitionsrückstaus. 

2020 konnte noch ohne Leistungskürzungen bewältigt werden

Auch wenn die Daten der Rechnungsabschlüsse 2020 der Gemeinden noch nicht zentral vollständig vorliegen, hat das KDZ bereits Einblick in eine hohe Anzahl an Rechnungsabschlüssen über die Transparenzplattform www.offenerhaushalt.at. Diese Zahlen zeigen, dass der starke Einbruch bei den Ertragsanteilen von rund 9 Prozent verkraftet werden musste. 

Bei jenen Gemeinden, zu welchen dem KDZ Informationen vorliegen, sank das Investitionsvolumen um rund 10 Prozent. Die Finanzschulden der Gemeinden ohne Wien sind um 432 Mio. Euro bzw. 4,5 Prozent in geringerem Ausmaß als erwartet gestiegen. 

Fokus muss weiterhin auf kommunalen Investitionen liegen

Nach wie vor sehr genau zu beobachten ist aus Sicht des Städtebundes die Entwicklung der kommunalen Investitionen. Das Kommunale Investitionsprogramm hat eine stabilisierende Wirkung gezeigt. Der Einbruch der kommunalen Investitionen konnte zwar nicht verhindert, aber doch zumindest abgedämpft werden. 

Noch sind jedoch erst gut 650 Mio. Euro von den insgesamt 1 Mrd. Euro ausgeschöpft. Ein möglicher Grund könnte darin liegen, dass die Baubranche derzeit überhitzt ist und keine Aufträge annehmen kann bzw. dass Projekte deutlich überteuert durchgeführt werden müssten.

Der Österreichische Städtebund fordert daher, dass die Frist für die Einreichung des KIP 1 um 1 Jahr verlängert wird.

Knapp 30 Prozent der Mittel sind bisher in den Bereich Kinderbetreuung und Schulen geflossen, 22 Prozent der Mittel wurden für Gemeindestraßen aufgewendet. Die restliche Hälfte der Mittel floss primär in den Bereich Soziales und Gesundheit, die Ver- und Entsorgung, umweltfreundliche Infrastruktur sowie in den Bereich Sport und Freizeit.

Liquidität der Gemeinden mittelfristig durch Reformen absichern

Die sich gemäß KDZ-Prognose abzeichnenden sinkenden Spielräume benötigen nun nach Ansicht des Städtebundes gemeinsame Lösungen von Bund, Ländern und Gemeinden. Die Umsetzung längst fälliger Reformen, wie etwa eine Transferentflechtung – insbesondere zwischen Ländern und Gemeinden – oder die längst fällige Realisierung der Grundsteuerreform wird von den KDZ-ExpertInnen empfohlen. Weitere wichtige Themen sind ein aufgabenorientierter Finanzausgleich, um die bestehenden Mittel effizienter auf die einzelnen Gemeinden zu verteilen.

Aussetzung der Rückzahlung des Vorschusses des 2. Gemeindepaktes

Reformen bergen die Gefahr, dass sie nicht rasch genug umgesetzt werden können, um rechtzeitig eine entlastende Wirkung auf die Gemeindefinanzen aufzuweisen. Es wird daher vom KDZ empfohlen, vorerst die Rückzahlung des Vorschusses des 2. Gemeindepaktes auszusetzen, bis Reformen ihre Wirkung entfalten können.

Andernfalls muss erneut mit einer hohen Anzahl an Gemeinden mit Liquiditätsschwierigkeiten – und der damit verbundenen Notwendigkeit von Leistungskürzungen – und fehlenden Mitteln für notwendige kommunale Investitionen - Öffentlicher Verkehr, Kindergärten, Soziales - gerechnet werden.

Weiterhin gemeinsame Kraftanstrengung notwendig

Um die Gemeindeebene auch langfristig handlungsfähig zu halten, empfiehlt das KDZ ein Maßnahmenbündel, in welchem Bund, Länder und Gemeinden einen Beitrag zur Sicherung der kommunalen Daseinsvorsorge leisten. Da die Gemeinden nur eingeschränkte Handlungsmöglichkeiten in Bezug auf ihre Einnahmenpotenziale und auch Ausgaben haben, ist es notwendig, dass sie hier Unterstützung von Bund und Ländern erhalten. Die beiden Hilfspakete des Bundes und die Unterstützungsmaßnahmen der Länder waren sehr wichtig und haben gezeigt, dass die Gemeinden nicht im Regen stehen gelassen werden.

„Um die Städte zu unterstützen ist es notwendig, das kommunale Investitionsprogramm auszuweiten, sodass Einreichungen für die Finanzierung auch im kommenden Jahr noch möglich sind. Gleichzeitig fordern wir, dass das 2. Hilfspaket eine echte Finanzierung ist, dass also die Rückzahlung erlassen wird“, so Weninger.