Kurt Widhalm
Kurt Widhalm: „Im Grunde weiß niemand, was die Schulärzte tun.“

"Schulärzte sollten viel mehr involviert werden"

Die Einrichtung einer Schularzttätigkeit in Österreich ist europaweit einzigartig und für die Gesundheit und vor allem für die Prävention bei Schulkindern enorm wichtig.

Nur in Österreich sind die Schulärztinnen und -ärzte regelmäßig anwesend. Ihre Aufgaben sind jedoch nicht klar genug beschrieben, sie sitzen eigentlich „zwischen zwei Stühlen“: Sie sind einerseits dem Bildungsministerium zugeordnet (als „Berater“), in Gesundheitsfragen tangieren sie sehr wohl die Gesundheitsbehörden. Ein großer Unterschied besteht auch zwischen den Bundesschulen und den Pflichtschulen, die dem jeweiligen Landesschulrat zugeordnet sind.

Schulärzte sind nicht unbedingt Kinderärzte

Die Aufgaben umfassen konkret eine „Beratungstätigkeit“, die auch Vorsorgemaßnahmen umfasst. Diese sind jedoch wenig konkret definiert. Selbstverständlich sind Ärztinnen und Ärzte verpflichtet, in jedem Notfall erste Hilfe zu leisten. Darüber hinaus sollten sie auch über die wesentlichen Kinder- und Jugendkrankheiten Bescheid wissen, das ist allerdings nur dann gewährleistet, wenn der Schularzt Facharzt für Kinder- und Jugendheilkunde ist; dies ist jedoch nicht immer der Fall, es sind auch praktische Ärzte, HNO-Ärzte mit diesen Aufgaben betraut.

Die heutige epidemiologische Situation (prädominant sind lifestyle-abhängige Erkrankungen, wie Übergewicht, Skelettprobleme, Hypertonie, Diabetes Typ II, Suchterkrankungen etc.) erfordert jedoch weitreichende Kenntnisse und vor allem – wie von der WHO den Ländern aufgetragen – die Implementierung von nachweisbar wirksamen Maßnahmen. Dazu ist zunächst ein valides Datenmaterial notwendig. 

Dies gibt es (die Kinder und Jugendlichen werden jährlich gewogen gemessen, untersucht). Diese Daten sind aber nicht für präventive oder allenfalls therapeutische Maßnahmen verfügbar – eigentlich eine Schande! 

Dokumentation und konkrete Reports gibt es nicht

Die Schulärztinnen und -ärzte müssten eigentlich in präventive Maßnahmen involviert werden beziehungsweise diese sogar implementieren. Dazu gehört auch die Erhebung des Impftstatus beziehungsweise die Durchführung von Impfungen.

Über all diese Maßnahmen – in manchen Schulen werden sie durchgeführt, aber niemand weiß davon – muss es eine evaluierte Dokumentation und konkrete Reports geben. Diese gibt es nicht!

Nur wenn man aus Berichten Tendenzen herauslesen kann, kann man auch Steuerungen vornehmen. 

Das vorhandene Datenmaterial könnte die Gesundheitspolitik enorm beeinflussen; so weiß im Grunde niemand, was die Schulärzte tun; ein wichtiges gesundheitspolitisches Potenzial geht verloren.