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Die Einheimische mit Herz für Zweitheimische
Steinbach am Attersee ist der sonnigste Ort im Salzkammergut. Das behaupten zumindest die Steinbacher selbst. Sonnig ist zweifellos auch Nicole Eders Gemüt als die Bürgermeisterin mit KOMMUNAL über ihre Heimatgemeinde spricht. Die 49-jährige Mutter von zwei Kindern ist seit bald neun Jahren im Amt und bekleidet dieses als erste Frau überhaupt in Steinbach.
Als Steinbacher Ureinwohnerin kennt sie ihren Ort seit frühster Kindheit, ist hier aufgewachsen und tief verwurzelt. Gelernt hat sie ursprünglich Friseurin und hat auch leidenschaftlich gerne als solche gearbeitet. Zu Hause war Politik immer ein Thema und schon Eders Vater hat sich politisch engagiert und war selbst Gemeinderat.
„Demokratische Werte hatten bei uns in der Familie immer eine große Bedeutung“, erinnert sich die Bürgermeisterin zurück. Naheliegend, dass auch die junge Nicole ein besonderes politisches Interesse entwickelte. Als sie bereits im Gemeinderat saß, verkündete ihr Amtsvorgänger, nach zehnjähriger Tätigkeit aufhören zu wollen, und überließ der Fraktion alle weiteren Entscheidungen, ohne sich dahingehend noch einzumischen. „Ich war damals die einzige Frau und meine Herren meinten: Das ist etwas für dich!“, erinnert sich Eder schmunzelnd zurück „Im ersten Moment dachte ich, die spinnen!“
Ein Sprung ins kalte Wasser
Nach dreiwöchiger Überlegung entschloss sich Eder allerdings tatsächlich für das Amt, und krempelte ihr Leben somit vollkommen um. Ihr Sohn war zu der Zeit gerade einmal fünf Jahre alt. Doch mit der Unterstützung ihres Lebenspartners und ihrer Eltern wagte sie den Schritt. Zumindest vorläufig, ein halbes Jahr lang, denn im Herbst stand die Wahl durch die Bevölkerung an.
„So wurde bei mir das Feuer entfacht“, bekennt Eder rückblickend. Über ihre anfänglichen Ängste und Bedenken kann sie heute nur mehr lachen: „Es war ein Sprung ins kalte Wasser. Viel kälter als der Attersee es je sein könnte. Aber mein Leitspruch lautet: Wenn man will, dann findet man einen Weg, und wenn man nicht will, dann findet man einen Grund, etwas nicht zu tun.“ Als optimistischer Mensch, erläutert sie weiter, müssten immer Wege gefunden werden, damit etwas gelingt, und nicht, damit etwas verhindert wird. Das sei auch ihr Ansatz in der Politik. Eder wurde übrigens von der Bevölkerung fulminant im Amt bestätigt und machte sich sogleich daran, die Dinge im Ort anzupacken.
Stolz ist sie etwa darauf, gemeinsam mit dem Gemeinderat Baulandsicherungsverträge abgeschlossen zu haben, denn neu zu widmende Flächen sind ein heikles Thema geworden.
„Es gibt in Steinbach zwar gewidmete Baugründe, die historisch gewachsen sind, aber die sind in privater Hand und werden am freien Markt verkauft – zu Preisen, die für einen normalen Arbeiter, so wie es auch ich in meinem Vorleben war, unleistbar geworden sind. So viel kann man gar nicht erben, als dass man auf erworbenen Grund auch noch ein Haus drauf bauen könnte“, kennt Eder die Realität.
Ab 2018 gelang es in zwei Etappen, Flächen von ruhend gestellten Landwirtschaften als neue Baulandreserven zu sichern, damit auch junge Einheimische eine reelle Chance haben, sich in ihrem Heimatort etwas aufzubauen.
VfGH-Urteil zu Kanal- und Wassergebühren für Zweitwohnsitzer
Steinbach war unlängst in den Medien, weil der Verfassungsgerichtshof die Kanal- und Wassergebühren als rechtswidrig gekippt hat. Konkret stieß er sich an einer vorgegebenen Mindestabnahmemenge, die zu bezahlen war, und zwar nicht nur von Hausbesitzern, sondern auch von Wohnungseigentümern, nicht aber von Mietern. Das galt auch für Zweitwohnsitze. Und von denen hat Steinbach besonders viele. Tatsächlich stehen rund 900 Hauptwohnsitze über 1.100 Zweitwohnsitzen gegenüber. Als Fehler sieht Eder die Einführung dieser Gebühren grundsätzlich aber nicht.
So viel kann man gar nicht erben, als dass man auf erworbenen Grund auch noch ein Haus bauen könnte.“ Nicole Eder über die teils exorbitanten Grundstückspreise in Steinbach am Attersee
„Der VfGH hat uns bestätigt, dass es zulässig ist, Mindestgebühren und Quadratmetergebühren einzuheben.“ Das Problem bestand darin, dass es zuvor praktisch keine Eigentumswohnungen, sondern nur Häuser in Steinbach gab. Erst durch die Baulandsicherung kamen Eigentumswohnungen dazu, die man gleich behandelt wissen wollte. Nun wird man sich in Steinbach bemühen, eine faire Lösung für alle zu finden, die im Einklang mit dem VfGH-Entscheid steht und keine Steinbacher bevorzugt oder benachteiligt. Egal ob sie Einheimische oder Zweitheimische sind.
Zweitheimische nennt Eder nämlich die Nebenwohnsitzer: „Ich habe hundertprozentig nichts gegen Nebenwohnsitze. Das ist eine historische Geschichte bei uns. Um die Jahrhundertwende haben sich viele Künstler und Leute aus der Stadt angesiedelt. Deren Grundstücke waren für die Bauern, die sie ihnen verkauft haben, auch kaum zu gebrauchen“, weiß Eder und schildert ihre eigene Situation:
„Heute habe ich das Glück, direkt am See auf dem Grundstück meiner Eltern zu wohnen. Mein Großvater, der Maurer war, hat den Grund einst ähnlich wie die Zweitheimischen vom Nachbarn gekauft. Den Badeplatz zwischen Straße und Ufer hat er damals dazunehmen müssen, sonst hätte er den Bauplatz gar nicht bekommen. Damals war das wertloser Grund, die Leute konnten ja nicht einmal schwimmen.“
Viele Zweitheimische gibt es in Steinbach schon seit über hundert Jahren. „Das sind Freunde und wir freuen uns immer, wenn sie kommen. Die haben bei uns eben eine zweite Heimat“, stellt Eder klar.
Für die Ertragsanteile sind die Zweitwohnsitze dennoch ungünstig. Und große Betriebe, die die Gemeindefinanzen aufbessern könnten, gibt es auch nicht. Aber zumindest der Tourismus liefert etwas an Abgaben für die Gemeinde. Irgendwo zwischen Tourismus, Zweitheimischen und einem ewigen Bekenntnis zur Gemeinde sind auch die großen Namen des Ortes anzusiedeln.
„Friedrich Gulda hat hier gewohnt und liegt bei uns am Friedhof, vis-à-vis von meinem Familiengrab. Dem zünd ich immer ein Kerzerl an, wenn ich hinkomme“, erzählt die Bürgermeisterin, die selbst begeisterte Hobbymusikerin ist. Gustav Mahler war auch hier. Sein Komponier-Häuschen steht noch heute, direkt am Wasser auf dem Gelände des Hotels Föttinger. Hier hat er den Großteil seiner zweiten Symphonie und die dritte Symphonie zur Gänze komponiert, während er über mehrere Jahre die Sommermonate hier verbrachte. Viele meinen, man könne die Seenlandschaft in seinen Kompositionen klangmalerisch wiedererkennen.
Teil der Kulturhauptstadt-Region
Steinbach ist zweifelsohne ein Kunstdorf. Nicht nur der berühmten Musiker wegen. Zahlreiche Künstler ließen sich hier nieder. Im Ortszentrum gibt es permanent Ausstellungen heimischer Künstler.
Eders Vorgänger war schon kunstaffin und sie selbst ist es nicht minder. Als sie hörte, dass sich Bad Ischl als Kulturhauptstadt bewirbt, war ihr klar: Da muss Steinbach auch dabei sein. Und das ist es jetzt auch. Zusammen mit Unterach sind die beiden Gemeinden am Attersee Teil der diesjährigen Kulturhauptstadt-Region. Deren Thema lautet „Salz.Wasser“. Dazu kann Steinbach einiges beitragen. Hier steht nämlich ein akribisch nachgebauter Hallholzaufzug. Mit solchen wurde früher Holz ins innere Salzkammergut befördert, als die dortigen Holzvorkommen rar wurden. Dadurch bestand seit jeher eine enge Verbindung zum inneren Salzkammergut und zu Bad Ischl.
Am 1. Juni gibt es im Rahmen des Kulturhauptstadtjahres ein großes Konzert in Steinbach – natürlich mit Mahlers Werken und unter anderem auch einem Konzert von Gulda, das dieser als Liebeserklärung an das Salzkammergut tituliert hat. Das Konzert findet in der ehemaligen Sporthalle statt, die nun in Steinbachhalle umbenannt wurde. Die gut ausgelastete Sporthalle wurde schon bisher als wetterfester Zeltersatz für Veranstaltungen genutzt. Ihr Manko war aber eine miserable Akustik.
Eder nimmt den Großevent der Kulturhauptstadt zum willkommenen Anlass, die klangliche Situation der Halle im Zuge eines LEADER-Projekts zu verbessern und ihre Nutzbarkeit als Veranstaltungsort nun entscheidend zu erweitern. Und auch über einen weiteren positiven Nebeneffekt der Kulturhauptstadt freut sie sich: „Wir Bürgermeisterinnen und Bürgermeister waren vorher miteinander bekannt, aber jetzt sind wir und die Dörfer untereinander Freunde geworden. Das schweißt uns zusammen. Und das, finde ich, ist der größte Erfolg. Denn das Salzkammergut ist schon eine ganz eigene Region.“
Ihr allergrößter Stolz hat aber nichts mit der Kulturhauptstadt zu tun. Dabei handelt es sich nämlich um den Sternenpark. Als die Straßenbeleuchtung in der Gemeinde umgestellt werden musste, begann die Vollzeit-Bürgermeisterin zu recherchieren und wurde so auf das Thema Lichtverschmutzung aufmerksam.
Nach erfolgloser Hilfesuche beim Ministerium fand sie schließlich beim Land Oberösterreich einen kompetenten Ansprechpartner. Auf dessen Anregung hin stellte Eder nicht nur die Beleuchtung um, sondern machte die Region Attersee-Traunsee gleich zum ersten und bis heute einzigen zertifizierten Sternenpark Österreichs. Das über 100 km² große Nachtlandschaftsschutzgebiet mit dem Ziel, die natürliche Dunkelheit des Nachthimmels zu erhalten, dient heute als Vorbild für weitere Sternenparks. Gut möglich, dass das Kaunertal dem Beispiel Steinbachs bald folgen wird.
Zur Person
Nicole Eder
Alter: 49
Gemeinde: Steinbach am Attersee
Einwohnerzahl: 907 (Jänner 2023)
Bürgermeisterin seit: April 2015
Partei: ÖVP