junge und alte Menschen
Prognosen zeigen, dass die Steigerung der Lebenserwartung ungebremst voranschreiten wird. Bis zum Jahr 2070 wird die fernere Lebenserwartung voraussichtlich nochmals um 4,8 Jahre für Frauen sowie Männer steigen.
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Entwicklung der Lebenserwartung in den Regionen Österreichs

Wir leben länger. Diese simple und begrüßenswerte Entwicklung ist inzwischen landläufig bekannt. Allerdings beruht diese Schlussfolgerung häufig auf aggregierten Daten. Es werden also ganze Länder betrachtet. Dieser Artikel schaut deshalb in die jeweiligen NUTS-2-Regionen der Republik Österreich, um zu sehen, wie sich diese Entwicklung regional verteilt. Sind einzelne Regionen Triebfeder dieser Entwicklung, oder handelt es sich um einen gleichmäßigen Effekt? Die Verteilung der dazugewonnenen Lebenserwartung ist wichtig für die Akzeptanz und Bindewirkung zukünftiger Reformen, wie bspw. der beschlossenen Anhebung des Pensionsalters von Frauen.

Blickt man auf Österreich im Ganzen, dann hat sich die durchschnittliche fernere Lebenserwartung der 65-jährigen von 16,6 Jahren im Jahr 1990 bis auf 20,3 im Jahr 2019 erhöht. Die Gewinne sind jedoch zwischen den Geschlechtern unterschiedlich verteilt. Im Jahr 2019 hatten 65-jährige Frauen eine durchschnittliche Lebenserwartung von 21,7 Jahren und Männer von 18,7 Jahren.[1]
Wie aber sieht die Situation in den Regionen aus?

Durchschnittliche Lebenserwartung in den Regionen im Jahr 2019 sowie Zuwachs an Lebenserwartung der 65-Jährigen.
Durchschnittliche Lebenserwartung in den Regionen im Jahr 2019 sowie Zuwachs an Lebenserwartung der 65-Jährigen. Quelle: eigene Darstellung nach Eurostat (2021).

Lebenserwartung steigt überall gleich

Der Blick in die Regionen zeigt, dass die Entwicklung im Großen und Ganzen gleichmäßig verteilt ist. Es gibt nur geringfügige Unterschiede hinsichtlich der dazugewonnenen Lebenserwartung zwischen den Regionen. Dies gilt sowohl für die weibliche als auch für die männliche Bevölkerung.

Am stärksten ist die Lebenserwartung für 65-jährige Frauen und Männer in der Region Salzburg angestiegen. Dort ist die ferne Lebenserwartung seit 1990 für Frauen um durchschnittlich 4,2 Jahre und für Männer um 4,7 Jahre gestiegen.

Am geringsten ist in diesem Zeitraum die Lebenserwartung in Wien sowohl für Männer (+ 4 Jahre) als auch Frauen (+3,2 Jahre) angestiegen.

Wie klein die Differenzen aber insgesamt sind, macht eine Extremwertbetrachtung deutlich. So haben 65-jährige Frauen in den Region Tirol und Vorarlberg eine durchschnittliche Lebenserwartung von 22,6 Jahren.

Demgegenüber liegt die Lebenserwartung in den Regionen Burgenland, Niederösterreich und Wien bei 21,2 Jahren, sodass zwischen den Werten lediglich eine Spanne von 1,2 Jahren liegt. Innerhalb der männlichen Bevölkerung ist die ferne Lebenserwartung mit 19,7 Jahren im Vorarlberg am größten. Den niedrigsten Wert weist das Burgenland mit 18 Jahren auf. Zwischen dem Maximal- und Minimalwert liegen in diesem Fall 1,7 Jahre. Folglich sind die Unterschiede im Allgemeinen nicht stark ausgeprägt.

Es ist allerdings offen, ob die verbleibenden Unterschiede strukturelle Ursachen haben oder auf individuelle Verhaltensweisen zurückgehen. Grundsätzlich spricht dieses Ergebnis aber für eine regional gleichwertige Versorgung der Bevölkerung. Schließlich liegen die Werte derart nahe beieinander, dass dies zumindest als ein Indikator dafür gewertet werden kann. Dies ist wichtig, da die Lebenserwartung gravierende Auswirkungen auf die gesellschaftlichen Vorsorgesysteme hat.

Klarerweise ist das Pensionssystem besonders davon betroffen. Schließlich wirkt sich die Lebenserwartung auf das Verhältnis der Arbeits- zur Pensionszeit aus. Dazu nun ein Blick auf standardisierte Erwerbskarrieren der männlichen und weiblichen Bevölkerung in den Regionen:

Anteil der Pensionsjahre an einem (standardisierten) durchschnittlichen Erwachsenenleben im Jahr 2019.
Anteil der Pensionsjahre an einem (standardisierten) durchschnittlichen Erwachsenenleben im Jahr 2019. Quelle: eigene Darstellung nach Bundesministerium Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz (2021), European Commission (2018), Eurostat (2021)1 und OECD (2019).

Auch dieses Verhältnis fällt in Österreich erwartungsgemäß regional vergleichbar und alles in allem hoch aus. Dies gilt zumindest, wenn man die Regionen nach dem Geschlecht differenziert. Die Bandbreite zwischen dem minimalen und maximalen Wert in der weiblichen Bevölkerung liegt bei lediglich 1,08 Prozentpunkten und die in der männlichen Bevölkerung bei 1,4 Punkten.

Auswirkungen des früheren Frauenpensionsalters

Jedoch offenbart ein zweiter Blick, dass eine geschlechterspezifische Lücke existiert. Vergleicht man die Werte zwischen Frauen und Männern, dann liegt zwischen den Maximalwerten eine Spannbreite von 2,71 Prozentpunkte. Zwischen dem maximalen Wert der weiblichen und dem minimalen Wert der männlichen Bevölkerung besteht sogar ein Abstand von 4,12 Prozentpunkte.

Dieses Ergebnis geht zum einen auf die höhere Lebenserwartung der weiblichen Bevölkerung zurück, ist aber ebenso Folge einer regulatorischen Ungleichbehandlung der Geschlechter. Frauen können immer noch fünf Lebensjahre früher, mit 60 Jahren, in Pension gehen als Männer, deren Regelaltersgrenze bei 65 Jahren liegt. Diese zwei Ursachen haben zur Folge, dass die weibliche Bevölkerung ungleich mehr Lebenszeit in Pension verbringt als die männliche Bevölkerung.

Es ist daher zu begrüßen, dass das Pensionsalter zukünftig angeglichen wird, um eine Gleichbehandlung der Geschlechter herzustellen. Dazu wird ab dem 1. Jänner 2024 das Pensionsalter von Frauen sukzessive, jährlich um 6 Monate, angehoben, sodass dieses im Jahr 2033 ebenfalls 65 Jahre beträgt.[2]

Lebenserwartung steigt weiterhin

Allerdings bleibt bei den bisherigen Plänen zur Erhöhung des Pensionsalters der voranschreitende demografische Wandel unberücksichtigt.

Prognosen zeigen, dass die Steigerung der Lebenserwartung ungebremst voranschreiten wird. Bis zum Jahr 2070 wird die fernere Lebenserwartung voraussichtlich nochmals um 4,8 Jahre für Frauen sowie Männer steigen.

Für den gleichen Zeitraum wird erwartet, dass die Fertilitätsrate auf niedrigem Niveau verharrt. Dadurch klettert der Altenquotient (Verhältnis 20-64-jährigen zu den 65-jährigen) von 30,7 im Jahr 2019 bis auf 55,9 im Jahr 2070. Damit kämen nicht mal mehr 2 Personen (1,79) im arbeitsfähigen Alter auf einen Pensionär (m/w/d), dessen Pension die Aktiven erwirtschaften müssten.[3] Diese Entwicklung könnte Erhöhungen des Pensionsalters über die Altersgrenze von 65 Jahren für beide Geschlechter nötig machen, um die Finanzierung des Pensionssystems sicherzustellen.[4]

Auswirkungen auf Akzeptanz eines höheren Pensionsalters

Für die Akzeptanz der Erhöhung des Pensionsalters ist es sicherlich vorteilhaft, dass die Lebenserwartungen regional ohnehin in etwa gleich hoch sind.

Wären die Unterschiede zwischen den Regionen größer, dann wären „schwächere“ Regionen, die eine niedrigere Lebenserwartung aufweisen, von Erhöhungen des Pensionsalters schwerer betroffen, da die Erhöhung dort zu einer größeren Reduktion der Pensionszeit führen. Würden nun signifikante Unterschiede zwischen den Regionen herrschen, die auf strukturelle Ursachen zurückgehen, dann könnte dies Widerstände gegen Erhöhung des Pensionsalters hervorrufen.[5] Eine Problematik, die sich für Länder mit größeren regionalen Disparitäten, wie beispielsweise Ungarn oder Rumänien, stellt. [6] [7]  

Es ist hinzuzufügen, dass im österreichischen Pensionssystem indirekt ein Ausgleich von verschieden hohen Lebenserwartungen stattfindet. Schließlich werden die Pensionszahlungen grundsätzlich entlang der Inflationsrate angepasst, obgleich seit dem Pensionsanpassungsgesetz 2020 Abweichungen möglich sind. Deshalb bleiben zukünftige Produktivitäts- und Lohnzuwächse, wie bspw. in der Bundesrepublik Deutschland, unberücksichtigt.[8]

Ausgewogene Lebensbedingungen sicherstellen

In Summe gilt es die generell gute Ausgangslage zu erhalten. Daher spricht vieles für strukturelle Förderungen, um Unterschiede zwischen den Regionen auch zukünftig auf niedrigem Niveau zu halten.

Von diesem Gesichtspunkt aus sind politische Initiativen, wie der „Masterplan für den ländlichen Raum“, zu begrüßen, die zum Ziel haben ausgewogene Lebensbedingungen in den Regionen Österreichs sicherzustellen.[9] Glücklicherweise ist dies - zumindest in der Lebenserwartung - bereits der Fall.[10] In diesem Sinne: Tu felix austria, vivas diu et in pace!

Fußnoten

[1] Eurostat (2021): Life expectancy by age, sex and NUTS 2 region, [online] Eurostat - Data Explorer (europa.eu).

[2] BGBl 1992/832.

[3] European Commission (2020): The 2021 Ageing Report Underlying Assumptions & Projection Methodologies, in: Institutional Paper, Nr. 142, [online] https://ec.europa.eu/info/sites/info/files/economy-finance/ip142_en.pdf.

[4] Berger, Johannes; Strohner, Ludwig; Thomas, Tobias (2018): Reformszenarien für eine nachhaltige Finanzierung des österreichischen Pensionssystems, in: Policy Note, Nr. 23, EcoAustria - Institute for Economic Research, Wien.

[5] Dörstelmann, Felix (2021): Eine Frage der Perspektive? Nationale und regionale Auswirkung der Erhöhung des gesetzlichen Rentenalters auf das Verhältnis von Arbeits- zu Rentenzeit, forthcoming.

[6] Dörstelmann, Felix (2020a): Analysis of the relationship between working time and retirement time in the NUTS 2 regions of Hungary in the light of gender and regional disparities, in: International Journal of Advanced Research, Nr. 8(12), S. 309 – 320.

[7] Dörstelmann, Felix (2020b): Trends in gender and regional disparities in the Romanian pension system - Analysis of the relation of working time to retirement time across the NUTS 2 regions, in: International Academic Journal, Nr. 1(1), S. 31 – 40.

[8] Bundesministerium Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz (2021): Pensionserhöhung, [online] https://www.sozialministerium.at/Themen/Soziales/Sozialversicherung/Pensionsversicherung/Pensionserh%C3%B6hung.html.

[9] Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (2017): Masterplan für den ländlichen Raum, [online] https://www.bmlrt.gv.at/service/publikationen/land/masterplan-laendlicher-raum.html.

[10] Zur Berücksichtigung der Vermögensverteilung unter Berücksichtigung von Wohneigentum vgl. Eckardt, M./Dötsch, J./Okruch, S. (eds.)(2018): Old-Age Provision and Homeownership - Fiscal Incentives and Other Public Policy Options, Heidelberg: Springer.