Martin Kocher
Martin Kocher: „Standortattraktivität darf nicht immer nur für Unternehmen gedacht werden.“

Die Zukunft der Arbeitsplätze im ländlichen Raum

Im Zuge einer Online-Veranstaltung der Donau-Universität Krems sprach Peter Filzmaier mit Arbeitsminister Martin Kocher über die „Zukunft der Arbeitsplätze im ländlichen Raum“. KOMMUNAL war dabei.

Auf einer Skala von eins bis zehn (mit 10 als Top-Priorität) für Zukunftsfragen des ländlichen Raums, wo würden Sie die Arbeitsplätze und die Zukunft der Arbeit als Herausforderung einordnen?

Martin Kocher: Das Arbeitsplatzangebot im ländlichen Raum spielt eine sehr wichtige Rolle. Ich glaube es wird nahe an zehn sein, vielleicht acht oder neun. Es ist eine wichtige Voraussetzung, um im ländlichen Raum für Menschen attraktiv zu bleiben, die sonst in die Nähe der Städte abwandern, weil sie keine Arbeit finden. Arbeitsplatzsicherung ist ein ganz entscheidender Punkt, und dabei geht es auch um die Qualität der Arbeitsplätze.

Wir haben in Österreich den großen Vorteil dass der ländliche Raum - auch was Arbeitsplätze betrifft - sehr attraktiv ist, allerdings in bestimmten Bereichen auch sehr stark von einzelnen Faktoren bzw. einzelnen Branchen abhängig. Stichwort Tourismus, Stichwort Freizeitwirtschaft. Das war lange Zeit ein ganz großer Vorteil für Österreich. Jetzt in der Covid-Krise war es ein gewisser Nachteil, insbesondere die starke Abhängigkeit vom ausländischen Tourismus.

Wenn die Dienstleistungswirtschaft, die besonders beschäftigungsintensiv ist, nicht geöffnet sein kein, dann führt das zu besonders negativen Arbeitsmarkteffekten und zu einer Arbeitslosigkeit in gewissen Regionen, die so bisher nicht gekannt wurde. 

Bitte skizzieren Sie kurz die Hauptherausforderungen für den ländlichen Raum, was die Arbeitsplätze betrifft, mit einer Unterscheidung was coronabedingt ist, und was nicht.

Das ist gar nicht so leicht zu sagen. Sicher besteht die Herausforderung als Standort für den ländlichen Raum attraktiv zu bleiben. Die Covid-Pandemie hat aus meiner Sicht, und das teilen alle Experten, die Digitalisierung beschleunigt.

Wir sehen jetzt schon an den ersten Zahlen, was Wanderungsbewegungen zwischen den verschiedenen Regionen in Österreich betrifft, dass die Möglichkeit digital zu arbeiten den ländlichen Raum gestärkt hat, da man jetzt längere Pendeldistanzen in Kauf nehmen kann, weil man vielleicht nicht jeden Tag ins Büro fahren muss.

Ich gehe davon aus, dass das auch so bleiben wird. Wie stark sich das auf Dauer wirklich auswirken wird werden wir sehen. Ich glaube schon, dass durch digitales Arbeiten, Home Office und Teleworking der ländliche Raum gewonnen hat.

Das wäre auch ohne Covid passiert, wir haben aber innerhalb eines Jahres einen Entwicklungsschritt von zehn Jahren absolviert. Das war ein Schritt der den ländlichen Raum bevorzugt und unterstützt. Das heißt nicht, dass andere Probleme nicht weiterbestehen, die der ländliche Raum vielleicht hat.  Dass er aber weniger stark bevölkert ist, es größere Distanzen gibt, und weniger Kontakte - all das hat in der Covid-Pandemie eine Rolle gespielt und die Leute wieder die Vorteile sehen lassen. 

Der „Masterplan Ländlicher Raum“ von 2017 hatte hinsichtlich der Digitalisierung unter anderem eine möglichst flächendeckende 5G Versorgung zum Ziel - mit Betonung von Shared Offices statt Home Offices. Wo stehen wir da?

Das Grundziel dieser Versorgung besteht weiter. Der Breitbandausbau wird auch weiter vorangetrieben, auch um Dinge wie die Shared Offices zuzulassen und zu ermöglichen.

Die Shared Offices sind eine Sache die für mich besonders interessant ist, weil sie eigentlich in dieser Form nicht durch das Homeoffice Gesetzespaket abgedeckt ist. Da sind eigentlich nur die eigene Wohnung und die Wohnung des Partners abgedeckt, allerdings nicht so ein Shared-Office-Konzept, das man in einzelnen Gemeinden einrichten könnte.

Einige Gemeinden haben schon angekündigt das anzubieten, und wenn sich das durchsetzt ist es kein Problem, das Gesetz dahingehend zu erweitern. 

Thema Arbeitsplätze für jüngere Frauen im ländlichen Raum. Sie haben Tourismus und Freizeitwirtschaft angesprochen.

Ein anderer Bereich ist die Landwirtschaft. Oft sind das zwei Wirtschaftszweige, bei denen die Vereinbarkeit von Beruf und Familie besonders schwierig ist. Die Abwanderungsbereitschaft aus dem ländlichen Raum nimmt zu, je höher der formale Bildungsgrad ist. Was würden sie einer gut qualifizierten, jungen Frau Mitte 20 sagen, warum der ländliche Raum für sie in Verbindung mit der privaten Familienplanung attraktiv ist? 

Das hängt davon ab was die Frau macht. Man unterschätzt oft den ländlichen Raum was die Vielzahl an Möglichkeiten sich beruflich zu entwickeln betrifft, außerhalb der Branchen die jetzt angesprochen wurden.

Beim ländlichen Raum denken wir oft sehr stark an Tourismus, aber selbst in den ganz typische Tourismusregionen wie Tirol gibt es natürlich auch viele Arbeitsplätze in der Industrie, in der Medizin und im Gesundheitsbereich, in der Pharma-Industrie.

Es gibt die Möglichkeit auch im ländlichen Raum eine klassische Karriere zu machen. Ein entscheidender Punkt ist die Vereinbarkeit von Beruf und Familie und auch der weitere Kindergartenausbau im ländlichen Raum.

Natürlich tun sich größere Unternehmen leichter, und die gibt es natürlich auch im ländlichen Raum,  weil die zum Teil eigene Kindergärten und Kinderbetreuungseinrichtungen anbieten können, aber gerade auch in der kleinstrukturierten Wirtschaft, wie wir sie in Österreich oft haben, mit sehr vielen kleinen Unternehmen, Gewerbebetrieben, muss es eine gute Kinderbetreuung geben, und die darf nicht mittags enden und im Sommer zwei Monate geschlossen haben. Ich weiß, dass sehr viele Gemeinden sich sehr stark bemühen das umzusetzen und anzubieten. 

Könnten die Arbeitsplätze der öffentlichen Hand im ländlichen Raum mehr sein? Im Masterplan gab es ja auch das Konzept der Dezentralisierung, mit dem Bundesdienststellen explizit auch mehr dezentral anzusiedeln sind. Pilotbeispiele wurden das Bundesamt für Wasserwirtschaft und das  Bundesamt für Bergbauernfragen. Was ist mit diesem Projekt der Dezentralisierung?

Ja, man kann auch Bundesdienststellen verlegen. Ich fände das nicht schlecht als jemand, der nicht aus der Bundeshauptstadt kommt.

Wir haben ja auch Beispiele im nahen Ausland, in Bayern zum Beispiel, wo das durch die bayrische Staatsregierung sehr stark betrieben wird. Es gibt diese Bemühungen natürlich auch in Österreich. Ich kann da über mein Resort sprechen, wir haben die Arbeitsinspektorate, die Dienststellen in Bundesländern haben, aber auch in Wien.

Und dann gibt es Beispiele die man nicht immer versteht. Was das Arbeitsinspektorat Seilbahnwirtschaft in Wien macht, bei der Dichte an Seilbahnen, die es in Wien gibt, ist weniger verständlich. Im AMS, das nicht direkt zum Resort gehört, gibt es ohnehin eine starke Regionalisierung. das ist auch absolut sinnvoll. 

Ist etwas hinsichtlich der Defizite bei grenzüberschreitenden Arbeitsverhältnissen vorgesehen? Also Wohnort in Österreich, Arbeitsplatz im Ausland. Bürokratie pur ist da ein Schlagwort.

Die Frage bezieht sich vor allem aufs Homeoffice. Beim Homeoffice als Betriebsstätte gibt es sozialversicherungsrechtliche Aspekte, Doppelbesteuerungsabkommen, europäische Richtlinien zur Sozialversicherung. Das ist ein schlimmes Thema, weil sehr bürokratisch.

Es gibt zumindest auf europäischer Ebene die Sensibilität dafür, dass dahingehend etwas getan werden müsste. Wir werden das unterstützen. Ich persönlich halte das für sehr wichtig. Das ist ein Thema für sich, das sehr komplex ist, wie immer bei europäischen Themen, weil es bei den steuer- und sozialversicherungstechnischen Bestandteilen jede Menge Fallstricke gibt. Aber die Problematik ist auf den Tapet.

Wie kann man kurzfristig die Digitalisierungsinfrastruktur stärken, wenn jetzt sehr schnell covidbedingt mehr digitales Arbeiten gefordert ist, und man die nächste Ausbaustufe des Internetanbieters schlecht abwarten kann, die vielleicht erst 2025 vorgesehen ist.  Gibt es da kurzfristige Möglichkeiten?

Ja. Ich bin zwar kein Experte, was die Technik betrifft, habe aber mit mehreren Anbietern gesprochen, und die haben schon sehr viel versucht, um kurzfristig Bandbreiten zu erweitern. Das war, glaube ich, schon ein gewisser Ritt auf der Kanonenkugel - in allen Bereichen, auch in den städtischen. Ich bin überrascht, dass es so gut funktioniert hat, aber es gibt immer noch Einschränkungen, und je mehr die Bandbreiten genutzt werden, desto stärker merkt man auch diese Einschränkungen. Es wird besser werden, kurzfristige Lösungen gibt es aber leider keine perfekten. 

Was können Bürgermeister tun, um trotz postpandemischer Effekte auf die Arbeitsplätze nach Eindämmung der Pandemie sie zu erhalten und zu fördern? Viele aktuelle Maßnahmen werden ja auch irgendwann auslaufen. 

Glücklicherweise sind wir in einer Lage, in der die Wirtschaft in einen gewissen Aufschwung kommt, und wo viele Bereiche schon wieder fast auf Hochkonjunktur unterwegs sind, wenn auch nicht alle. Es gibt noch Ausnahmen und es gibt auch noch Einschränkungen und Unsicherheit.

Letztlich muss der Bürgermeister oder die Bürgermeisterin für die konjunkturelle Entwicklung selbst nicht so viel tun. Es geht eher darum,  die Struktur der Wirtschaft in einer Gemeinde gut auszubalancieren, als Standort für Unternehmen attraktiv zu sein.

Ein ganz entscheidender Punkt, den wir auf mittlere Sicht nicht unterschätzen dürfen: Standortattraktivität darf nicht immer nur für Unternehmen gedacht werden. Was auch immer da für Möglichkeiten bestehen, standortattraktiv zu sein, wie mit einem Gewerbepark. Standortattraktivität wird auch immer wichtiger für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Das gilt nicht nur für die einzelne Gemeinde, sondern für ganz Österreich.

Es wird mehr Wettbewerb um Fachkräfte geben, Unternehmen werden nur dorthin gehen, wo sie wissen, dass es Fachkräfte gibt. Da geht es um das Bildungssystem und um Qualifikationsmaßnahmen, die vor Ort stattfinden. Ums gesamte Paket, und da ist Kinderbetreuung ein ganz wichtiger Punkt, ebenso die Beschäftigungsmöglichkeit des Partners.

Diese Dinge werden noch viel wichtiger, als sie bisher waren, und sie werden immer wichtiger, je anspruchsvoller die Tätigkeit und je höher das Gehalt ist. Wir haben das in den letzten 20 Jahren schon ganz gut auf den Unis gesehen. Es nimmt einiges vorweg, wenn man sich die Uni-Landschaft in den USA und auch teilweise in Europa anschaut. Da gab es viele sehr gute Universitäten im ländlichen Raum in sehr kleinen Städten. Das hat sich in den letzten 20 bis 30 Jahren stark verändert.

Online-Meeting mit Minister Martin Kocher.
Online-Meeting mit Minister Martin Kocher.

Die Universitäten sind in den Städten viel besser geworden, weil es in ländlichen Gebieten für den Partner bzw. für die Partnerin schwierig war einen Arbeitsplatz zu finden. Die wollten meistens auch eine anspruchsvolle Tätigkeit, und wenn sie nicht gerade auch in der Wissenschaft waren, dann ging das nicht so einfach. Es muss in den Gemeinden oder im Umfeld der Gemeinden eine gewisse Auswahl an Arbeitsplätzen geben, um auch für junge Paare, bei denen beide Karriere machen, attraktiv zu sein.

Stichwort Attraktivität im Zusammenhang mit der dualen Ausbildung von Jugendlichen, der Bedeutung der Lehre und des Handwerks. Haben Arbeitsplätze im ländlichen Raum ein Imageproblem, und wenn ja, was kann man tun?

Auch da gibt es mehrere Ansatzpunkte. Einmal geht es darum, die Bereiche, die vielleicht nicht so hoch angesehen sind, wie Lehrabschluss usw. stärker zu bewerben. Es ist wichtig, dass wir es schaffen, dass die Lehre nicht als Sackgasse gesehen wird. Es gibt jede Menge Initiativen, die versuchen, die Lehre attraktiver zu machen. Zum Beispiel „Lehre nach der Matura“. Ich glaube das ist ein sehr gutes Konzept. Das gibt es in Deutschland und in der Schweiz sehr stark. Bei uns ist das hingegen ganz wenig ausgeprägt. Es gibt auch erst seit kurzem die gesetzliche Grundlage dafür.

Ich glaube, dass viele Leute es attraktiv finden würden, eine Lehre, die zwei statt drei Jahre dauert, nach der Matura zu machen und damit einen Beruf zu erlernen. Andere Varianten wie „Lehre mit Matura“, die jetzt keine Studienberechtigungsprüfung oder andere Prüfungen erfordern, aufzustocken, wäre auch ein Punkt.

Es geht insgesamt darum, dass man attraktiver wahrgenommen wird. Entscheidend ist aber, dass der ländliche Raum nicht als verschlafen wahrgenommen wird, sondern als attraktiver Wohnort und Umgebung, wo es auch für die Kinder gut Chancen gibt. Das ist oft viel entscheidender, als das was die Eltern betrifft. Gute Schulbildung in der Nähe spielt eine ganz große Rolle für attraktive Arbeitsplätze. Das wissen wir aus allen Umfragen. Und natürlich auch eine gute Vereinsstruktur und ähnliche Dinge, bei denen der ländliche Raum mit kurzen Wegen auch punkten kann.

Gute Schulbildung in der Nähe spielt eine ganz große Rolle für attraktive Arbeitsplätze.

Natürlich gibt es auch die Frage der Nähe zur nächsten größeren Stadt, aber die ist bei uns oft gegeben. So große ländliche Räume, bei denen die nächste größere Stadt zwei oder drei Stunden entfernt ist, wie das manchmal in den USA der Fall ist, gibt es in Österreich nicht.

Wovon reden wir eigentlich beim „ländlichen Raum“? Es gibt zwar eine Definition der Europäischen Kommission, die sich ganz banal aus Bevölkerungsdichte und anderen Faktoren errechnet. Es geht aber vielmehr um die Frage, was wir in den Köpfen für eine Vorstellung vom ländlichen Raum haben, und das sind sicher keine EU-Definitionen.

Die Frage ist eine empirische. Man müsste eine Umfrage machen, was die Leute tatsächlich als ländlichen Raum wahrnehmen. Ich glaube, sie nehmen schon einen Großteil Österreichs als ländlichen Raum wahr - mit Ausnahme der größeren Städte und deren Umfeld.

Zwar gibt es gewisse Siedlungsgebiete in Österreich, wo schon mehrere größere Orte zusammenkommen, aber selbst die werden immer noch eher als ländlicher Raum wahrgenommen, das Inntal zum Beispiel, oder das Innviertel in Oberösterreich. Das Umfeld von Graz, Linz, Salzburg, Innsbruck, Villach, Klagenfurt - wobei wir da auch recht rasch wieder im ländlichen Raum unterwegs sind.

Ein typisches Beispiel wäre auch das Rheintal. Ist das noch ländlicher Raum oder ist das schon stärker städtisch geprägt? Es gibt einige Städte dort, nur sind im internationalen Vergleich diese relativ klein. Ich würde es daher auch noch als ländlichen Raum sehen.

Widerspricht die Rationalisierung durch Schulzusammenlegungen nicht der Stärkung des ländlichen Raumes?

Was Zusammenlegungen betrifft, ist die Geschichte ganz spannend, und zeigt, wie stark diese Zielkonflikte manchmal sind. Es betrifft ja nicht nur Schulen, sondern auch Universitäten, und andere Einrichtungen, die von außen wahrgenommen werden.

Auf der einen Seite glaube ich, dass Zusammenlegungen zu mehr Sichtbarkeit nach außen führen. Große Universitäten zum Beispiel sind sichtbarer als kleinere Fachhochschulen, die man besser verteilen kann. Andererseits sind sie dann immer dort angesiedelt, wo größere Siedlungsgebiete sind. Ein schwieriges Thema.

Wir haben im Resort viele Diskussionen geführt, über die Attraktivität und Wahrnehmung des Arbeitsmarktes in ganz Österreich, und für spezifische Teile des Arbeitsmarktes, wie zum Beispiel den Bereich Digitalisierung. Da geht es nicht darum, ob sich ein Unternehmen in Villach befindet, im Inntal, im Rheintal, oder in Wien, sondern eher darum, ob die Fachkraft nach Berlin, Amsterdam, oder nach Österreich geht.

Deshalb ist natürlich eine gewisse Sichtbarkeit durch Konzentrierung sinnvoll, weil man dann die Chance hat, die Leute anzuziehen. Ich verstehe das durchaus. Wenn eine Fachkraft sich aussuchen kann, wo sie hingeht, dann geht sie lieber an einen Ort, bei dem sie weiß, sollte etwas bei diesem Arbeitgeber nicht klappen, dann kann sie am gleichen Ort relativ rasch einen adäquaten Job finden, weil dort fünf oder zehn große Unternehmen in ihrem spezifischen Fachbereich tätig sind. Wenn sie in den ländlichen Raum geht und weiß im Umkreis von 100 Kilometern gibt es keine andere Firma oder kein anderes Unternehmen, das ihr anbieten kann was sie möchte, dann weiß sie, sie muss umsiedeln, wenn es nicht klappt. Das ist einfach so.

Österreich ist feinstrukturiert und wird vielleicht nie diese Strahlkraft nach außen haben, außer vielleicht Wien. Aber selbst Wien wird im Digitalisierungsbereich, das muss man ganz offen sagen, nicht so wahrgenommen, wie das bei Berlin, London oder Amsterdam der Fall ist.

Ist seitens des Arbeitsministeriums etwas an spezifischen Maßnahmen oder Programmen für ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im ländlichen Raum vorgesehen?

Die Richtlinien des AMS sind ein wichtiger Aspekt, denn da geht es um die Älteren. Aber nicht nur in den Förderrichtlinien des AMS. Ich habe kürzlich ein Programm vorstellen dürfen, das seit vier Jahren läuft, aber gar nicht so bekannt ist, wie es sein sollte, die sogenannte Demografie-Beratung.

Das ist ein Projekt des Bundesministeriums für Arbeit und des europäischen Sozialfonds, die es jeweils zu fünfzig Prozent finanzieren. Da können Unternehmer gratis eine Beratung in Anspruch nehmen, wie man es schafft das Unternehmen altersgerecht und alternsgerecht zu gestalten, und vor allem, wie man es schafft, dass ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer - und die werden aufgrund der Demographie immer mehr - länger im Betrieb zu halten. Das wurde in den letzten vier Jahren von 1.700 Unternehmen genützt.

Dazu gibt es auch schöne Beispiele aus dem ländlichen Raum, vom Gasthaus bis hin zu größeren Betrieben. Das ist ein gutes Beispiel dafür, wie man unterstützen und den Anstoß geben kann. Letztlich haben alle gesagt, sie hätten das auch von sich aus getan, wenn sie gewusst hätten, wie gut das funktioniert und wie stark es dazu geführt hat, dass man Menschen länger im Betrieb halten konnte.

Ein Satz noch zum Weiterbildungsbereich: Die EU hat beim Gipfel der Staats- und Regierungschefs in Porto ein Ziel beschlossen, das in Österreich gar nicht so bekannt ist. Nämlich, dass sechzig Prozent aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einmal im Jahr eine Fortbildung machen sollen. Das ist ein Ziel, das extrem ambitioniert ist. Wir sind in Österreich weit davon entfernt. Es wird eine große gesellschaftliche Herausforderung werden, das bis 2030 umzusetzen. Das hat nicht mit dem ländlichen Raum per se zu tun, aber es wird die Infrastruktur dafür geben müssen. Nicht alles wird digital lösbar sein. Das ist sehr wichtig, um das Problem beheben zu können, dass wir viele Arbeitskräfte haben, die nicht mehr den Anforderungen er modernen Zeit entsprechen, was ihre Qualifikation betrifft.

Der „Masterplan Ländlicher Raum“ war ein Bottom-up-Prozess. Unabhängig ob man die Inhalte, die herausgekommen sind, für politisch gut oder schlecht hält, wurde in den Gemeinden begonnen, bei Veranstaltungen niedrigschwellig Meinungen dazu zu sammeln. Wo sehen Sie Anknüpfungspunkte, bei denen Bürgerinnen und Bürger sich einbringen können?

Ich habe vor, jetzt wo es wieder geht, viel stärker in den Bundeländern unterwegs zu sein. Es gibt immer wieder Beteiligungsprozesse in den verschiedensten Bereichen. Wir haben das nie im Bereich des Arbeitsmarktes so gemacht, weil es gar nicht so einfach ist, eine österreichweite Arbeitsmarktstrategie zu machen. Regional und auf Bundesländerebene geht das eher, und manche Bundesländer sind dahingehend ja sehr aktiv. Tirol hat gerade so eine Strategie entwickelt, und Oberösterreich hat auch soetwas gemacht.  

Angenommen ich würde Ihnen ganz klassisch Stift und Papier geben, und sagen: Zeichen Sie „ländlicher Raum“. Was würden sie zeichnen?

Ich würde eine Naturlandschaft zeichnen. Ich glaube, das ist ein Punkt, den viele mit dem ländlichen Raum verbinden, und was den Raum auch sehr attraktiv macht. Wald, Berge, ein See, einfach unberührte Natur ist, was ich direkt damit assoziieren würde.

Mir schien das eine schöne Schlussfrage zu sein, denn wir Menschen ticken in Bildern. Wir haben vor dem geistigen Auge ein Bild, das wir abrufen. Diese Bilder können extremst unterschiedlich sein. Der ländliche Raum kann auch in Klischees abgleiten. Die schöne Natur ist ein wichtiger Punkt lässt aber vielleicht andere Bilder, die für den Wirtschaftsstandort wichtiger wären zu betonen, in den Hintergrund treten.