Boden kann nicht „gemacht“ werden.
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Land der Häuser, Land der Brachen

Täglich werden in Österreich rund zehn Hektar Land verbaut, versiegelt, der Bewirtschaftung durch Landwirtschaft entzogen. Die Schäden durch Starkregen und Überschwemmungen werden immer größer. Einer der Gründe ist, dass das Wasser nicht mehr genug Fläche hat, um zu versickern. Der Boden kann auch kein CO₂ mehr speichern, weil er immer mehr zubetoniert wird. Zudem haben wir die größte Dichte an Straßen und Supermarktflächen – viel zu viel für unser kleines Land, das aufgrund der Topografie zwar reich an Natur, aber im Vergleich arm an nutzbarer (bebaubarer) Fläche ist.

Zudem gibt es in Österreich, wie Kurt Weinberger, Chef der Hagelversicherung, im Interview betont, auf einer Fläche von rund 40.000 Quadratmeter leer stehende Industriebrachen.

Überdies befinden sich die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister in einer „Sandwich-Position“, wie Weinberger anmerkt: Einerseits müssen sie die Wünsche der eigenen Bürger berücksichtigen und andererseits sollen sie mit der Umwelt verantwortungsvoll umgehen. Sie seien „zu nah am Bürger“, wie Weinberger betont.

Was einmal tot ist, bleibt tot

Das alles zusammen genommen mache auch die Auswirkungen so fatal. Irreversibel. Denn, „was einmal tot ist, bleibt tot“. Gemeint ist mit dieser drastischen Umschreibung, dass Boden nicht „gemacht“ werden und daher auch nicht mehr landwirtschaftlich genutzt werden kann. „Das gefährdet die Ernährungssicherheit Österreichs“, so Weinberger. Und nach einer Berechnung seiner Hagelversicherung würden auch rund 500.000 Arbeitsplätze an der Landwirtschaft hängen. An die gelte es ebenfalls zu denken.

Was tun wir nun mit dieser Situation?

Weder eine zu große Zersiedelung der Landschaft noch ein Aussterben der Innenstädte ist wünschenswert. Die Bürgermeister und die Gemeinden wissen das schon länger und versuchen auch gegenzusteuern.

Oft steht dabei das Wort von der „Enteignung“ im Raum, denn wie sonst könnte man unwillige Eigentümer dazu bringen, ihre leer stehenden Gebäude in den Zentren wieder „auf den Markt“ zu bringen oder Unternehmen dazu, die ungenutzten Flächen des alten Fabriksstandorts nicht mehr als Wertanlage zu betrachten und wieder in Verkehr zu bringen?

Förderungen für Revitalisierungen?

Aber gerade an Enteignung will niemand denken, auch nicht die Hagelversicherung. Kurt Weinberger schlägt im Interview staatliche Förderungen für Revitalisierungen vor, und zwar einen „nicht zurückzuzahlenden Zuschuss als Anstoßförderung“. Zusätzlich könnte der AfA, der Absetzbetrag für Abnutzung von Altbauten, von derzeit 1,5 Prozent verdoppelt oder gar verdreifacht werden. Damit wäre es wirtschaftlich viel interessanter, auf Altbestand zuzugreifen. Das wäre, so Weinberger, ein Teil eines „Maßnahmenbündels, damit es für einen institutionellen oder für einen privaten Eigentümer wirtschaftlich vertretbar ist, das er auf Altsubstanz greift“.

Als ein Teil dieses Maßnahmenbündels könnte auch  der Finanzausgleich anders geregelt werden. Nicht mehr nur die Kopfzahl wäre ausschlaggebend, sondern auch der Umgang mit dem Boden würde eine Rolle spielen. Aber dazu müsste auch die, wie Weinberger sagt, „falsch steuernde Kommunalsteuer“ auf eine übergeordnete Eben gehoben werden und von Ländern oder gar dem Bund gesteuert werden. 

Und die Sache mit der örtlichen Raumordnungskompetenz?

Als vermeintlicher Lösungsansatz wird von den verschiedensten Stellen (die meist mit Gemeinden oder Kommunalpolitik wenig zu tun haben) oft vorgeschlagen, dass die Bürgermeister und der Gemeinderat als Baubehörde erster Instanz eben diese (Widmungs-)Kompetenz an eine übergeordnete Stelle abgeben sollten. Warum? Weil sie zu nahe am Bürger seien und daher in einer „Zwickmühle“.

Gemeindebund-Vizepräsident Hans Hingsamer hat diese Frage aus Sicht der Gemeinden in einem Ö1-„Mittagsjournal“ beantwortet: „Der Bürgermeister ist nicht widmungskompetent, sondern der Gemeinderat. Er ist Baubehörde, aber nicht Raumordnungsbehörde – das sind die Gemeinderäte.“

Und letztendlich, so Hingsamer, machen Raumordnung- und Flächenwidmungsbeschlüsse zwar die Gemeinderäte in der Einleitung, es entscheidet aber am Ende des Prozesses immer die Raumordnungsbehörde des Landes, ob einer Widmung bzw. einem Widmungswunsch zugestimmt und diese(r) in Folge auch genehmigt wird. „Und inzwischen sind die Vorgaben der Länder für die Genehmigung von Flächen sehr rigoros. Letztlich ist Flächenwidmung nicht allein die Entscheidung des Gemeinderates, sondern die der Raumordnungsbehörde des Landes“, so Hingsamer.