Mutter und Tochter trinken von der Wasserleitung
In Österreich kann man Wasser ungefährdet aus der Leitung trinken.
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Klimawandel führt zu Konflikten über Trinkwassernutzung

8. Mai 2019
Österreich hat eine ausgezeichnete Trinkwasserqualität und eine hervorragend funktionierende Wasserversorgung. Allerdings ist nicht alles eitel Wonne. Das war der Grundtenor der Wortmeldungen bei der Enquete des Bundesrats zum Thema „Trinkwasser schützen und sichern“, bei dem es vorrangig um konkrete Maßnahmen zum Trinkwasserschutz und um die Förderung der Siedlungswasserwirtschaft ging.

So sorgt etwa die mancherorts hohe Nitratbelastung des Grundwassers für Sorgenfalten. Außerdem drohen nach Einschätzung von Experten Nutzungskonflikte zwischen Trinkwasserversorgern und der Landwirtschaft, sollte es infolge des Klimawandels gehäuft zu längeren Trockenperioden kommen.

Rechtsanwalt Christian Onz, Experte für Wirtschafts- und Umweltrecht, forderte in diesem Zusammenhang klare gesetzliche Regelungen, um der Trinkwasserversorgung im Falle von Wasserknappheit Vorrang einzuräumen.

Gemeinden wollen Förderung für Wasserversorgung

Auf ausreichende Fördermittel zur weiteren Sicherstellung einer hochwertigen Wasserversorgung und Abwasserentsorgung pochen Städte und Gemeinden.

Das solidarische Finanzierungssystem dürfe nicht in Frage gestellt werden, bekräftigten der Präsident des Österreichischen Gemeindebundes Alfred Riedl und Klagenfurts Bürgermeisterin Maria-Luise Mathiaschitz.

Für eine Privatisierung der Wasserversorgung erhob keiner der Experten die Stimme, die öffentliche Wasserversorgung in Österreich wird vielmehr als Vorbild gesehen.

Trinkwasserversorgung muss Vorrang haben

Drohende Nutzungskonflikte zwischen Trinkwasserversorgern und anderen Grundwassernutzern sprachen neben Onz auch der Rektor der Technischen Universität Graz Harald Kainz, Iris Strutzmann von der Abteilung Umwelt und Verkehr der Arbeiterkammer Wien und Helmut Herlicska vom Wasserleitungsverband Nördliches Burgenland an. Zwar habe die Trinkwasserversorgung schon nach geltender Rechtslage grundsätzlich Vorrang, erläuterte Onz, im Fall des Falles drohten aber langwierige Verfahren.

Um für Konfliktfälle gewappnet zu sein, plädierte Onz deshalb dafür, das seiner Meinung nach grundsätzlich vorbildliche Wasserrechtsgesetz zu novellieren und Wasserentnahmen für agrarische Bewässerungszwecke im Einzugsgebiet von Trinkwasserversorgungsanlagen nur noch mit der Auflage zu bewilligen, dass die Wasserentnahme in Trockenzeiten verringert wird. Diese Vorgabe soll bei Trinkwasserknappheit automatisch zum Tragen kommen. Auch Neubewilligungen für Trinkwasserentnahmen müssten Vorrang gegenüber anderen Wassernutzern haben.

Zudem braucht es nach Meinung von Onz begleitende Maßnahmen wie die Ausstattung von Feldberegnungsbrunnen mit Wasserzählern und die Bereitstellung ausreichender personeller Ressourcen, um Kontrollen zu gewährleisten. Im Kontrollbereich sieht er durch Personalkürzungen in der Verwaltung schon derzeit Probleme.

Probleme durch hohe Nitratbelastung des Grundwassers

Mehrfach angesprochen wurde auch die mancherorts hohe Nitratbelastung des Grundwassers, vor allem in landwirtschaftlich intensiv genutzten Gebieten.

Auch wenn überhöhte Nitratwerte aufgrund verschiedener Maßnahmen der Wasserversorger nicht zwangsläufig auf die Qualität des Trinkwassers durchschlagen, sehen Betroffene und ExpertInnen Handlungsbedarf.

Schließlich sind laut Strutzmann nach wie vor rund 10 Prozent der österreichischen Haushalte an einen Hausbrunnen angeschlossen, besonders viele in Oberösterreich.

Zudem würden hohe Nitrateinträge - genauso wie Pestizidrückstände - aufgrund der erforderlichen Wasseraufbereitung Mehrkosten für die Wasserwerke und die Konsumentinnen und Konsumenten verursachen, wie sie hervorhob.

Rund zehn Prozent der Grundwasserkörper weisen laut Strutzmann erhöhte Nitratwerte bzw. andere Belastungen auf.

Besonders Tal- und Beckenlagen im Norden, Osten und Südosten Österreichs sind betroffen, etwa das Weinviertel, die Traun-Enns-Platte, das Nordburgenland und das untere Murtal, wie die Experten schilderten. Zwar ortet der Generalsekretär der Landwirtschaftskammer Ferdinand Lembacher einen positiven Trend mit sinkenden Nitratwerten, nach Meinung von Strutzmann und Herlicska tut die Politik aber zu wenig, um dem Problem Herr zu werden.

Zwar verwies Strutzmann auf ein vorbildliches Projekt in der südlichen Steiermark für vorsorgenden Grundwasserschutz, das Landwirte unter anderem zu einem eingeschränkten Düngemitteleinsatz und genauen Aufzeichnungen über ausgebrachte Düngemittel und Pestizide verpflichtet. Dieses Projekt wurde auch von Rektor Kainz ausdrücklich gelobt. Insgesamt fehlt es nach Ansicht von Strutzmann aber an mutiger Politik, etwa was das Aktionsprogramm Nitrat betrifft. Freiwillige Maßnahmen würden nicht ausreichen, um die Situation zu verbessern, ist sie überzeugt.

Wasserversorger hoffen auf Machtwort des EuGH

Mit Spannung erwartet Herlicska in diesem Zusammenhang ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), das noch vor dem Sommer vorliegen könnte.

Dabei geht es vor allem um die Frage, inwieweit ein Anspruch auf Maßnahmen zur Senkung der Nitratbelastung des Grundwassers besteht.

Laut Herlicska hat sich der Wasserleitungsverband gemeinsam mit einer Gemeinde und einem Biobauern wegen unzureichender Maßnahmen des Umwelt- und Landwirtschaftsministeriums an den EuGH gewandt, wobei die Generalanwältin des EuGH ihm zufolge die Position der Beschwerdeführer unterstützt.

Experte schlägt höhere ÖPUL-Förderungen vor

Dass die Politik mehr tun könnte, bestätigte auch Max Kuderna vom beratenden Ingenieursbüro wpa, der auch als gerichtlich beeideter Sachverständiger für Boden- und Wasserschutz tätig ist.

Er regte unter anderem an, die ÖPUL-Förderungen für die Teilnahme am Programm "vorbeugender Grundwasserschutz" zu erhöhen und mittel- bis langfristig bestimmte Auflagen gesetzlich zu verankern. Zudem könnte seiner Meinung nach eine Ausweitung systematischer Nitratmessungen von Böden, wie sie in Teilen Oberösterreichs, Niederösterreichs und des Burgenlands erfolgen, dazu beitragen, die Ausbringung von Düngemittel ohne Ertragseinbußen bei der Ernte zu reduzieren.

Auch den in Oberösterreich praktizierten integrierten Beratungsansatz, bei dem sich Landwirte unter fachlicher Begleitung der Landwirtschaftskammer regelmäßig austauschen, hält Kuderna für erfolgversprechend.

Weitere Vorschläge betreffen langfristige Messreihen im Sickerwasser sowie die Nutzung von Prognosemodellen zur Vorhersage der Grundwasserqualität. Auch Herlicska setzt auf eine Reduzierung des Düngemitteleinsatzes, etwa durch "smart farming" und mehr Biolandbau.

Landwirtschaftskammer lehnt weitere gesetzliche Auflagen für Bauern ab

Eine ausreichende Dotierung von Förderprogrammen ist auch Ferdinand Lembacher, Generalsekretär der Landwirtschaftskammer, ein Anliegen.

In diesem Sinn hält er die vorgesehenen Kürzungen der EU-Agrarförderungen, etwa für die Begrünung von Ackerflächen im Winter, für kontraproduktiv. Neue gesetzliche Regelungen lehnt er angesichts der ohnehin schon vielfältigen Auflagen für Landwirte hingegen dezidiert ab. Auch grundsätzlich sollten Anreize vor Strafen Vorrang haben.

Die Landwirtschaft nehme ihre Verantwortung im Hinblick auf Wasserschutz wahr, bekräftigte Lembacher. Sie gehe sehr verantwortungsbewusst mit der Ressource Wasser um. Allerdings seien auch die Landwirte von den klimatischen Bedingungen abhängig. In einigen Regionen sei ein wirtschaftlicher Anbau ohne künstliche Bewässerung kaum mehr möglich. 

Es ist aber nicht nur die Landwirtschaft, die die Qualität des Grundwassers gefährdet, wie mehrere Experten betonten: Auch die stärkere Flächennutzung, Verkehrswege, Beschneiungsanlagen, Golfplätze und industrielle Anlagen mit direkter Wasserentnahme haben ein gewisses, wenn auch geringeres Bedrohungspotential.

Wasser ist auch mit Pestiziden und anderen Stoffen belastet

Was die Belastung des Grundwassers mit Pestizidrückständen bzw. deren Abbauprodukte betrifft, regten Herlicska und Strutzmann an, bereits im Zulassungsverfahren für Pestizide den Aspekt des Grundwasserschutzes stärker zu beachten.

Gleichzeitig warnte Herlicska vor übertriebener Sorge, was diverse nachgewiesene Spurenstoffe im Waser betrifft, und kritisierte in diesem Zusammenhang auch die derzeit in Verhandlung stehende neue EU-Trinkwasserrichtlinie.

So sieht er etwa nicht ein, warum Spurenstoffe im Ultrabereich, die keinerlei Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit haben, zu einem Aufbereitungszwang führen sollen. Strutzmann drängte allerdings darauf, belastende Stoffe im Wasser wie Arzneimittelrückstände und Antibiotika weiter im Auge zu behalten, auch wenn diese im unteren Nanogramm-Bereich liegen.

Qualitativ hochwertige Trinkwasserversorgung mit leistbaren Gebühren

Allgemein hielt Strutzmann in Einklang mit anderen Expertinnen und Experten fest, dass Österreichs Wasserversorgung mit sehr guter Qualität, Leistbarkeit und Vorsorge punkte.

Das hoben auch TU-Rektor Kainz, Gemeindebundpräsident Riedl und die Klagenfurter Bürgermeisterin Mathiaschitz, stellvertretende Präsidentin des Österreichischen Städtebundes, hervor. Mathiaschitz und Riedl machten dafür nicht zuletzt das solidarische finanzielle Zusammenwirken von Bund, Ländern und Gemeinden verantwortlich. Dadurch sei es möglich, die Wassergebühren sozial verträglich zu halten, betonte Riedl und warnte davor, am solidarischen Finanzierungssystem zu rütteln.

Viele alte Wasserleitungen müssen erneuert werden

Die Wasserversorger stehen jedenfalls vor enormen Herausforderungen, wie der Grazer TU-Rektor Kainz veranschaulichte.

Viele Anlagen seien in die Jahre gekommen und zu einem großen Teil über 50 Jahre alt. Bei mangelnder Wartung und Reparatur drohten Schäden im System und zunehmende Wasserverluste durch Lecks.

Die Reparatur und der notwendige Neubau von Anlagen werden seiner Einschätzung nach nicht Jahre, sondern Jahrzehnte in Anspruch nehmen. Dafür brauche es nicht nur eine strategische Planung, sondern auch ausreichende Fördermittel. Er sieht die Politik außerdem gefordert, sicherzustellen, dass die Einnahmen durch Wassergebühren widmungsgemäß verwendet werden.

Rückstau bei Förderanträgen

Sowohl Gemeindebund-Chef Riedl als auch Bürgermeisterin Mathiaschitz wiesen auf den enormen Rückstau bei Förderanträgen nach dem Umweltförderungsgesetz hin. Demnach warten seit der letzten Sitzung zur Fördervergabe am 12. April dieses Jahres weitere 1.680 Ansuchen auf eine Förderzusage. Für viele Projekte gelte eine zweijährige Wartezeit auf Förderzusagen, skizzierte Riedl.

Statt der pro Jahr erforderlichen 130 Millionen Euro stünden nur rund 80 Millionen zur Verfügung. Zudem wiesen er und Mathiaschitz darauf hin, dass nicht nur alte Anlagen zu sanieren sind, sondern auch notwendige Neuerschließungen und der Klimawandel Investitionskosten verursachten. Nicht antasten will Riedl die 1,6 Milliarden Euro, die im Wasserwirtschaftsfonds liegen und ihm zufolge zweckgebunden sind.

Auch Krisenvorsorge erfordert hohe Investitionen

Franz Friedl, Geschäftsführer der Wasserversorgung Grenzland Süd-Ost, veranschaulichte anhand eines konkreten Beispiels, vor welchen Herausforderungen die Wasserversorger stehen.

Sein Wasserversorgungsverband hat bisher bereits 1,5 Millionen Euro dafür aufgewendet, um sich für ein mehrtägiges Blackout zu rüsten. Schließlich würde ein gänzlicher Ausfall der Stromversorgung binnen 24 Stunden auch die gesamte Trinkwasserversorgung in der süd-ost-steirischen Region zum Erliegen bringen, würden keine Maßnahmen ergriffen. Grund dafür ist unter anderem, dass das Wasser vom unteren Murtal in die Region gepumpt werden muss und auch Verteiler Strom benötigen.

Zum flächendeckenden Notstromprojekt gehören laut Friedl unter anderem Photovoltaikanlagen, mit Diesel gespeiste Notstromaggregate, die Errichtung einer eigenen Tankstelle und die Einrichtung von Sprechfunk. Rein aus Eigenmitteln, ohne öffentliche Förderungen, wäre eine derartige Investition nicht stemmbar, unterstrich er.

Ein Manko ist für ihn, dass nicht alle Teile dieser notwendigen Krisenvorsorge förderbar sind. Angestoßen von Rektor Kainz kam auch das Thema Cybersicherheit zur Sprache.

Breites Bekenntnis zur öffentlichen Wasserversorgung

Unumstritten ist das System der öffentlichen Wasserversorgung in Österreich. Keine bzw. keiner der Expertinnen und Experten stellte dieses in Frage. Die in anderen Ländern versprochenen Effizienzsteigerungen durch eine Privatisierung der Versorgung wurden langfristig nicht erreicht, sagte etwa Kainz.

Auch Strutzmann und Mathiaschitz wandten sich ausdrücklich gegen etwaige Liberalisierungs- und Privatisierungsbestrebungen: die Wasserversorgung in Österreich müsse weiter in öffentlicher Hand bleiben.

Pressedienst der Parlamentsdirektion – Parlamentskorrespondenz