Vergaberecht
Welche Bauausschreibung soll es sein? (Teil 1)
Gleich zu Beginn: Das „eine“ perfekte Realisierungsmodell gibt es nicht. Die optimale Ausschreibung hängt von einer Vielzahl von Umständen ab, die es bei Projektstart zu berücksichtigen gibt. In einer mehrteiligen Serie werden wir das Hauptaugenmerk auf die Einzelvergabe sowie die Vergabe an einen Generalunternehmer legen. Zum Schluss werden auch noch alternative Modelle, die immer mehr in den Markt drängen, behandelt.
Wir starten jedoch mit der wohl wichtigsten Phase eines Bauprojekts, nämlich der Vorbereitungsphase.
Projektvorbereitung
Am Beginn eines jeden Projekts steht die Projektvorbereitung. Der Erfolg eines Bauvorhabens hängt maßgeblich von der Qualität der Vorbereitung ab. Häufig scheitern Projekte, weil sie zu schnell realisiert werden sollen. Dadurch kommt es zu einer höheren Fehleranfälligkeit. Wesentliche Grundlagen werden nicht erhoben und die Projektorganisation nicht richtig aufgesetzt. All dies führt im weiteren Projektverlauf zu Schwierigkeiten, Verzögerungen und Mehrkosten.
Viele dieser Störungen in der Projektabwicklung können durch eine sorgfältige Bedarfsplanung vermieden werden. Bauherren definieren in dieser Phase die Bauaufgabe und ermitteln ihre Bedürfnisse sowie die von allfälligen späteren Nutzern des Gebäudes. Auch das Projektteam sollte in dieser Phase bereits festgelegt werden, da es für den Projekterfolg entscheidend ist. Alle wesentlichen Themenbereiche sind mit entsprechend geschultem Personal oder Konsulenten zu besetzen – es ist unter anderem Know-how im Projektmanagement sowie im technischen, wirtschaftlichen und juristischen Bereich erforderlich. Eine gute und etwas längere Projektvorbereitung hilft zudem dabei, Bürgerinnen und Bürger mit dem bevorstehenden Projekt vertraut zu machen und sie mit ins Boot zu holen.
Architekturwettbewerbe nutzen
Nach Abschluss der Projektvorbereitung kann die Planung des Bauvorhabens beginnen. Hier empfiehlt sich sowohl für Kommunen als auch für private Bauherren zunächst die Durchführung eines Architekturwettbewerbs. Es gibt verschiedene Arten von Wettbewerben. Gemein haben alle, dass eine (un)beschränkte Anzahl an Architekten oder sonstigen Planern vom Auftraggeber eingeladen wird, auf Basis einer klar definierten Aufgabenstellung Entwurfskonzepte einzureichen. Diese werden sodann von einem unabhängigen Preisgericht transparent und fair bewertet, um das bestgeeignete Projekt auszuwählen. Ziel ist es, dass bei einem Bauprojekt nicht nur die Planungs- und Errichtungskosten entscheidend sind, sondern auch der Architektur eine wichtige Bedeutung zukommt.
Einzelvergabe
Nun aber zur Einzelvergabe: Wie der Name schon sagt, werden hier die Planungs-, Konsulenten- und Bauleistungen einzeln ausgeschrieben und beauftragt. Der Auftraggeber schließt somit mit jedem einzelnen Ziviltechniker und Unternehmer einen eigenen Vertrag ab. Auf Planungs- und Konsulentenseite sind insbesondere folgende Leistungen erforderlich: Architekt, Tragwerksplaner (Statiker), TGA- und Elektroplaner, Bauphysiker, Örtliche Bauaufsicht (ÖBA), Baustellenkoordinator und Bodengutachter.
Hinsichtlich der Bauleistung sind hingegen rund 10 bis 15 Gewerke erforderlich, das wären: Baumeister, Holzbaumeister (Zimmerer), HKLS-Installateur, Elektrotechniker, Schwarzdecker, Dachdecker, Spengler, Estrichleger, Boden- und Fliesenleger, Schlosser, Tischler, Trockenbauer und Maler.
Je nach Beschaffenheit, Größe und Komplexität des Projekts können auch noch weitere Leistungen bzw. Gewerke hinzukommen. Oftmals wird zum Beispiel eine Projektsteuerung eingesetzt. Ebenso können auch Gewerke kombiniert und gemeinsam vergeben werden, beispielsweise die Spengler- und Schwarzdeckerleistungen.
Mit einer detaillierten Planung zum Projekterfolg
Bei einer gewerksweisen Ausschreibung werden Einheitspreisverträge abgeschlossen. Der Auftragnehmer bietet dabei für jede voraussichtlich auszuführende Leistung einen festen Preis pro Einheit (z. B. ein Kubikmeter Beton) an. Im Zuge der Ausführung wird er sodann für die tatsächlich erbrachten Leistungseinheiten vergütet. Ein Einheitspreisvertrag setzt eine detaillierte (konstruktive) Leistungsbeschreibung, das sogenannte Leistungsverzeichnis, voraus. Dieses beschreibt in zahlreichen Leistungspositionen die vom Auftragnehmer auszuführenden Arbeiten.
Für die Erstellung solcher Leistungsverzeichnisse ist eine detaillierte Planung erforderlich. Die Ausführungsplanung sollte abgeschlossen sein. Der Projekterfolg hängt bei Einzelvergaben daher wesentlich von der Planungstiefe der Ausschreibungen ab. Häufig liegt im Ausschreibungszeitpunkt lediglich eine Entwurfs- oder Einreichplanung zur Befüllung der Leistungsverzeichnisse vor. Dies führt im späteren Projektverlauf bei Fortschreibung der Planung oft zu Mengenabweichungen und Mehrleistungen, die wiederum Bauzeitverzögerungen und Mehrkosten nach sich ziehen können.
Einflussmöglichkeiten vs. Koordinierungsaufwand
Da bei der gewerksweisen Vergabe viele einzelne Verträge abgeschlossen werden, kann der Auftraggeber relativ einfach direkt in die Ausführung eines Gewerks eingreifen und Änderungen sowohl in qualitativer als auch in zeitlicher Hinsicht vornehmen. Es gibt keine Zwischeninstanz – der Auftraggeber kommuniziert direkt mit dem jeweiligen Unternehmen.
Dadurch kann er auch auf äußere Ursachen schnell und flexibel reagieren, etwa wenn sich der Bedarf an bestimmten Leistungen während der Bauphase ändert. Darüber hinaus ist – je nach Größe des Bauprojekts – auch eine schrittweise Vergabe der Gewerke nach Baufortschritt möglich, wodurch einfach und schnell auf geänderte Umstände reagiert werden kann. Weiters kann im Vergabeprozess durch Kriterien sichergestellt werden, dass nur Bauunternehmen mit den höchsten Kompetenzen für das jeweilige Gewerk in Frage kommen.
Dieser Flexibilität steht jedoch ein hoher Koordinierungsaufwand entgegen. Die gesamte Baustellenkoordination hat nämlich durch den Auftraggeber zu erfolgen – die beauftragten Unternehmen müssen aufeinander abgestimmt werden. Gerade das Schnittstellenmanagement zwischen der Planung und den Bauleistungen, aber auch zwischen den Gewerken an sich, erfordert entsprechendes Know-how. Ist ein solches Fachwissen nicht vorhanden, kann auch ein Dritter mit den Aufgaben des Projektmanagements betraut werden.
Dennoch bleibt das Schnittstellenrisiko beim Bauherrn. Gerade bei aufeinander aufbauenden Gewerken kommt es immer wieder zu Schwierigkeiten im Bauablauf, da etwa bestimmte Fertigstellungsfristen nicht eingehalten werden und es so zu Verzögerungen beim folgenden Gewerk und schließlich dem gesamten Projekt kommt. Schnittstellenprobleme spielen auch im Zusammenhang mit der Haftung für Mängel und Schäden eine Rolle. Liegen solche vor, ist es oftmals für den Auftraggeber gar nicht so leicht, den Verantwortlichen zu ermitteln. Umso wichtiger ist in diesem Zusammenhang auch die vertragliche Ausgestaltung der Werkverträge, um gewisse Risiken zu überbinden und auszuschließen.
Kosten und höhere Transparenz
Ein großer Vorteil der Einzelvergabe ist zudem die Kostentransparenz. Durch die einzelnen Verträge können die Kosten vom Auftraggeber besser nachvollzogen und gesteuert werden. Diese Transparenz kommt jedoch mit einem gewissen „Preis“. Bei der Einzelvergabe ist die Kostensicherheit im Gegensatz zu einem Generalunternehmer gering. Wird nämlich die Koordination seitens des Auftraggebers vernachlässigt, kann es sehr schnell zu großen Terminverzögerungen und hohen Mehrkostenforderungen kommen.
Positiv ist hingegen, dass es keine versteckten Kosten und auch keine sonstigen zusätzlichen Aufschläge gibt. Ein Generalunternehmer verrechnet einen sogenannten „GU-Zuschlag“ für die Organisation, Koordinierung und Haftung seiner Subunternehmer. Mit diesem „GU-Zuschlag“ wird somit insbesondere der Koordinierungsaufwand hinsichtlich der Gewerke abgedeckt, für den bei der Einzelvergabe der Auftraggeber selbst verantwortlich ist.
Bei der gewerksweisen Ausschreibung können die Preise des jeweiligen Gewerks zudem im Zuge des Ausschreibungsprozesses besser verglichen werden. Darüber hinaus wird ein breiterer Markt angesprochen, weil auch kleinere (regionale) Betriebe an der Ausschreibung teilnehmen können. Das steigert den Wettbewerb, was wiederum zu niedrigeren Preisen führt. Dem steht jedoch eine Vielzahl an durchzuführenden Vergabeverfahren gegenüber, die vom Auftraggeber abzuarbeiten sind.
Gerade in Zeiten einer Wirtschaftskrise bedeuten mehrere kleinere Aufträge auch eine gewisse Streuung des Risikos. Das hat Vor- und Nachteile. Vor allem in der Baubranche sind Insolvenzen derzeit (leider) keine Seltenheit. Durch die Vergabe mehrerer Aufträge steigt zwar das Risiko, dass eines der Unternehmen ausfällt – ein solcher Ausfall gefährdet allerdings nicht das gesamte Projekt, sondern führt allenfalls zu Verzögerungen. Im Gegensatz dazu ist das Risiko der Insolvenz eines Generalunternehmers geringer – tritt diese jedoch ein, kommt es zu massiven Auswirkungen im Bauablauf. Es empfiehlt sich jedenfalls, im Zuge des Vergabeprozesses die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der zu beauftragenden Werkunternehmer genau zu prüfen.
Fazit und Ausblick
Die Einzelvergabe bietet nach wie vor zahlreiche Vorteile für Auftraggeber und Auftragnehmer. Sie eignet sich insbesondere für erfahrene Bauherren, die über ausreichende interne Ressourcen und Know-how verfügen. Ist dies nicht vorhanden, sollten jedenfalls fachkundige Konsulenten eingebunden werden, ansonsten kann es sehr schnell zu Problemen auf der Baustelle kommen.
Eine Alternative zur Einzelvergabe ist die Beauftragung eines Generalunternehmers. Dieser ist die einzige Ansprechperson auf Seiten der Ausführung und übernimmt meist die Gesamtverantwortung für die Herstellung eines schlüsselfertigen Werks. Er koordiniert seine Subunternehmer – Schnittstellenprobleme zwischen den Gewerken sind daher nicht mehr Sache des Bauherrn. Mehr dazu gibt es in einer der nächsten Ausgaben.