Selbstfahrende Autos
In Salzburg feierte der erste autonom fahrende Minibus seine Österreich-Premiere. Rechts davon ein intelligentes Transportmittel einer früheren Generation. Beide halten vor Hindernissen selbstständig an. Foto: Wildbach

Selbstfahrende Autos - Die Autonomen sind unter uns!

Selbstfahrende Automobile sind nicht länger Zukunftsmusik, sondern Realität. Das gilt für Pkws aber auch zunehmend für Fahrzeuge wie Busse oder Shuttles. Auch auf Österreichs Straßen sind sie bereits zu bestaunen. Als öffentliche Verkehrsmittel haben sie das Potenzial, den ländlichen Raum zu revolutionieren.

Rund 150 Jahre nachdem die ersten Automobile – damals noch mit Dampf betrieben – erfunden wurden, trifft die Bezeichnung Automobil mehr denn je auf die so genannten Fahrzeuge zu. „Automobil" ist griechisch-lateinischen Ursprungs und bedeutet „selbst bewegend".

Seinerzeit war diese Beschreibung eigentlich nur auf den Antrieb der Vehikel bezogen, heute hingegen trifft der Name den Nagel auf den Kopf. Selbstständig fahrende Fahrzeuge galten über viele Jahrzehnte hinweg als futuristische Vision, und die Vorstellung eines selbstständigen Autos übte auf viele Menschen eine ungeheure Faszination aus. Die erfolgreiche TV-Serie Knight Rider mit dem intelligenten selbstfahrenden K.I.T.T. als eigentlichem Star lebte von dieser Faszination.

Heute schreiben wir das Jahr 2018 und die Fiktion wandelt sich zur Realität. Damit geht eine Veränderung in der allgemeinen Akzeptanz und Vorfreude einher, von grenzenloser Begeisterung hin zu Skepsis und zu Vorbehalten. Das hat mehrere Gründe, die einerseits den negativen Meldungen über missglückte Testfahrten mit teils fatalem Ausgang entspringen und andererseits der Ungewissheit gegenüber technischen und ethischen Problemstellungen, die zu einem Gutteil noch nicht einmal im Ansatz gelöst sind.

Unfälle werfen ethische Fragen auf

Im März gab es das weltweit erste tödliche Verkehrsopfer eines Unfalls mit einem autonom fahrenden Fahrzeug zu beklagen. In Arizona (USA) überfuhr ein Uber-Wagen eine Passantin, die mit ihrem Fahrrad die Straße querte. Die Frau hinter dem Steuer des Wagens (Fahrerin kann man ja schlecht sagen) hatte zu diesem Zeitpunkt ihren Blick ins Wageninnere gesenkt.

Schon im Mai 2016 kam ein „Fahrer" eines Tesla Model S‘ ums Leben, nachdem dessen Autopilot (der den Insassen allerdings noch nicht komplett aus seiner Pflicht entlässt) einen Sattelschlepper für ein Überkopfschild hielt und darunter durchrasierte.

Vorfälle wie diese verunsichern und lassen Zweifel und Fragen aufkommen. Ethische Fragen zum Beispiel, wie Menschenleben zu bewerten sind. Fährt das Auto den Insassen besser gegen eine Mauer, ehe es ansonsten in eine Fußgängergruppe rasen würde? Wie sollen solche moralischen Entscheidungen durch Algorithmen gefällt werden können? Und wer möchte letztendlich auch tatsächlich in ein Auto einsteigen, das womöglich in Sekundenbruchteilen entscheidet, denjenigen ungefragt zu opfern? Bei den rechtlichen Fragen hingegen ist die Haftungsfrage besonders spannend. Wer ist dafür verantwortlich, wenn etwas passiert? Haftet das Unternehmen, das die autonomen Fahrzeuge entwickelt hat oder betreibt? Haftet letztendlich immer noch der Fahrer? Doch was, wenn es gar keinen menschlichen Fahrer mehr gibt?

Antworten auf diese Fragen müssen erst noch gefunden werden. Die Expertenmeinungen dazu sehen jedenfalls höchst unterschiedlich aus.

Stress statt Entspannung?

Gegenüber der Technologie muss ebenfalls noch Skepsis abgebaut werden. Läuft ein Auto, das von irgendwo aus ferngesteuert werden kann, nicht Gefahr gehackt und gekapert werden zu können, womöglich gar für kriminelle oder terroristische Zwecke? Wie leicht ist es wirklich, sein Leben einer Software anzuvertrauen, bei der ein simpler Bug tödliche Folgen haben kann? Einer Studie der deutschen Hochschule Kempten zufolge wahrscheinlich gar nicht leicht. Sie kam nämlich zu dem Ergebnis, dass bereits heutige Fahrassistenzsysteme bei den Fahrern erheblichen, zusätzlichen Stress auslösen, anstatt dass sie Entspannung bringen. Grund dafür ist zum einen die aus der Hand gegebene Kontrolle und andererseits die noch nicht ausgereifte Technik.

Neue Möglichkeiten für den öffentlichen Verkehr

Gleichwohl es noch viele ungeklärte Bedenken gibt, läuft die technische Entwicklung ungebremst weiter, denn die zu erwartenden Vorteile autonomer Fahrzeuge sind vielversprechend. Der Wandel hin zum vernetzten, selbstfahrenden Individualverkehr hat das Potenzial eine ähnliche Revolution auszulösen wie der Umstieg vom Pferdefuhrwerk auf das Kraftfahrzeug.

Man erwartet weniger Unfälle, keine Staus, keine Parkplatzsuche (das Auto sucht ihn sich später selbst), höheren Fahrkomfort und nicht weniger als eine grundlegende Veränderung des Mobilitätsverhaltens. Speziell für den öffentlichen Verkehr bietet das autonome Fahren ganz neue Möglichkeiten.

Überbrückung des letzten Kilometers

Das selbstständige Steuern öffentlicher Verkehrsmittel ist nicht gänzlich neu. Flugzeuge verfügen seit langem über Autopiloten, und in 15 europäischen Städten transportieren autonom fahrende U-Bahnen pro Jahr über eine Milliarde Passagiere. Acht weitere Städte, darunter Wien, haben solche Linien in Planung.

Werden auch Straßenfahrzeuge vollends selbstständig fahren können, bedeutet das in dichtbesiedelten Gebieten eine Entspannung des Platzmagels im öffentlichen Raum, für ländliche Gemeinden und zersiedelte Regionen aber kann es die lang ersehnte Lösung für ein ewiges Problem sein: das Überbrücken des letzten Kilometers, sprich den Lücken zwischen Wohnort, bestehendem öffentlichen Verkehrsnetz und Ziel.

Chancen für den ländlichen Raum

Ähnlich einem unbemannten Taxi, könnten Mini-Shuttles rund um die Uhr per App bestellbar sein und die Bewohner an jede beliebige Adresse im Gemeindegebiet, im Bezirk oder einem anderwertig definierten Radius bringen.

Gut vorstellbar ist eine Nutzung gegen Pauschalgebühr, vergleichbar mit einer Jahresnetzkarte. Da die Personalkosten für Fahrer wegfallen und eine Software die Bewegungen und Raumaufteilung der Shuttles koordiniert und optimiert, ist ein kostendeckender Betrieb schon bei geringer Bevölkerungsdichte und niedrigem Passagieraufkommen realistisch.

Heute ist man auf dem Land ohne Auto schnell aufgeschmissen. Künftig muss man womöglich keineswegs selbst motorisiert sein, um auch in ruralen Gebieten mobil zu sein. Beim Wirten im nächsten Ort wird man bedenkenlos sein drittes oder viertes Krügerl ordern können, denn ein Shuttle wird einen sicher von Haustür zu Haustür befördern. Die Oma kann die Eier wieder oben beim Bergbauern kaufen (fahren), und Jugendliche müssen sich ihre Ausbildungsstätten nicht nur aus jenen mit den gerade noch zumutbaren Schulwegen aussuchen.

Dort, wo sich bemannte Busse nicht rentieren

Autonome Minibusse mit Platz für etwa 10 bis 17 Passagiere könnten Linien bedienen, für die sich ein bemannter Bus niemals rentieren würde, und sie tun es bereits.

Die Entwicklung solcher Großkabinenroller, auch Cybercars genannt, ist verhältnismäßig weit fortgeschritten und das Beschränken auf klar abgegrenzte und fix definierte Routen erleichtert der Software das „Einstudieren" der Strecke.

Bei etlichen Pilotprojekten kann die Öffentlichkeit die autonomen Minibusse bereits benützen. In Berlin fährt auf dem Campus des Innovationszentrums für Mobilität und gesellschaftlichen Wandel das autonome E-Shuttle „Olli" von Local Motors im Halbstundentakt. Demnächst möchte die Berliner Verkehrsgemeinschaft (BVG) zudem vier Busse auf dem Campus der Charité einsetzen.

Im niederbayerischen Kurort Bad Birnbach pendelt der Minibus EZ10 im Auftrag der Deutschen Bahn zwischen dem Bahnhof, dem Ortszentrum und der Therme.

Anlässlich des estnischen EU-Ratspräsidentschaft eröffnete im vergangenen Sommer eine Linie selbstfahrender Minibusse in der Hauptstadt Tallinn. Der Frankfurter Flughafen hat ähnliche Minibusse auf seinem Gelände im Einsatz, und in der Schweiz werden die Bürger von zwei autonom fahrenden Kleinbussen durch die Innenstadt von Sitten chauffiert.

Zahlreiche Tests auch in Österreich

Auch in heimischen Gefilden gibt es immer wieder die Gelegenheit, das Mitfahren in selbstfahrenden Bussen auszuprobieren. Anfang Februar konnte man in Klagenfurt mit dem Navya Smart Shuttle eine Runde über den Neuen Platz rollen. Bereits im September kurvte man drei Tage lang autonom durch Pörtschach. Die Wiener Linien beginnen heuer den Testbetrieb einer Minibus-Linie als Zubringer zur U-Bahn-Station in der Seestadt Aspern und wollen damit 2019 in den Regelbetrieb übergehen. In Koppl im Salzburger Flachgau fanden schon im vergangenen Mai Testfahrten statt, und in der Stadt Salzburg präsentierte man einen autonomen Minibus bereits im Oktober 2016.

Man kann den Eindruck gewinnen, die autonomen Öffis wären drauf und dran sich ihren Platz im Verkehrssystem zu erobern. Doch so weit ist es noch nicht wirklich. Die genannten Testfahrten in Österreich wurden alle mit dem gleichen Typ Minibus durchgeführt. Die Modelle des französischen Herstellers Navya sind verhältnismäßig weit fortgeschritten, und dennoch kaum der Krabbelstube entwachsen. Auch sie kämpfen noch mit mehreren gravierenden Herausforderungen. So war es auch ein Navya-Minibus, der in Sitten einen Unfall verursachte, indem er gegen die hochgeklappte Heckklappe eines Lieferwagens stieß. Sowohl die Sensoren als auch der zur Sicherheit mitfahrende Wagenbetreuer haben das Hindernis nicht bemerkt.

Unberechenbare Fußgänger und Tiere

Für alle Fahrzeuge gleichermaßen problematisch ist die richtige Erfassung und Verarbeitung von Umgebungsdaten. So gäbe es zwar Sensoren, die mittels Laser-Reflektionen sogar um die Ecke blicken könnten, allein die Umrechnung der empfangenen Daten in ein dreidimensionales Bild dauert noch Minuten bis Stunden.

Der Navya-Bus besitzt eine Multi-Sensor-Technologie und ist unter anderem mit GPS, knapp einem Dutzend (Stereo-)Kameras und LIDAR-Sensoren bestückt. Trotzdem tut auch er sich mit dem Albtraum aller Selbstfahrsysteme schwer: den einfach unberechenbaren Tieren und Fußgängern.

Stoppschilder sind eine Herausforderung

Deshalb bekamen die Testfahrzeuge bislang zumeist abgegrenzte Straßenabschnitte zugewiesen, um nicht zu sehr verwirrt zu werden. In Koppl hat man übrigens die Stoppschilder als größte Herausforderungen identifiziert, sowie das Abbiegen nach links aufgrund des Gegenverkehrs. Eine verlässliche Alltagstauglichkeit ist derzeit noch keinesfalls gegeben.

Wann die autonomen Fahrzeuge die manuell zu steuernden Kfz verdrängen und ersetzen werden, ist schwer zu prognostizieren. Im April wird Kalifornien aller Wahrscheinlichkeit nach erstmals unbemannte Fahrzeuge im normalen Straßenverkehr erlauben.

Sebastian Obrecht vom ARBÖ zeigt sich dennoch davon überzeugt, „dass selbstfahrende Autos nicht vor 20 bis 30 Jahren für den massenhaften Einsatz zugelassen sein werden". Irgendwann dazwischen wird es wohl soweit sein. Bis dahin darf man sich auf die kommenden Formen der Mobilität freuen, aber gegenwärtig ist es selbst für die „Early Adopters" unter den Gemeinden noch zu früh, sich konkrete Gedanken darüber zu machen, wie selbstfahrende Öffis eine baldige Lösung für die eigene Kommune sein könnten.

Österreichische Autozulieferbetriebe sind gefragt

Im Auge behalten sollte man die weiteren Entwicklungen auf dem Gebiet der hochautomatisierten Fahrzeuge dennoch. Dazu muss man gar nicht in die Ferne schweifen. Die österreichischen Autozulieferbetriebe sind in vielen Bereichen des automatisierten Fahrens international gefragt. In der Steiermark wird auf der A2, der A9 und ab 2019 auch im Grazer Stadtgebiet eine der umfangreichsten öffentlichen Testumgebungen für automatisierte Fahrzeuge in Europa geschaffen.

Der Zusammenschluss von Forschungseinrichtungen und Industriebetrieben aus dem steirischen Automobilcluster unter dem Namen „ALP.lab" will automatisierte Fahrsysteme im großen Stil entwickeln und sie als einen Wirtschaftsfaktor der Region etablieren. Unterstützt wird „ALP.lab" durch den „Aktionsplan automatisiertes Fahren" des Verkehrsministeriums. Für autonome Fahrsysteme muss man also nicht zwangsläufig über den großen Teich schielen. Die werden auch hierzulande geschaffen, made in Austria.