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Im Sinne des Prinzips „digital vor ambulant vor stationär“ soll vor allem der niedergelassene Bereich gestärkt werden.
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Politik

Nationalrat beschloss Gesundheitsreform

14. Dezember 2023
Der Nationalrat den Startschuss für die umfassende Gesundheitsreform gegeben, die bis 2028 über zwei Milliarden Euro jährlich zusätzlich in den Finanzausgleich einbringen wird. Oberstes Ziel ist, eine hochwertige medizinische Versorgung für alle Bürgerinnen und Bürger sicherzustellen.

Mit der nun beschlossenen Reform soll sich für die österreichischen Patientinnen und Patienten vieles verbessern. Davon waren jedenfalls die beiden Regierungsfraktionen überzeugt, die dem umfassenden Gesetzeswerk mehrheitlich die Zustimmung erteilten.

Es sei aus seiner Sicht ein großer Erfolg, dass jährlich rund eine Milliarde Euro mehr alleine für den Gesundheitssektor bereitgestellt werden, wobei die Vergabe der Mittel erstmals an Reformen geknüpft sei, unterstrich Minister Johannes Rauch. Bei der Umsetzung soll ein Fokus auf der Erweiterung der Angebote im kassenärztlichen Bereich sowie bei den Primärversorgungseinheiten liegen.

Kernstück der Reform ist eine Sammelnovelle (Vereinbarungsumsetzungsgesetz 2024), die in zweiter Lesung teilweise auch von der SPÖ mitgetragen wurde, und die Änderungen in insgesamt 13 Rechtsmaterien vornimmt.

Niedergelassener Bereich soll gestärkt werden

Im Sinne des Prinzips „digital vor ambulant vor stationär“ soll vor allem der niedergelassene Bereich gestärkt werden, was unter anderem durch eine vereinfachte Gründung von Gruppenpraxen, Primärversorgungseinheiten und Ambulatorien und eine Ausweitung des Leistungsangebots auch zu Tagesrandzeiten und an Wochenenden erreicht werden soll.

Wahlärzte zu ELGA verpflichten

Außerdem ist geplant, die Gesundheitsberatung 1450 auszubauen, eine verpflichtende Diagnosecodierung im niedergelassenen Bereich einzuführen und Wahlärztinnen und -ärzte zur Anbindung an das ELGA‑ und e‑card-System ab dem Jahr 2026 zu verpflichten. Bisherige Einspruchsmöglichkeiten der Ärztekammer – etwa gegen neue Kassenstellen oder Ambulatorien der Sozialversicherungsträger – sollen entfallen.

15a-Vereinbarungen

Neben dem sogenannten Vereinbarungsumsetzungsgesetz standen auf der Tagesordnung auch die 15a-B-VG-Vereinbarung „Zielsteuerung Gesundheit“, die die Eckpunkte und Inhalte der Zusammenarbeit zwischen dem Bund und den Ländern festlegt, sowie die 15a-B-VG-Vereinbarung über die Organisation und Finanzierung des Gesundheitswesens, die die Umsetzung der für den Gesundheitsbereich relevanten Teile des Finanzausgleichs für die Jahre 2024 bis 2028 abbildet.

Diese Vorlagen wurden mit den Stimmen von ÖVP, SPÖ und Grünen beschlossen. Als miterledigt galten zwei Initiativen der NEOS, in denen es einerseits um die Veröffentlichung bestimmter Qualitätsindikatoren auf Ebene der Krankenhausstandorte und andererseits um die Einrichtung strukturierter Versorgungsprogramme geht. ÖVP, SPÖ, Grüne und NEOS sprachen sich auch dafür aus, die Gesundheitsreform mit Schwerpunkt im ambulanten Bereich bis spätestens 30. Juni 2027 einer Evaluierung zu unterziehen.

Zusätzlich eine Milliarde pro Jahr für das Gesundheitswesen

Was die finanzielle Seite betrifft, so sollen von 2024 bis 2028 zusätzliche Mittel in das System fließen, um dringend erforderliche strukturelle Weichenstellungen vornehmen zu können.

Für den niedergelassenen Bereich sind jährlich 300 Mio. € vorgesehen, also insgesamt 1,5 Milliarden Euro über die ganze Laufzeit des Finanzausgleichs gerechnet.

Der spitalsambulante Bereich erhält allein im Jahr 2024 550 Millionen Euro Dieser Betrag erhöht sich schrittweise in den folgenden Jahren, wodurch sich bis 2028 eine Summe von rund drei Milliarden Euro ergibt. Wenn man Gesundheit und Pflege gemeinsam betrachtet, dann stellt der Bund zusammen mit den Ländern bis Ende 2028 sogar 14 Milliarden Euro für die beiden Sektoren bereit, heißt es aus dem Ressort.

Rauch: Reform garantiert hochwertige und wohnortnahe Gesundheitsversorgung

Da eine Finanzierung des Gesundheitswesens aus einer Hand derzeit nicht umsetzbar war, sei ihm als einziger Hebel der Finanzausgleich geblieben, gab Bundesminister Johannes Rauch zu bedenken. Darauf basiere nun eine Reform, die darauf abziele, die bestehenden Defizite anzugehen und die Versorgung der Patientinnen und Patienten zu verbessern.

Kernelemente seien dabei der Ausbau der niedergelassenen Kassenstellen, eine Verbesserung der Verträge und der Arbeitsbedingungen sowie ein einheitlicher Leistungskatalog vom Bodensee bis zum Neusiedlersee.

Es sei aus seiner Sicht ein großer Erfolg, dass jährlich rund eine Milliarde Euro mehr alleine für den Gesundheitssektor bereitgestellt werden, wobei die Vergabe der Mittel erstmals an Reformen geknüpft sei. Eine zentrale Rolle komme der Bundeszielsteuerungskommission zu, die in Hinkunft gemeinschaftlich den Einsatz der Gelder verwalte und entsprechend gestalten könne. Bei der Umsetzung der Reform soll ein Fokus auf der Erweiterung der Angebote im kassenärztlichen Bereich sowie bei den Primärversorgungseinheiten liegen, wobei seit der Änderung der rechtlichen Grundlagen und vor allem seit der Beseitigung der Vetomöglichkeit der Ärztekammer ein Gründungsboom eingesetzt habe.

Beim Schwerpunkt Telemedizin setze man auf das Prinzip „digital vor ambulant vor stationär“, auf die Erweiterung der Hotline 1450 sowie die verpflichtende Anbindung aller Ärztinnen und Ärzte an ELGA. Klar sei für ihn, dass damit auch ein Lenkungseffekt eintrete, weil die Menschen dann nicht mehr automatisch ins Spital gehen, sondern am „best point of service“ behandelt würden.

Stellung nahm Rauch auch zum Bewertungsboard, wobei er erneut unterstrich, dass damit vor allem mehr Transparenz geschaffen werden soll. Bisher habe jedes Krankenhaus eigene Verhandlungen mit den Pharmafirmen geführt, die zudem völlig intransparent abgelaufen seien. Außerdem würden nur fachkundige Vertreter:innen aus den Bereichen Humanmedizin und Pharmazie im Gremium sitzen, das nur Empfehlungen aussprechen könne. Die Letztentscheidung bezüglich der Arzneimittel liege weiterhin beim behandelnden Arzt oder der behandelnden Ärztin bzw. beim Spital.

Kritik der Opposition

Weniger zufrieden zeigte sich die Opposition, die nicht mit Kritik sparte.

Der geschäftsführende SPÖ-Klubchef Philip Kucher sagte, die Mittel der Reform würden nicht ausreichen – und zwar weder für den Gesundheits- noch für den Pflegebereich. Bei der Reform der Kassen sei eine Patientenmilliarde versprochen worden, die es bis heute nicht gebe. Deshalb müssten die Menschen weiter lange suchen, um etwa einen Kinderarzt oder eine Kinderärztin zu finden. Die SPÖ fordert eine gesetzliche Garantie für einen Facharzttermin innerhalb von 14 Tagen.

SPÖ-Klubobmann Philip Kucher, Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) und Sozialminister Johannes Rauch (GRÜNE)
SPÖ-Klubobmann Philip Kucher, Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) und Sozialminister Johannes Rauch (GRÜNE). Foto: Parlamentsdirektion/Johannes Zinner

Für die FPÖ ist die Gesundheitsreform nur „ein Griff ins Klo“, mit der „planwirtschaftlichen Lösung“ riskiere man „das Leben der Österreicher und Österreicherinnen“.

FPÖ-Gesundheitssprecher Gerhard Kaniak blieb bei seinem Standpunkt, wonach die Ausschüttung von „unglaublich viel Geld“ nicht automatisch zu einer „unglaublich guten Reform“ führen würde. Im vorliegenden Fall sei seiner Meinung nach sogar das Gegenteil der Fall, was anhand von vielen Beispielen untermauert werden könne. Kritisch beurteilte Kaniak vor allem, dass zwei Drittel der Gelder wieder in den intramuralen Bereich fließen würden und dass damit genau jene Bereiche finanziert werden sollen (z. B. Schmerzversorgung, Diabetikerbetreuung), die man eigentlich in den niedergelassenen Bereich transferieren müsste.