Gemeindetag
Ein Großteil der österreichischen Staatsspitze war bei der Haupttagung des 67. Österreichischen Gemeindetages vertreten. Neben Bundespräsident Alexander Van der Bellen, Bundeskanzler Sebastian Kurz und den Regierungsmitgliedern Klaudia Tanner, Elisabeth Köstinger, Karl Nehammer, Gernot Blümel und Magnus Brunner nahmen unter anderem auch Bundesratspräsident Peter Raggl, Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner und Südtirols Landeshauptmann Arno Kompatscher teil.

Das war der 67. Österreichische Gemeindetag

„Wahnsinn, da ist jo fast de ganze Bundesregierung.“ Diesem Ausspruch eines Delegierten zum Gemeindetag ist nichts hinzuzufügen. Der 67. Österreichische Gemeindetag und die Kommunalmesse wiesen eine VIP-Dichte an hohen Politikern auf, die es sonst nur bei Regierungsklausuren gibt. In dieser Ausgabe von KOMMUNAL lesen Sie alles, was am Gemeindetag besprochen wurde und was auf der Kommunalmesse passiert ist.

Der 67. Österreichische Gemeindetag startete in Tulln mit der Haupttagung der Kommunalvertreter Österreichs. Zahlreiche Politikerinnen und Politiker aus Bund und Ländern folgten der Einladung des Präsidenten des Österreichischen Gemeindebundes zum Hochfest der Kommunalpolitik. „Es ist ein schönes und auch wichtiges Zeichen der Wertschätzung für unsere tägliche Arbeit, dass die Spitzen der Republik den Gemeinden die Ehre erweisen“, sagte Gemeindebund-Präsident Alfred Riedl bei seiner Begrüßung. Unter den Gästen bei der Haupttagung waren unter anderem Bundespräsident Alexander Van der Bellen, Bundeskanzler Sebastian Kurz, die Regierungsmitglieder Klaudia Tanner, Elisabeth Köstinger, Gernot Blümel, Karl Nehammer und Staatssekretär Magnus Brunner sowie die Landeshauptleute Johanna Mikl-Leitner und Arno Kompatscher.

Die Corona-Pandemie war und ist auch für die Gemeinden eine herausfordernde Situation. „Die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister haben auch hier Verantwortung übernommen und gezeigt, dass auf die Gemeinden besonders in Krisenzeiten Verlass ist“, so der Gemeindebund-Präsident. Die Gemeinden haben klar gezeigt, wie Krisenmanagement vor Ort funktioniert und dabei laufend informiert, erklärt, unterstützt sowie Test- und Impfstraßen organisiert.

Hilfspakete schaffen neue Lebensrealität

„Kein Gemeindetag ohne Gemeindefinanzen“, sagte Riedl und ging in seiner Rede weiter auf die finanziellen Sorgen der Gemeinden ein. „Gleich zu Beginn der Pandemie war uns allen klar, dass die Gemeinden Hilfe vom Bund brauchen, um die lokale Wirtschaft am Leben zu erhalten. In intensiven Verhandlungen haben wir schließlich zwei Hilfspakete bekommen. Heute sehen wir: Die Wirtschaft in den Regionen brummt und die Hilfen des Bundes und der Länder sorgen für neue Kindergärten, Schulen, Fotovoltaikanlagen und sanierte Straßen. Kurz gesagt: Die Hilfspakete schaffen neue Lebensqualität für unsere Bürgerinnen und Bürger“, so Riedl in Richtung Bundesregierung und Ländervertreter. Klar sei aber, dass die Krise noch nicht überwunden ist und der Gemeindebund weiterhin gemeinsam mit der Bundesregierung die finanzielle Situation der Kommunen im Blick haben wird.

„Bei allen Sorgen und Problemen, die uns die Pandemie gebracht hat, hat sie doch in manchen Bereichen unser Leben ein Stück zum Positiven verändert“, fand Riedl eine gute Überleitung zu den Themen Digitalisierung und ländlicher Raum. „Hätten wir vor der Pandemie ein politisches Programm zu Homeoffice und Co. diskutiert, wären wir im Jahr 2030 nicht dort angekommen, was wir nun in nur drei Wochen geschafft haben. Homeoffice ist gekommen, um zu bleiben, und schafft damit auch neue Chancen und Perspektiven für Gemeinden im ländlichen Raum. Nun geht es darum, rasch den Glasfaserturbo zu zünden, um alle Regionen digital fit für die Zukunft zu machen“, so Riedl.

Klimaschutz in DNA der Gemeinden

Das Motto des 67. Österreichischen Gemeindetages lautete selbstbewusst „Unsere Gemeinden – Pioniere des Fortschritts“. Viele Gemeinden haben in den letzten Jahrzehnten schon zahlreiche kleinere und größere Klimaschutzprojekte umgesetzt, wie etwa  LED-Umstellung, Fotovoltaik-Ausbau, ökologische Grünraumpflege und auch E-Mobilität. „Wir haben uns schon für Klimaschutz und Nachhaltigkeit stark gemacht, als es noch keine Freitagsdemos gab. Daher brauchen wir uns auch nicht verstecken, sondern können mit erhobenem Haupt sagen: Nachhaltigkeit und Klimaschutz sind in der DNA der Gemeinden fest verankert“, erklärte Alfred Riedl.

Der Präsident nutzte auch die Gelegenheit, die aktuelle Diskussion zum Bodenverbrauch anzusprechen, und betonte: „Wer, wenn nicht die lokale Gemeinschaft soll vor Ort entscheiden: Will ich das oder will ich das nicht? Wir setzen uns ganz klar gegen Zentralisierungstendenzen zur Wehr. Wir dulden keinen Angriff auf unser Selbstbestimmungsrecht.“ Klar sei, dass es keine Flächenwidmung in Österreich gebe, wo nicht die Länder mitreden und mitentscheiden. Gleichzeitig verwies der Gemeindebund-Präsident auf das am Vortag beschlossene Positionspapier zum Bodenverbrauch.

Bundespräsident Alexander Van der Bellen
Bundespräsident Alexander Van der Bellen: „Die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister sind die Manager des guten Zusammenlebens.“

Städte und Gemeinden sind Vorreiter, wenn es um die Bewältigung von Krisen und großen Aufgaben geht. Bundespräsident Alexander Van der Bellen zeigte sich als treuer Gast bei den Gemeindetagen zunächst tief beeindruckt von der Arbeit der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister für ihre Bürgerinnen und Bürger. In den letzten Monaten hat er auch über Videokonferenzen den regelmäßigen Kontakt zu den Ortschefs gesucht. „Wesentliche Sorgen waren dabei immer die Kindergärten, Schulen, Pflegeheime in der Covid-Pandemie, aber auch das Ehrenamt. Das Vereinsleben ist während der Pandemie vielfach zum Stillstand gekommen. Doch alle Gemeinden leben vom Miteinander in den Vereinen“, so der Bundespräsident. Gerade gesellschaftliche Verstimmungen und aggressive Debatten belasten die Bürgermeister.

„Mich beeindruckt die Lösungskompetenz der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister jedes Mal aufs Neue. Sie sind die Manager des guten Zusammenlebens“, so der Bundespräsident. Beim Klimaschutz gehe es darum, die Menschen vor den Auswirkungen des Klimawandels zu schützen. Dafür brauche es die Zusammenarbeit aller.

Kurz: „Gemeinden können sich auf uns verlassen.“

Die enge Partnerschaft zwischen Bund und Gemeinden unterstrich Bundeskanzler Sebastian Kurz. „Die Gemeinden leisten in vielen Bereichen ihren Beitrag. Mit der Unterstützung der Kommunen haben wir eine Testinfrastruktur auf die Beine gestellt, um die uns die ganze Welt beneidet“, so Kurz. Bürgermeisterinnen und Bürgermeister sind den Bürgerinnen und Bürgern am nächsten und damit starke Partner vor Ort. „Die Bundesregierung kann sich auf die Gemeinden immer verlassen, deswegen ist es auch wichtig, dass die Gemeinden wissen, dass sie sich auf uns verlassen können“, so der Bundeskanzler.

Sebastian Kurz
Bundeskanzler Sebastian Kurz: „Es ist wichtig, dass die Gemeinden wissen, dass sie sich auf uns verlassen können.“

Er appellierte auch an die rund 1.500 anwesenden Gemeindevertreterinnen und Gemeindevertreter, bei den anstehenden Herausforderungen an einem Strang zu ziehen, wenn es um die Steigerung der Impfquote, die wirtschaftliche Entwicklung und die anstehende ökosoziale Steuerreform geht. Die unterschiedlichen Lebensrealitäten der Menschen müssen auch weiter bei Gesetzen und Entscheidungen berücksichtigt werden.

Mikl-Leitner: „Bürgermeister sind offen für Neues.“

Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner betonte in ihrer Begrüßung, dass „die großen Herausforderungen immer dann am besten bewältigt werden, wenn alle an einem Strang ziehen. Die Partnerschaft zwischen Bund, Ländern und Gemeinden hat gerade in der Krisenzeit hervorragend funktioniert.“ In Bezug auf die Unterstützungspakete für die Gemeinden betonte die Landeshauptfrau, dass die Hilfspakete größtmögliche Planungssicherheit brachten.

Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner
Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner: „Die Gemeinden sind der wesentliche Faktor für die erfolgreiche Entwicklung der Heimatregionen.“

„Die Wirtschaftsprognosen sind positiv, die Arbeitslosigkeit sinkt und Wachstum sorgt für Aufschwung, den wir für die vielen Zukunftsherausforderungen, von Mobilität und Klimaschutz über Digitalisierung bis hin zur Gesundheit und Pflege brauchen. Es gibt noch viel zu tun“, so die Landeshauptfrau.

Im Kampf gegen den Personalmangel bei Gesundheit und Pflege ­formulierte Mikl-Leitner mit dem Wunsch nach mehr Studienplätzen für Medizin eine wichtige Bitte aller Länder an den Bund. „Die Gemeinden sind der wesentliche Faktor für die erfolgreiche Entwicklung der Heimatregionen. Die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister müssen dabei offen sein für Neues, innovative Konzepte vorlegen und auch umsetzen“, so die Landeshauptfrau.

Südtirols Landeshauptmann Arno Kompatscher als Vertreter des Ausschusses der Regionen brachte auch die europäische Perspektive in die Debatte ein. Die Gemeinden haben in Europa eine wichtige Rolle.

Landeshauptmann Arno Kompatscher
Südtirols Landeshauptmann Arno Kompatscher: „Gerade auf der Gemeindeebene finden die großen Pläne und Leitbilder, wie etwa der Green Deal der EU, ihre Übersetzung in den Alltag.“

„Gerade auf der Gemeindeebene finden die großen Pläne und Leitbilder, wie etwa der Green Deal der EU, ihre Übersetzung in den Alltag. Es ist die Gemeindeebene, wo es sich entscheidet, ob es gelingt, die Ziele umzusetzen“, so Kompatscher. 70 Prozent des EU-Rechts und der Gesetze werden auf Gemeindeebene umgesetzt und 90 Prozent der Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel müssen auf Gemeinde- und regionaler Ebene gesetzt werden.

Minister loben kommunales Engagement

Die anwesenden Ministerinnen und Minister erläuterten in ihren Ansprachen die enge Kooperation ihrer Ressorts mit den Gemeinden.

Verteidigungsministerin Klaudia Tanner dankte den Gemeinden für die enge Partnerschaft. „Nicht nur in der Pandemie, sondern auch bei den vielen Katastrophen um uns herum ist das Bundesheer immer wieder zur Stelle“, so Tanner. Die Gefahr eines Blackouts sei gegeben. „Die Frage stellt sich nicht ob, sondern wann es ein Blackout geben wird. Gemeinsam mit den Gemeinden und den Blaulichtorganisationen wollen wir uns deswegen so gut wie möglich vorbereiten“, so die Ministerin.

Finanzminister Gernot Blümel
Finanzminister Gernot Blümel: „Die Gemeinden sind Konjunkturmotoren, Arbeitgeber und somit unerlässliche Partner auf unserem Weg aus der Krise.“

Finanzminister Gernot Blümel gab den Gemeinden seine Lehren aus der Krise mit auf den Weg. „Mit ihren Investitionen vor Ort sichern unsere Gemeinden unzählige Arbeitsplätze in ganz Österreich. Sie sind Konjunkturmotoren, Arbeitgeber und somit unerlässliche Partner auf unserem Weg aus der Krise. Für uns war daher immer klar, dass wir die Gemeinden nicht im Stich lassen. Die vor einem Jahr gemeinsam ins Leben gerufene Gemeindemilliarde zur finanziellen Förderung kleiner und großer kommunaler Projekte hat sich als Förder­instrument bewährt“, so Blümel. Er lobte auch Gemeindebund-Präsident Alfred Riedl als starken Interessensvertreter seiner Gemeinden.

Innenminister Karl Nehammer betonte die gute Zusammenarbeit zwischen den Gemeinden und der Polizei in Fragen der Sicherheit. „Österreich zählt zu den sichersten Ländern der Welt, aber die Polizei alleine wäre nicht in der Lage, die vielen Herausforderungen alleine zu stemmen. Sicherheit entsteht dann, wenn alle das gemeinsame Interesse haben, dass man sich zu Hause sicher fühlen kann“, so der Minister. Mit dem Projekt „Gemeinsam.Sicher“ tausche man sich eng aus und definiere gemeinsam vor Ort neue Sicherheitsschwerpunkte.

Karl Nehammer
Innenminister Karl Nehammer: „Sicherheit entsteht dann, wenn alle das gemeinsame Interesse haben, dass man sich zu Hause sicher fühlen kann.“

Tourismusministerin Elisabeth Köstinger legte den Fokus auf den ländlichen Raum. „Unsere Regionen und Gemeinden können ein Schlüssel für den Kampf gegen den Klimawandel sein“, so Köstinger. Vor allem die Land-, Forst- und Wasserwirtschaft leistet in den ländlichen Regionen bereits jetzt schon einen entscheidenden Beitrag und wird auch in Zukunft Teil der Lösung sein. Tourismus ist einer der Hauptfaktoren, wenn es um Arbeitsplätze in den Regionen und Gemeinden geht.

Im Herbst startet Köstinger ihre Dialogtour durch die Bundesländer, um die vielen erfolgreichen Beispiele aus den Gemeinden zu sammeln. Zum aktuell wichtigen Thema Bodenverbrauch betonte die Ministerin, dass es akuten Handlungsbedarf gebe und alle intensiv gefordert seien, aber: „Ich verwehre mich dagegen, die Kompetenz der Widmung zentral in Wien anzusiedeln. Raumordnung und Flächenwidmung muss weiter Aufgabe der Gemeinden bleiben. Gemeinsam werden wir aber Lösungen finden und erarbeiten.“

Elisabeth Köstinger
Tourismusministerin Elisabeth Köstinger: „Gemeinden können ein Schlüssel für den Kampf gegen den Klimawandel sein.“

Staatssekretär Magnus Brunner nannte die Klima- und Energiewende als größte Herausforderung. Bei allen Innovationen müsse man die Lebensrealität der Menschen im Blick haben und praxistaugliche Lösungen finden. Außerdem müssten Entscheidungen auch schneller getroffen werden, damit auch Projekte rasch umgesetzt werden können.