
In Holland wird auf kommunaler Ebene nur der Gemeinderat vom Volk gewählt.
Bürgermeisteramt als Management-Job
Reisen, um sich weiterzubilden. Diesem Motto folgten rund 40 heimische Bürgermeister und besuchten die Niederlande, um sich einen Einblick ins Kommunalwesen des Landes zu verschaffen. Und erlebten dabei einige Überraschungen.
Einen guten Teil meines Gemeindegebietes würde es nicht geben, wenn nicht 24 Stunden am Tag die Pumpen laufen würden“, sagt Arnoud Rodenburg und zeigt fröhlich auf die malerischen Wiesenlandschaften, auf denen die Kühe weiden. Der 47-jährige Niederländer ist Bürgermeister von Midden-Delfland, einer – für holländische Verhältnisse – eher kleinen Gemeinde mit 18.000 Einwohnern, die zwischen Rotterdam und Den Haag liegt. Sein Gemeindegebiet ist durchzogen von einem Netz schiffbarer Kanäle, deren Wasserspiegel bis zu zwei Meter über dem Bodenniveau der Felder liegt, an denen wir mit dem Boot vorbeigleiten. An einer Biegung lässt er das Boot anhalten und zeigt nach Westen: „Bis in die 90er-Jahre war das alles hier ein See. Riesengroß, nicht besonders tief, aber ein See. Heute ist das Ackerland und Wiese und für uns nutzbar. Wir haben dieses Land dem Wasser abgerungen und müssen es auch heute noch ständig entwässern, damit es nutzbar bleibt.“

Bürgermeisteramt wird ausgeschrieben
Seit zwei Amtsperioden, also seit 2004, ist Rodenburg Bürgermeister seiner Gemeinde. Gelebt hat er lange Zeit in Rotterdam, der nächsten großen Stadt. „Ich war dort auch politisch aktiv, habe mich dann aber hierher beworben, als das Bürgermeisteramt ausgeschrieben wurde.“ Spätestens jetzt horchen die österreichischen Ortschefs auf. Ausgeschrieben? Das Bürgermeisteramt? „Es gab insgesamt 28 Bewerber/innen um diesen Job“, sagt Rodenburg. „Der Gemeinderat macht dann Hearings und wählt den aus, den er für am besten geeignet hält. Bei uns wird der Bürgermeister nicht vom Volk gewählt oder von einer politischen Partei bestimmt. Der Gemeinderat sucht ihn sich selbst aus, auch wenn es kein Einheimischer ist. Der Bürgermeister ist mit umfangreichen Befugnissen ausgestattet und nur dem Gemeinderat verantwortlich.“
Tatsächlich wird auf kommunaler Ebene nur der Gemeinderat gewählt. Er schreibt dann das Bürgermeisteramt aus und macht dem König bzw. dem Innenminister einen Dreiervorschlag. Die Bestellung erfolgt durch die Krone. „Meistens hält sich der König aber an den erstgereihten Vorschlag“, grinst Rodenburg. Er steht übrigens kurz vor der Verlängerung. „Wenn es keine gravierende Unzufriedenheit gibt, dann wird mich der Gemeinderat wohl noch einmal bestellen bzw. nicht neu ausschreiben.“ Dabei sind Wechsel in andere Gemeinden durchaus üblich. „Ich kenne Menschen, die waren schon in mehreren Gemeinden und Städten Bürgermeister/in“, sagen Rodenburg. „Der Wechsel in eine größere Stadt mit mehr Einwohnern wird hier als Karriereschritt und natürlich auch als Gehaltssprung gesehen.“ Das Einkommen niederländischer Bürgermeister ist mit jenem in Österreich vergleichbar. Rund 6500 Euro brutto verdient Rodenburg; auch in den Niederlanden orientiert sich das Einkommen an der Einwohnerzahl.
Insgesamt ist das niederländische Kommunalwesen doch deutlich anders als das österreichische organisiert. Zwölf Provinzen und nur 390 Gemeinden hat das Land, das mit 17 Millionen Einwohnern viel dichter besiedelt ist als Österreich. Die Menschen leben dabei seit Jahrhunderten eher geballt in den Städten. „Die ursprünglich 1200 kleinen Gemeinden wurden immer wieder einmal zusammengelegt. Daraus sind die heutigen 390 Gemeinden entstanden, die fast alle über 20.000 Einwohner haben.“
Länder gibt es nur auf dem Papier
Die Aufgaben der Kommunen sind nur zum Teil vergleichbar mit den Gemeindeaufgaben in Österreich. Die Ebene der Bundesländer (Provinzen) gibt es de facto nur auf dem Papier, deren Kompetenzen sind sehr eingeschränkt. „Im Wesentlichen teilen sich der Zentralstaat und die Kommunen die wichtigsten Aufgaben untereinander auf“, sagt Ruurd Palstra vom niederländischen Gemeindebund. Die Interessensvertretung der niederländischen Gemeinden (VNG) residiert übrigens in einer ehemaligen Kirche, in der damals die bis 2013 regierende Königin Beatrix noch getauft wurde. Nach dem Bericht der niederländischen Kollegen schnauft Gemeindebund-Chef Mödlhammer hörbar durch. „Der niederländische Gemeindebund hat fast 400 Mitarbeiter/innen. Wenn ich das mit unserem Personalstand von 12 Mitarbeiter/innen im Österreichischen Gemeindebund vergleiche, dann wird mir ganz anders.“
Für Pflichtschulen, Soziales, Dienstleistungen und Daseinsvorsorge sind auch in Holland die Kommunen zuständig. Dazu noch für die Polizei, ein großer Brocken in den kommunalen Haushalten. Staatliche Kinderbetreuung gibt es nicht. „Es gibt bei uns nur private Kinderbetreuungseinrichtungen und da liegt der Elternbeitrag bei 1000 bis 1500 Euro pro Monat“, erzählt die Dolmetscherin der Delegation. „Für normale Paare ist das sehr schwer leistbar.“ Dafür beginnt die (Vor)schulpflicht schon ab dem vierten Lebensjahr der Kinder. „Aber auch hier ist keine staatliche Nachmittagsbetreuung inkludiert oder vorgesehen. Man kann sich das nur privat organisieren.“ Eine Erkenntnis, die die österreichischen Bürgermeister zum Nachdenken bringt. „Bei uns gibt’s einen Volksaufstand, wenn die Leute nur einen Bruchteil dieser Beträge zahlen müssen“, sagt ein Bürgermeister.
Geld für Gemeinden kommt vom Staat
Ihre Einnahmen beziehen die niederländischen Gemeinden zum überwiegenden Teil aus Geldzuweisungen des Zentralstaates. „Über einen Kommunalfonds werden rund 20 Prozent der gesamtstaatlichen Einnahmen an die Gemeinden weitergegeben“, erklärt VNG-Steuerexperte Robbert Verkuuijlen. „Damit wird hauptsächlich die Infrastruktur in den Kommunen finanziert. Da sprechen wir von rund 30 Milliarden Euro pro Jahr. Darüber hinaus heben die Gemeinden eigene Einnahmen ein, wie eine Immobiliensteuer, eine Tourismusabgabe, Parkraumbewirtschaftung oder eine Grundaufschließung etc.“
Die größere Gemeindestruktur hat keinen messbaren finanziellen Effekt auf die Staatsausgaben oder die Beschäftigung im öffentlichen Dienst. Ganz im Gegenteil: Im OECD-Vergleich sind in Österreich rund 12 Prozent der Beschäftigen im öffentlichen Dienst angestellt. In den Niederlanden sind es rund 13 Prozent, allerdings gibt es dort keine öffentlichen Pflege- oder Kinderbetreuungseinrichtungen. Der OECD-Durchschnitt liegt bei rund 16 Prozent.