Ländliche Gegend von oben
Über einen neuen Bodenfonds sollen Gemeinden Geld erhalten, um selbst Grund kaufen zu können. Neue Bauparzellen sollen auf bestimmte Größen beschränkt werden, Parkplätze ab einer bestimmten Anzahl von Autos als Tiefgaragenplätze angelegt oder mit Photovoltaikmodulen überdacht werden.
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Gemeindebund

Das steht im Kommunalen Bodenschutzplan

24. September 2024
Nach sechsmonatiger Diskussion hat der Bundesvorstand des Gemeindebundes einen Kommunalen Bodenschutzplan beschlossen. Festgehalten ist darin unter anderem, dass Freiflächen gespart, vorhandenes Bauland genutzt und Ortskerne dichter bebaut werden sollen. Zudem sollen leerstehende Gebäude verwendet werden. Weiters soll Bauland rückgewidmet werden, wenn es innerhalb von fünf bis zehn Jahren nicht bebaut wird. Gleiches gilt demnach bei einer Gefährdung durch Hochwasser, oder wenn der Grund für die Landwirtschaft gebraucht wird. Um der Zersiedelung entgegenzuwirken, sollen Siedlungsgrenzen verbindlich festgelegt werden. Abschließend will man konkrete Flächen festlegen, die gar nicht erst verbaut werden dürfen. Der Plan im Detail:

Der Dauersiedlungsraum ist in Österreich mit seinen hohen alpinen Flächenanteilen stark begrenzt und erfordert deshalb eine besondere Sorgfalt im Umgang mit der Ressource Boden. Eine bodensparende Raumplanung ist in einem Land mit einer steigenden Bevölkerungsentwicklung komplex. Waren es Anfang der 1960er Jahre noch rund 7 Millionen Menschen, so leben heute bereits mehr als 9 Millionen Menschen in Österreich. Die steigende Bevölkerungszahl verlangt nach zusätzlichem Wohnraum, Arbeitsplätzen, Schulen, Straßen etc. Zudem führt die steigende Anzahl an Single-Haushalten zu einer Zunahme der Wohnfläche pro Kopf.

Der Österreichische Gemeindebund bekennt sich mit den österreichischen Gemeinden dazu, mit der Ressource Boden sorgsam und verantwortungsvoll umzugehen. Jede Inanspruchnahme von Boden für die unterschiedlichsten Zwecke muss im Interesse der Gemeinde und der Bürgerinnen und Bürger vor Ort liegen. Klar ist: Die gesellschaftlichen Entwicklungen in den Gemeinden sowie die vielen Herausforderungen in Bezug auf Wohnen, Wirtschaft und Erneuerbare Energie werden aber auch in Zukunft Boden „brauchen".

Am 29. Februar 2024 haben die für Raumordnung zuständigen Landesräte bei ihrer Konferenz in Linz ein klares Signal gesetzt und die Bodenstrategie der ÖROK vom Stand Juni 2023 beschlossen. Damit gehen nun die Länder gemeinsam mit den Gemeinden und Städten in die inhaltliche Umsetzung der wichtigen Maßnahmen der Bodenstrategie.

Dazu brauchen die österreichischen Gemeinden einen praktikablen „Werkzeugkoffer". Denn Freiflächen bzw. Grünland zu sparen, bedeutet einerseits Altliegenschaften und brachliegendes Bauland zu mobilisieren, Ortskerne und Innenstädte zu verdichten und Leerstände zu füllen. Andererseits muss aber auch die Weiterentwicklung der Gemeinden und die individuelle Gestaltung des Lebens und der individuellen Lebensräume der Menschen möglich sein.

Der kommunale Bodenschutzplan richtet sich nach den geltenden Verfassungs- und insb. Kompetenzbestimmungen. Insbesondere die Planungs- und Widmungszuständigkeit der Gemeinden im Rahmen des eigenen Wirkungsbereichs gemäß Art 118 B-VG soll beibehalten bleiben und auch künftig sichergestellt sein. Die demokratisch gewählte Gemeinschaft vor Ort soll weiterhin unter Einhaltung aller gesetzlichen Vorgaben und überörtlicher Festlegungen entscheiden können, wie sich die Gemeinde entwickelt.

Der kommunale Bodenschutzplan sieht für den sorgsamen und verantwortungsvollen Umgang mit dem Boden folgende wesentliche Maßnahmenpakete vor:

  • Maßnahmen für einen sparsamen Umgang mit der Ressource Boden
  • Maßnahmen zu Flächenmanagement & effizienter Innenentwicklung
  • Maßnahmen zu steuerlichen Anreizen & Förderungen
  • Maßnahmen zur Bewusstseinsbildung und Weiterbildung

Während einzelne Maßnahmen durch die Gemeinden umzusetzen sein werden, ist es offensichtlich, dass bei vielen Maßnahmen nicht die Gemeinden (allein) zuständig sind, sondern die Umsetzungen durch andere - überörtliche - Partner erfolgen muss.

Dazu werden folgende Maßnahmen vorgeschlagen:

Maßnahmen für einen sparsamen Umgang mit der Ressource Boden

  • Erleichterungen für Rückwidmungen von Baulandüberhängen durch die Gemeinden
    • Reduktion von Baulandüberhängen, wenn
      • Widmungszweck innerhalb einer zu bestimmenden Frist nicht eintritt
      • Flächen aufgrund von Standortgegebenheiten für Bebauung ungeeignet sind (z. B. Hochwassergefährdung)
      • Flächen eine hohe landwirtschaftliche Wertigkeit aufweisen oder andere bedeutende Freiraumfunktionen (z. B. Kaltluftschneisen) erfüllen
      • außerhalb des geschlossenen Siedlungsverbandes liegen
    • Schaffung gesetzlicher Grundlagen für eine rechtssichere Rückwidmung
    • Mit einer grundsätzlichen Entschädigungsfreiheit
    • Wo eine entschädigungsfreie Rückwidmung aus rechtlichen Gründen nicht möglich ist, erfolgt eine Übernahme der Rückwidmungskosten durch die öffentliche Hand, wobei Gemeinden bei finanziellen Aufwendungen zu unterstützen sind
  • Raumplanungskompetenz der Gemeinden nicht beschränken, sondern durch Sanktionierungskompetenz stärken
  • Verbindliche Festlegung von Flächen, die künftig nicht bebaut bzw. geschützt werden sollen
    • Festschreibung von Siedlungsgrenzen
    • Ausweisung landwirtschaftlicher Vorrangflächen und zusammenhängender Grünzüge
    • Ausweisung von Zonen für Windkraft, Freiflächen-PV-Anlagen und Leitungsbau
      • Abgrenzungen jeweils im kommunalpolitischen Dialog
      • Verbindliche Festlegung in regionalen und überörtlichen Raumordnungsprogrammen
  • Konsequente Berücksichtigung der Anliegen des Bodensparens bei kommunalen Planungsentscheidungen
    • Stärkere Priorisierung des Flächensparens bei lnteressensabwägungen, insbesondere bei Widmungsentscheidungen
    • Vermeidung von Ausnahmebestimmungen für Bauvorhaben im Grünland, die nicht zwingend standort- oder nutzungsgebunden sind

Maßnahmen zu Flächenmanagement & effizienter Innenentwicklung

  • Vertragliche Bindung von Neuwidmungen (Vertragsraumordnung) bzw. Sicherung öffentlicher Verfügungsrechte
    • Zielgerichtete Anwendung der Vertragsraumordnung
    • Schaffung der Grundlagen für eine rechtssichere Rechtsdurchsetzung
    • Schaffung von Sanktionsmöglichkeiten bei Zuwiderhandeln
    • Zurverfügungstellung von Muster für die Abwicklung
    • Berücksichtigung besonderer Zielgruppen wie z.B. sozialer Wohnbau oder ortsansässige Bevölkerung
  • Aktives Flächenmanagement für Gemeinden:
    • Änderung der Grundverkehrsgesetze mit „Vorrangregeln" für die Gemeinden
    • Etablierung eines Bodenfonds zur „Vorfinanzierung" von strategischen Ankäufen durch die Gemeinden
    • Klärung von Möglichkeiten zur verbesserten Bodenbeschaffung bzw. Bodenverfügbarkeit für Gemeinden, etwa Debatte über die Inhalte des Bodenbeschaffungsgesetzes
    • Verbesserung der Möglichkeiten zur Mobilisierung von unbebautem Bauland (Baulandreserven)
      • Einführung eines Widmungszusatzes (z. B. ,,Bauerwartungsland")
        • Ähnliche Rechtswirkung wie Aufschließungszone: Vor Löschung des Widmungszusatzes „Bauerwartungsland" darf auf diesen Flächen nicht gebaut werden
        • Bebauung ist erst nach Freigabe durch die Gemeinde und Abschluss eines Raumordnungsvertrages zulässig
      • Festschreibung gesetzlicher Bebauungsfrist für Baulandgrundstücke
        • Bebauungsfrist von fünf bis zehn Jahren
        • Nach fruchtlosem Ablauf der Frist erfolgt Rückwidmung ohne Entschädigungsanspruch
        • Bebauungsfristen nicht nur bei neuen Baulandwidmungen, sondern auch bei bestehenden Baulandreserven
  • Schaffung kompakter Siedlungs- und Baustrukturen (,,Innen- vor Außenentwicklung")
    • Einschränkung neuer Baulandwidmungen
      • Vermeidung von Zersiedelung und Anbindung von neuem Bauland an bestehende Siedlungsbereiche
      • Berücksichtigung der infra- und siedlungsstrukturellen Standorteignung bei Neuwidmungen
      • Baulandausweisungen vorzugsweise nur, wenn keine geeigneten und verfügbaren innerörtlichen Baulandreserven bestehen
      • Intensivierung von Flächenrecycling und Nach- und Umnutzung von Leerstand und Brachflächen
    • Einführung von Regelungen mit Maximalgrößen von neuen Bauparzellen in Abhängigkeit von Bundesland, Ortsstruktur und Entwicklungszielen
      • Reduktion der Maximalgröße von Einfamilienhausparzellen
      • Berücksichtigung von örtlichen Gegebenheiten sowie Bewohnungs- oder Arbeitsplatzdichten
    • Verstärkte Vorschreibung von Anbauverpflichtungen und erhöhten Bebauungsdichten unter Berücksichtigung der jeweils örtlichen Gegebenheiten - Hinwirken auf qualitätsvolle und sozial verträgliche Dichten
    • Einführung einer Verpflichtung, dass Parkplätze ab einer bestimmten Anzahl an Stellplätzen entweder unterirdisch zu errichten oder wenn oberirdisch, in einem bestimmten Ausmaß mit Photovoltaik-Modulen zu überdachen sind
  • Widmung und Erweiterung von großflächigen Baulandnutzungen, insbesondere Betriebsgebieten, ab bestimmter Größe nur bei Gemeindekooperationen
     
    • Vorschlag von maximal 2 ha Mindestgröße für einzelgemeindliche Betriebsneugebietswidmung - über 2 ha nur mehr „interkommunal" - ausgenommen Betriebserweiterungen
    • Ausarbeitung von praxisnahen Modellen für interkommunale Zusammenarbeit, insbesondere bei der Ansiedelung von Betriebsgebieten
    • Aufteilung der Kommunalsteuer bei gemeinsamen Betriebsgebieten
  • Verpflichtung zur flächigen Oberflächenwasserversickerung oder -speicherung bei Neubauten
    • Gewährleistung der Versickerung, Retention und Verdunstung von Regenwasser in möglichst allen Siedlungsgebieten
  • Bereitstellung eines „Tools" zur Ermittlung realistischer Immobilienpreise (,,Immobilienpreisspiegel")
  • Attraktivierung von Sanierung bzw. Umbau von Bauten im Bestand
    • Unterscheidung in den Regelwerken zwischen Neubau und Bauen im Bestand
    • Reduzierung der Anforderungen z.B. hinsichtlich der bau- und gewerberechtlichen Regelungen und Normen sowie der damit verbundenen Spezialgesetze (insbesondere Denkmalschutz, Energieeffizienz, Brandschutz, Arbeitnehmerschutz)
    • Absehen vom Anforderungsniveau „Stand der Technik"
    • Abstellen auf die Errichtung bzw. Konsenswerdung des Bestandsgebäudes als Beurteilungszeitpunkt
  • Vermittlung der Kostenwahrheit hinsichtlich Bestandsanierung vs. Neubau
    • Bereitstellung eines „Preisvergleichsrechners"
  • Verbesserung der Informations- und Datengrundlagen
    • Einführung einer zentralen, digitalen Leerstandsdatenbank mit Echtzeitdaten
      • Jährliche Bereitstellung von 3D-Luftbilder an die Gemeinden
    • Systematische Erfassung der Flächen, die für Rückwidmungen in Frage kommen (,,Rückwidmungspotentiale"), sowie von Leerständen und brachliegenden Gewerbe- und Industriestandorten
    • Erfassung der Entsiegelungspotentiale in den Gemeinden

Maßnahmen zu steuerlichen Anreizen & Förderungen

  • Novellierung des Einkommensteuergesetzes
    • Entfall der lmmobilienertragsteuer bei aktiver Bodenpolitik durch Gemeinden
  • Reform der Grundsteuer
    • Einführung einer Grundsteuer C als Steuerungsinstrument
    • Liegenschaften mit Hauptwohnsitz sind weniger, jene mit Nebenwohnsitz höher und Wohneinheiten ohne Wohnsitz bzw. Baulandüberhänge am höchsten zu besteuern
  • Abgabe auf Baulandreserven, Wohneinheiten ohne Wohnsitz sowie nicht genutzte Betriebsobjekte
    • Berücksichtigung verschiedener Herausforderungen: Spannungsfeld „Touristische Region vs. Ländlicher Raum"
    • Erhalt von Gebäuden im ländlichen Raum als Zielsetzung
    • Als ausschließliche Gemeindeabgabe
    • Klare und praktikable Vollziehung
  • Förderung für Gemeinden bei der Mobilisierung von Wohneinheiten ohne Wohnsitz, untergenutzten Wohneinheiten und Baulandüberhängen
  • Förderung für Privatpersonen, Betriebe und Gemeinden für die Sanierung und Nutzung leerstehender Bestandsgebäude
    • Kriterien: Begründung eines Hauptwohnsitzes, Schaffung von Arbeitsplätzen etc. - zielorientiertes Fördermodell im Fokus
    • Verknüpfen mit einer verpflichtenden Bauberatung
  • Ausrichtung der Wohnbauförderung dahingehend, dass primär kompakte, flächen- und energiesparende Bebauungen gefördert werden
    • Förderung für verdichtete Bauformen (Doppelhaus, Reihenhaus)
    • Förderung qualitätsvoller und klimafitter Innen- und Nachverdichtung
  • Förderung für Privatpersonen zur Errichtung einer zweiten Wohneinheit im bestehenden Einfamilienhaus
    • Direktzuschuss mit klaren Bedingungen, wie etwa Begründung eines Hauptwohnsitzes für mindestens zehn Jahre
  • Förderung für Neuteilungspläne zur Reduktion von Einzelparzellengrößen
  • Höhere Förderung für PV-Anlagen und Flächenversickerung auf versiegelten Flächen im Vergleich zu Freiflächen-PV-Anlagen
  • Förderung für die Entsiegelung bereits versiegelter Flächen
  • Adaptierung des Altlasten-Fonds
    • Nach Möglichkeit Ankauf, Sanierung und Verwertung der kontaminierten Flächen durch den Altlasten-Fonds

Maßnahmen zur Bewusstseinsbildung und Weiterbildung

  • Etablierung einer Beratungspflicht für Gemeinden in Raumordnungsbelangen durch die Ämter der Landesregierungen bzw. dafür geeignete landesnahe Institutionen
  • Mehr Transparenz im Umwidmungsprozess
    • Öffentliche Debatte über Widmungen und Zweck der Widmung in der Gemeinde im Vorfeld erweitern
  • Vermittlung von Informationen und Best-Practice-Beispielen z. B. Bauen im Bestand,

Möglichkeiten der Innenverdichtung, Alternativen zum Einfamilienhaus und an verschiedene Lebensphasen angepasste Wohnformen an die breite Öffentlichkeit

  • Verstärkte Fokussierung auf den Umbau und die Sanierung des Gebäudebestandes in der Aus- und Fortbildung
  • Einrichtung einer Website für Gemeinden mit Informationen sowie Best-Practice­ Beispielen für eine bodensparende Raumplanung
  • Ausbau der Schulungs-bzw. Fortbildungsangebote in den Kommunalakademien sowie

Aufbau von Kooperationen der Kommunalakademien mit den Raumplanungsinstituten der Universitäten