
Aufklärungsgespräche oder Verhandlungsrunden können heute in Videokonferenzen geführt werden.
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Auswirkungen der Corona-Krise auf Vergabeverfahren
Die aktuelle COVID-19-Situation schränkt nicht nur den persönlichen Lebensbereich von uns allen ein, sondern hat auch Auswirkungen auf laufende Vergabeverfahren.
Ein Gebot der Stunde ist die Prüfung der Erstreckung von Fristen im Vergabeverfahren – betroffen sind sämtliche Fristen von den Teilnahme-, Angebots- und Aufklärungsfristen bis hin zur Verschiebung von Terminen für Aufklärungsgespräche oder Verhandlungen.
Einschränkungen machen Fristerstreckungen notwendig
Nach § 68 BVergG gilt das Gebot der Angemessenheit der Fristen: Es muss Unternehmern also „ausreichend Zeit für die Vornahme der entsprechenden Handlungen“ eingeräumt werden.
Die durch das Corona-Virus verursachten Einschränkungen im Bürobetrieb wie Homeoffice werden in der derzeitigen Situation wohl im Regelfall eine entsprechende Erstreckung notwendig machen.
Digitalisierung ermöglicht Konferenzen
Freilich ist eine Abwägung im Einzelfall erforderlich. So muss insbesondere berücksichtigt werden, dass weite Strecken eines Vergabeverfahrens rein digital durchgeführt werden (müssen und können).
Zum Beispiel können Aufklärungsgespräche oder Verhandlungsrunden über digitale Tools wie Videokonferenzen – allenfalls mit verlängerter Vorbereitungszeit – problemlos durchführbar sein. Schwierigkeiten werden allenfalls Präsentationen im Rahmen der Angebotsbewertung bereiten. Hier wird es vor allem von den festgelegten Zuschlagskriterien und den eingesetzten Tools abhängen, ob eine Verschiebung bis nach Ablauf der Einschränkungen vorgenommen werden muss.
Regeln festlegen, wenn Videokonferenzen nicht möglich sind
Wichtig ist, in den Teilnahme- bzw. Ausschreibungsunterlagen Regeln festzulegen, was passiert, wenn die Videokonferenz nicht wie geplant funktioniert oder z. B. während der Präsentation zusammenbricht. Unsere Empfehlung wäre es, für diesen Fall eine „gewöhnliche“ Telefonkonferenz als Fallback-Variante vorzusehen.
Keine maximale Dauer eines Vergabeverfahrens
Das BVergG kennt keine maximale Dauer eines Vergabeverfahrens. Es räumt Unternehmern lediglich nach erheblicher Überschreitung der Zuschlagsfrist, wenn das Verfahren nicht in „angemessener Weise“ fortgeführt wird, die Möglichkeit eines Feststellungsantrages an das Verwaltungsgericht ein, welches dann ein Vergabeverfahren für beendet erklären kann.
Verschiebung der Fristen alleine rechtfertigt keinen Widerruf
Die Verschiebung der Fristen alleine rechtfertigt daher noch keinen Widerruf. Anders könnte sich die Situation freilich darstellen, wenn aus Gründen der budgetären Mehrbelastung – die auf die öffentlichen Haushalte zukommen wird – ein Widerruf in Erwägung gezogen wird.
Infos
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