An der unerfreulichen Situation konnten mehrere Gesprächstermine im BMVIT, eine Begutachtung eines Ministerialentwurfs, eine Umfrage, zwei LH-Konferenzen, eine Behandlung im Verkehrsausschuss des Parlamentes sowie eine Befassung des Verfassungsdienstes im BKA nichts ändern.
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Eine unerfreuliche Chronologie

„Der Österreichische Gemeindebund drängt auf eine rasche Anpassung der StVO“, so lautete der Titel eines Beitrages in einer Kommunalausgabe – wohlgemerkt aus Jahr 2009. Eine gesetzliche Grundlage gibt es bis heute nicht.





Obwohl der Österreichische Gemeindebund von seiner ursprünglichen Forderung nach einer generellen und unmittelbaren Ermächtigung der Gemeinden zur automationsunterstützten Verkehrsüberwachung auf Gemeindestraßen zahlreiche Abstriche vorgenommen hat, scheitert selbst die Schmalspurvariante im Wege einer Verordnungsermächtigung der Länder am Handlungswillen des BMVIT und an (jedenfalls nicht mehr) berechtigten Kritikpunkten der Länder.



Nachfolgende Chronologie gibt einen Überblick über die bisherigen Geschehnisse und zeigt, dass eine weitere Blockadehaltung unbegründet ist:



Bis Juli 2008: Zahlreiche Gemeinden setzen auf ihren Gemeindestraßen Radargeräte zwecks punktueller Geschwindigkeitsmessung ein. Die Verfahren werden im Wege abgekürzter Verfahren (Anonymverfügung) erledigt.



Juli 2008: Datenschutzkommission erklärt Radar-überwachung durch Gemeinden mangels Vorliegen einer gesetzlichen Grundlage datenschutzrechtlich für unzulässig.



Dezember 2008: Verfassungsgerichtshof erklärt den Einsatz von videogestützter Geschwindigkeits- und Abstandsmesssysteme mangels Rechtsgrundlage für rechtswidrig.



März 2009: Novelle einer StVO tritt in Kraft, die den zuständigen Behörden die rechtliche Grundlage unter anderem für die automatisierte „Section-Control“, die „Abstandsmessung“ und die „Punktuelle Geschwindigkeitsüberwachung“ bietet. Forderungen der Gemeinden bleiben unberücksichtigt.



Juli 2009: 1. Besprechung mit dem BMVIT, dem Städtebund und den Ländern über einen Vorschlag des Österreichischen Gemeindebundes zur Änderung der StVO. Gemeindebund fordert eine unmittelbare Zuständigkeit in der StVO für die automationsunterstützte Verkehrsüberwachung.



September 2009: Verwaltungsgerichtshof hebt Bescheid der Datenschutzkommission vom 11. Juli 2008 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts auf.



Jänner 2010: Österreichischer Gemeindebund veröffentlicht Ergebnisse einer Umfrage zur Radar-überwachung durch Gemeinden; diese bestätigen die Notwendigkeit einer raschen Novellierung der

StVO.



Juni 2010: Datenschutzkommission hält in einem neu- ergangenen Bescheid an ihrer Rechtsansicht fest und erklärt die automatisierte Radarüberwachung mangels Vorliegens einer gesetzlichen Grundlage für unzulässig.



August 2010: 2. Besprechung mit dem BMVIT. Dieses stellt eine Änderung der StVO in Aussicht, wenn Einigkeit mit den Ländern besteht. Einige Länder fordern einheitliche Kriterien für die Überwachung sowie eine Strafgeldbeteiligung. Eine unmittelbare Zuständigkeit in der StVO wird abgelehnt.



November 2010: Die LH-Konferenz befasste sich unter anderem mit dem Thema „Automatisierte Verkehrsüberwachung durch Gemeinden“. Darin wird der Bund aufgefordert, rechtliche Grundlagen hierfür zu schaffen. Der Verwaltungsaufwand müsse aber abgegolten werden und es bedarf einheitlicher Kriterien.



Jänner 2011: Auf Grundlage des LH-Beschlusses bringt der Österreichische Gemeindebund einen neuen Vorschlag ein; dieser berücksichtigt die Bedenken der Länder (keine unmittelbare Zuständigkeit, Strafgeldbeteiligung, Anknüpfung an die Voraussetzungen des § 98b StVO).



März 2011: Der Verwaltungsgerichtshof bestätigt den Bescheid der Datenschutzkommission vom 30. Juni 2010.



Mai 2011: Die LH-Konferenz befasste sich neuerlich mit dem Thema. Die LH-Konferenz hält den Novellierungsentwurf für geeignet und geht davon aus, dass die noch offenen Detailfragen geklärt werden können.



August 2011: Das BMVIT schickt einen Ministerialentwurf in Begutachtung, der eine Verordnungsermächtigung der Länder sowie eine Strafgeldbeteiligung der Länder beinhaltet.



November 2011: 3. Besprechung mit dem BMVIT. Länder erachten den Ministerialentwurf noch nicht für beschlussreif, im Besonderen ist die Frage der Zulässigkeit abgekürzter Verfahren offen.



Mai 2012: Der BKA-Verfassungsdienst gibt eine Stellungnahme zur Zulässigkeit abgekürzter Verfahren ab und teilt mit, dass diese unter Zugrundelegung des Gesetzesvorschlags zulässig sind.

Juni 2012: Das BMVIT übermittelt informell einen abgeänderten Entwurf als Regierungsvorlage, der entsprechend den Forderungen der Länder Gründe für eine Überwachung anführt.



Oktober 2012: Das BMVIT übermittelt alle Stellungnahmen der Länder zur Regierungsvorlage, die größtenteils kritisch sind. So sei nicht geklärt, ob abgekürzte Verfahren auch dann zulässig sind, wenn Gemeinden Dritte mit Überwachungsmaßnahmen betrauen. Zum anderen fordern sie einen Beitrag des Bestraften an den Verfahrenskosten in Höhe von 20 Prozent der Strafe in der ersten Instanz sowie 30 Prozent der Strafe in der zweiten Instanz, mindestens jedoch jeweils 30 Euro.



Oktober 2012: In Umsetzung der Verwaltungsgerichtsbarkeit werden das VwGVG sowie Änderungen des VStG in Begutachtung geschickt. Den Entwürfen nach sind vom Bestraften zehn Prozent der verhängten Strafe, mindestens jedoch zehn  Euro (statt zuvor 1,5 Euro), und im Beschwerdeverfahren 20 Prozent der verhängten Strafe, mindestens jedoch zehn Euro (statt zuvor 1,5 Euro), als Beitrag zu den Verfahrenskosten zu tragen. Obwohl die Länder in der betreffenden Arbeitsgruppe vertreten waren, wurde weder dort noch im Begutachtungsverfahren darauf hingewiesen, dass damit die Forderungen nicht erfüllt sind.



Oktober 2012: Das BMVIT schickt einen Entwurf der 25. StVO-Novelle zur Begutachtung aus; dieser beinhaltet aufgrund der ablehnenden Haltung der Länder nicht die Radarüberwachung.

Dezember 2012: Der Verkehrsausschuss im Parlament beschließt eine Ausschussfeststellung, in der er das BMVIT auffordert, tätig zu werden.



Jänner 2013: Das VwGVG sowie die Änderungen des VStG werden unverändert beschlossen. Es werden aber die Strafrahmen bei abgekürzten Verfahren deutlich angehoben. Diese bringen den Ländern deutlich mehr Strafgeldeinnahmen.



Jänner 2013: Der Nationalrat beschließt die 25. StVO-Novelle ohne Berücksichtigung der Radarüberwachung durch Gemeinden.



Mai 2013: Schreiben des Gemeindebundes an Bundesministerin (BMVIT) mit der Bitte um Veranlassung der erforderlichen Schritte.



Oktober 2013: Stellungnahme des Gemeindebundes zur 26. StVO-Novelle; Forderung nach Umsetzung der Radarüberwachung.



März 2014: Beschlussfassung der 26. StVO-Novelle ohne Berücksichtigung der Anliegen der Gemeinden.



November 2014: Vorsprache beim neuen Bundesminister (BMVIT), dieser hält es sogar für sinnvoll, eine unmittelbare Zuständigkeit in der StVO zu verankern.



Februar 2015: Schreiben an Bundesminister (BMVIT) mit dem Ersuchen tätig zu werden. Antwort: Derzeit sei eine Initiative in dieser Angelegenheit nicht geplant.



September 2015: Die 27. StVO-Novelle wird ohne Berücksichtigung der Radarüberwachung beschlossen.