Österreichs Gemeinden sind sehr verschieden. Dennoch arbeiten sie vielfach gut zusammen. NIcht aufs Spiel gesetzt werden darf die Eigenständigkeit und die selbstbestimmte Entwicklung der Gemeinden.
© Pixel Prophet - stock.adobe.com

Perspektiven

Wie Gemeinden die Zukunft in die Hand nehmen können

Treffender als Reinhard Fendrich in seinem Song „Nix is fix“ kann man die aktuelle Situation in Sachen „Energie, Technologie und Natur“ gar nicht ausdrücken. Einerseits nimmt die technologische Entwicklung rasant Kurs auf eine Zukunft, in der Energie und Technologie erneuerbar und umweltfreundlich sein wird. Und das Land soll „renaturiert“ werden und gleichzeitig die Ernährungsgrundlage der Menschen bleiben. Dass bei solchen Megathemen auch jede Menge Interessenkonflikte auftreten, dürfte auch klar sein. Und die entscheidenden Fragen, wer das alles bezahlen soll und welche Auswirkungen welche Maßnahmen haben werden, ist auch noch nicht gestellt. Der 70. Österreichische Gemeindetag und die 20. Kommunalmesse, die am 18. und 19. September 2024 im burgenländischen Oberwart über die Bühne gehen, werden Wege aufzeigen und versuchen, Antworten zu geben.

Es spricht der Vater | Als dein Berater | Sei bitte endlich g‘scheit | Und denk‘ auch mit der Zeit | An deine Sicherheit | … so geht’s los im Songtext von Fendrich. 1991, also vor 34 Jahren, entstand das Lied, passt also irgendwie auch in die Veranstaltung, die ja auch einen Blick auf die vergangenen 30 Jahre wirft. Das Europafest beispielsweise erinnert an den EU-Beitritt Österreichs 1995 oder die Kommunalmesse, die im selben Jahr in Oberwart aus der Taufe gehoben wurde. Passt also auch zusammen.

Förderungen abrufen

Aber einmal ernst, werfen wir einen Blick auf die Energie- und Technologiesituation in Österreich. Es gibt aktuell umfassende Förderprogramme, die sowohl private Haushalte als auch Betriebe dazu ermutigen, von fossilen Heizsystemen auf erneuerbare Energien umzusteigen. Diese Förderungen können bis zu 75 Prozent der Investitionskosten decken und umfassen Technologien wie Wärmepumpen, Holzzentralheizungen und Fernwärmeanschlüsse.

Wärmepumpen, die Effizienzgrade von 250 bis 450 Prozent erreichen, spielen eine zentrale Rolle in der Raumwärmeversorgung. Pelletsheizungen sind eine sinnvolle Alternative, insbesondere in Mehrfamilienhäusern, wo hohe Temperaturen benötigt werden. Fernwärmesysteme sind ideal, wenn sie regional verfügbar sind und weil sie keine Lagerraumprobleme verursachen.
Förderungen gibt es durch das Klimaschutzministerium (BMK) und die Public Consulting (KPC) für energieeffiziente Maßnahmen und erneuerbare Energien.

Auch die EU stellt Fördermittel zur Verfügung. Verschiedene Förderprogramme im Rahmen des Green Deals und der Klimaschutzstrategie bieten sich an, die Projekte zur CO2-Reduktion und zum Naturschutz unterstützen. Hier können der Europäische Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) und der Europäische Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) genannt werden.
Diese Förderprogramme und Technologien bieten Gemeinden vielfältige Möglichkeiten, ihre Energieversorgung nachhaltiger zu gestalten. Durch die finanziellen Anreize wird der Umstieg auf erneuerbare Energien erleichtert, was nicht nur die CO₂-Emissionen reduziert, sondern auch die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen verringert.

Photovoltaikanlagen und Windenergie sind die Haupttreiber in der nachhaltigen Stromerzeugung. Durch Fortschritte in der Batterietechnologie, insbesondere bei Lithium-Ionen-Batterien, können Energiespeichersysteme unabhängiger, effizienter und langlebiger werden, was ihre Nutzung in Haushalten und Gemeinden fördert. Gerade für Gemeinden gibt es mittlerweile Batterien im Containerformat, womit das Speichern noch leichter wird.

Wasserstofftechnologie ist ebenfalls vielversprechend, da sie überschüssigen Strom aus erneuerbaren Quellen speichern und bei Bedarf wieder in Strom umwandeln kann. Diese Technologie könnte in den nächsten fünf bis zehn Jahren marktreif sein. Pilotprojekte dazu laufen bereits. Und was die Natur betrifft: Die EU-Biodiversitätsstrategie zielt darauf ab, bis 2030 mindestens 30 Prozent der Land- und Meeresgebiete der EU unter Schutz zu stellen. Dies beinhaltet Maßnahmen zur Förderung nachhaltiger Landwirtschaft, die sowohl die Nahrungsmittelproduktion sicherstellt als auch die Biodiversität schützt. In Österreich wären wohl rund zehn Prozent der Gemeinden davon betroffen.

Die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) der EU unterstützt Landwirte finanziell bei der Umsetzung umweltfreundlicher Praktiken. Diese Maßnahmen umfassen den Schutz von Lebensräumen, die Förderung der Artenvielfalt und die Reduzierung von Chemikalien in der Landwirtschaft.

Die EU-Richtlinien und Verordnungen zum Naturschutz werden Gemeinden dazu anregen, ihre lokalen Umweltstrategien zu überdenken und anzupassen. Durch die Förderung nachhaltiger landwirtschaftlicher Praktiken können Gemeinden einen Beitrag zum Erhalt der Biodiversität leisten und gleichzeitig die Bedürfnisse der Landwirtschaft berücksichtigen.

Allerdings erfordert die Umsetzung dieser Maßnahmen eine sorgfältige Planung und Koordination auf lokaler Ebene. Gemeinden müssen in der Lage sein, die verschiedenen Förderprogramme und technologischen Optionen zu bewerten und optimal zu nutzen. Zudem ist eine enge Zusammenarbeit mit Landwirten und anderen lokalen Akteuren erforderlich, um sicherzustellen, dass die Bedürfnisse der Landwirtschaft mit dem Naturschutz in Einklang gebracht werden.

Insgesamt bieten die aktuellen Entwicklungen und Regelungen wohl eine vielversprechende Grundlage für eine nachhaltige Zukunft, wobei die aktive Beteiligung und das Engagement der Gemeinden entscheidend für den Erfolg sein werden.

Wo hilft uns die fortschreitende Digitalisierung?

Digitalisierung und der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) bieten Gemeinden zahlreiche Möglichkeiten, die Herausforderungen und Erwartungen im Bereich Energie, Technologie und Naturschutz effektiver zu bewältigen. So erleichtert Digitalisierung die Verwaltung durch den Einsatz von E-Government-Diensten, die administrative Prozesse automatisieren und die Effizienz steigern. Online-Portale für Bürgeranfragen, digitale Dokumentenverwaltung und elektronische Abstimmungen sind Beispiele für digitale Werkzeuge, die Verwaltungsaufgaben vereinfachen und beschleunigen können.

Smart Grids, intelligente Stromnetze, nutzen ja schon lange Digitalisierung und KIs, um die Energieverteilung effizienter zu gestalten. Diese Netze können Energieflüsse in Echtzeit überwachen und anpassen, um Engpässe zu vermeiden und die Nutzung erneuerbarer Energien zu maximieren. KI-gestützte Vorhersagemodelle können den Energiebedarf präzise prognostizieren und so zur Stabilisierung der Netze beitragen.
Intelligente Verkehrssysteme nutzen Sensoren und KI, um den Verkehrsfluss zu verbessern und Emissionen zu reduzieren. Dies umfasst die Optimierung von Ampelschaltungen, die Bereitstellung von Echtzeit-Verkehrsinformationen und die Förderung von umweltfreundlichen Transportmitteln. Solche Systeme können auch den Ausbau der Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge unterstützen.

Zusammenfassend bieten Digitalisierung und KI den Gemeinden wichtige und vielfältige Werkzeuge, um den Herausforderungen der Zukunft effektiv zu begegnen und eine nachhaltige Entwicklung zu fördern. Ihre erfolgreiche Implementierung hängt jedoch nicht nur von einer umfassenden Strategie ab, ausreichende finanzielle Mitteln und die Bereitschaft zur kontinuierlichen Weiterentwicklung in den Gemeinden ist hier ganz entscheidend.

Es mangelt oft am Geld

Womit wir aber (schon wieder) bei der finanziellen Situation der österreichischen Gemeinden sind. Mehr als Hälfte der 2100 Gemeinden stehen finanziell gut da und können die Fördermittel in Anspruch nehmen und dadurch Investitionen in die Zukunft tätigen.

Fairerweise muss man aber dazu sagen, dass die allermeisten dieser Gemeinden entweder in einer sogenannten Gunstlage sind, also Einnahmen aus Kommunalsteuern haben oder schon früh Investitionen getätigt haben, die sich jetzt so richtig rentieren. Einige dieser Gemeinden hatten in der Vergangenheit – und damit sind 50, 60 oder mehr Jahre gemeint – gröbere Budget-Turbulenzen, aus denen sie gelernt haben. Erfahrungen, die manchen Gemeinden heute noch bevorstehen.

Es gibt aber auch viele Gemeinden, die mit begrenzten Haushaltsmitteln kämpfen, da die Einnahmen aus Gemeindesteuern und Zuweisungen oft nicht ausreichen, um die wachsenden Anforderungen zu bewältigen. Zusätzlich hat die Corona-Pandemie die finanzielle Lage weiter verschärft, da Einnahmeausfälle und zusätzliche Ausgaben die Haushalte belastet haben. Und die Übertragung von Aufgaben durch die Länder und/oder den Bund an Gemeinden hat sie zusätzlich über Jahre hinweg über Gebühr belastet. Jetzt ist der Punkt da, wo es offensichtlich einfach nicht mehr geht, weitere Leistungen ohne zusätzliche Finanzierung zu stemmen.

Zusätzliche kommunale Haushaltsmittel kommen praktisch nicht in Frage. Der Bund hat im ersten Halbjahr 2024 bereits 13,8 Milliarden Euro mehr ausgeben als eingenommen - wie der Kurier am 2. August berichtete. Der Bund hat also kein Geld mehr. 

Wo können Gemeinden sparen?

Die Umschichtung kommunaler Haushaltsmittel würde aber eine Priorisierung von Ausgaben für nachhaltige Projekte und Reduktion weniger dringender Ausgaben oder die Nutzung von Rücklagen und Überschüssen aus vorherigen Haushaltsjahren nach sich ziehen.

Aber: Eine Priorisierung von Ausgaben zur Umsetzung nachhaltiger Projekte und technologischer Innovationen ist zumindest ein zweischneidiges Schwert. 

Zuerst und einfach laut vor sich hingedacht: In welchen Bereichen könnten Gemeinden denn Einsparungen vornehmen?

  • Kulturelle und gesellschaftliche Events sind wichtig, aber sie könnten reduziert oder kostengünstiger gestaltet werden, um finanzielle Mittel für nachhaltige Projekte freizumachen. 
  • Verwaltungsausgaben können durch Optimierung der Verwaltung durch Digitalisierung und Effizienzsteigerungen gesenkt werden.
  • Straßen- und Gehwegserneuerungen, die nicht dringend erforderlich sind oder die Verkehrssicherheit beeinträchtigen, könnten verschoben werden.
  • Nicht-essenzielle Bauvorhaben wie neue Verwaltungsgebäude oder ähnliche Bauvorhaben können verzögert werden, um Mittel für dringendere ökologische Projekte freizusetzen.
  • Zuschüsse für Sport- und Freizeitvereine könnten angepasst werden, um kritische ökologische und technologische Projekte zu finanzieren.
  • Nicht notwendige Anschaffungen wie der Kauf neuer Fahrzeuge für den Gemeindebetrieb könnte verschoben werden, sofern bestehende Fahrzeuge noch funktionstüchtig sind.
  • Investitionen in neue Büromöbel oder nicht kritische Ausrüstung können ebenfalls verschoben werden.
  • Kosten für Marketingkampagnen und Werbung können gesenkt werden, um Mittel für nachhaltige Projekte umzuleiten.
  • Wo möglich, könnten Gemeindeämter und öffentliche Dienstleistungen zusammengelegt werden, um Betriebskosten zu senken.
  • Besseres Management und Nutzung von Gemeindeeigentum kann Leerstände reduzieren und Einnahmen steigern.
  • Effizientere Routenplanung und Nutzung kleinerer Fahrzeuge in Zeiten niedriger Nachfrage können Betriebskosten senken.
  • Gemeinden können durch die Zusammenarbeit bei Dienstleistungen wie Müllentsorgung, Wasserversorgung und Straßenunterhalt Kosten teilen und senken.
  • Gemeinsame Beschaffung von Materialien und Dienstleistungen kann zu Mengenrabatten und geringeren Kosten führen.
  • Automatisierung und digitale Lösungen können Verwaltungsaufwand und Personalkosten reduzieren.
  • Einsatz von IoT-Technologien für die Fernüberwachung von Infrastruktur kann Wartungskosten senken.

Auch wenn die Gemeinden in allen möglichen Bereichen bereits eng zusammenarbeiten wie bei der gemeinsamen Nutzung von Ressourcen und Dienstleistungen, wie z.B. Müllentsorgung, Wasserwirtschaft und öffentliche Verkehrsmittel: Ein verstärkter Sparkurs der Gemeinden wird also eine der notwendigen Maßnahme sein, um die Finanzierung von nachhaltigen Projekten und technologischen Innovationen zu gewährleisten. Natürlich ist es essenziell, diese Sparmaßnahmen sorgfältig zu planen und umzusetzen, um die grundlegenden kommunalen Dienstleistungen und die Lebensqualität der Bürger nicht zu beeinträchtigen. 

Es gibt aber auch ein fettes „allerdings“, womit wir bei der zweiten Schneide des „zweischneidigen Schwerts“ sind. Ein strikter Sparkurs könnte die Eigenständigkeit von Gemeinden gefährden und sie auf Verwaltungseinheiten anstatt Gestaltungseinheiten reduzieren. Faktoren und Risiken, die dabei eine Rolle spielen: 

  • Ein strikter Sparkurs könnte notwendige Investitionen in Infrastruktur, Bildung und soziale Dienste einschränken, was die Fähigkeit der Gemeinden, aktiv zu gestalten und auf lokale Bedürfnisse einzugehen, stark beeinträchtigen könnte.
  • Die Möglichkeit, flexibel auf unvorhergesehene Ereignisse oder neue Chancen zu reagieren, würde durch stark eingeschränkte finanzielle Mittel reduziert.
  • Gemeinden könnten zunehmend auf nationale und EU-Förderungen angewiesen sein, was ihre Autonomie ebenfalls mindern könnte. Externe Förderungen sind oft zweckgebunden, was die freie Gestaltung durch die Gemeinden einschränken kann.
  • Einsparungen im Bereich öffentlicher Dienstleistungen wie Kultur, Freizeit und Bildung könnten die Attraktivität und Lebensqualität der Gemeinde vermindern.

Gemeinden kennen die Herausforderungen - haben aber kein Geld

Unter dem Strich bleibt übrig: Die meisten Gemeindevertreter erkennen wohl die vielfältigen Herausforderungen und Chancen, die sich aus den aktuellen Entwicklungen im Bereich Energie, Technologie und Naturschutz ergeben, ergeben. Die finanzielle Lage vieler Gemeinden macht jedoch neben den nötigen Investitionen auch einen (strikten?) Sparkurs und die Priorisierung von Ausgaben notwendig. 

Ein allzu strikter Sparkurs birgt allerdings auch das Risiko, die Eigenständigkeit und Gestaltungskraft der Gemeinden zu gefährden. Gemeinden könnten verstärkt zu Verwaltungseinheiten degradiert werden, wenn sie sich nur auf Sparmaßnahmen beschränken und weniger Spielraum für innovative und gestalterische Projekte bleibt.

Um diesen Risiken zu begegnen, können Gemeinden eigentlich nur auf eine Mischung aus interkommunaler Zusammenarbeit, innovativen Finanzierungsmodellen und Effizienzsteigerungen durch Digitalisierung setzen. 

Um es mit Fendrichs Songtext zu sagen: „Das Ruhekissen | Ist zu vergessen | Weil alles ist möglich | Aber nix is fix“ 

Kommunalmesse 2024 | 18./19. September 2024 | Oberwart (diekommunalmesse.at)