Hochbehälter mit Wasserzulauf und Treppe in den Wasserspeicher
Ein Hochbehälter mit Wasserzulauf und Treppe in den Wasserspeicher.
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Wasserversorgung im Corona-Modus

Die Wasserversorgung bzw. die Abwasserentsorgung gehören zweifellos zur kritischen Infrastruktur. Dennoch finden sie medial keine Beachtung. KOMMUNAL hat nachgefragt, wie es aktuell in Österreichs Gemeinden um die Versorgungssicherheit punkto Wasser bestellt ist.

Die letzten Wochen haben viele Veränderungen und Einschränkungen gebracht. Neue Gebote, Verbote und Erlässe haben unser Leben mitunter ganz schön auf den Kopf gestellt. Stellungnahmen, Absagen, Diskussionsrunden, Verlautbarungen oder Pressekonferenzen wurden im Minutentakt über diverse Medien verbreitet.

Und egal worum es darin im Detail ging, hat sich neben dem Aufruf, sich doch bitte (weiterhin) an die Maßnahmen zu halten, eine weitere ungeschriebene Regel etabliert: Abschließend hat man sich in besonderem Maße bei den systemrelevanten Mitmenschen zu bedanken, die als neue Nationalhelden gefeiert werden. Obligatorisch dabei sind jedenfalls zu nennen: die Krankenschwestern, die Pflegerinnen und natürlich die Supermarktkassiererinnen. Fakultativ werden auch noch die Liefer- und Zustelldienste oder die Polizei hervorgehoben. Die Wasserversorger hingegen wurden nicht ein einziges Mal erwähnt.

Nun soll hier nicht eines gegen das andere aufgewogen werden. Ebenso wenig sei den oben Erwähnten der Dank missgönnt – ganz im Gegenteil! Es verwundert allerdings, dass beim Schlagwort „systemrelevant“ ein Teil der Daseinsvorsorge omnipräsent ist, nämlich die Gesundheits- und Sozialdienstleistungen, während andere Teile wie Wasser- und Energieversorgung oder Abwasser- und Müllentsorgung nicht einmal mitgedacht werden.

Grund genug für KOMMUNAL, einen Blick auf diese „unsichtbaren“ Systemerhalter zu werfen. Genauer gesagt auf die Wasserversorgung und Abwasserentsorgung. Wie sieht deren Situation aus und wie fragil ist die Wasserversorgung? Drohen eventuell nach Klopapier, Nudeln und Schutzausrüstung auch hier Engpässe?     

„Da kann ich beruhigen“, antwortet Manfred Eisenhut, seines Zeichens Bereichsleiter Wasser bei der ÖVGW, der Österreichischen Vereinigung für das Gas- und Wasserfach. „Wir haben eine Umfrage unter unseren Mitgliedern gemacht. Es hat noch keiner wirklich ein versorgungstechnisches Problem.“

Betrieb der Wasserentsorgung funktioniert, wenn auch auf Sparflamme

Die Betriebe laufen, allerdings auf Sparflamme. „Die einen sagen Wochenendbetrieb dazu, die anderen Notbetrieb. Im Klartext heißt das, es wurden die Baustellen eingestellt und nicht unbedingt notwendige Tätigkeiten werden bis auf Weiteres nicht durchgeführt. Auch Kundenkontakt wird so weit wie möglich vermieden, sprich Arbeiten wie der Wasserzählertausch sind eingestellt und werden zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt“, schildert Eisenhut die derzeitige Lage.

Manfred Eisenhut
Manfred Eisenhut, Bereichsleiter Wasser ÖVGW: „Solange die Gesundheit der Mitarbeiter gewährleistet ist, gibt es auch kein Versorgungsproblem.“

„Wir haben in der Mitgliederbefragung natürlich auch die Frage gestellt: Was ist, wenn das jetzt monatelang so weitergeht? Wird es auch dann versorgungstechnisch kein Problem geben? Ergebnis: Das Kritische ist die Gesundheit der Mitarbeiter. Solange die gewährleistet ist, gibt es auch kein Versorgungsproblem“, erklärt Eisenhut.

Bevölkerung ist beruhigt bezüglich Wasserversorgung in Österreich

Auch in der Bevölkerung dürfte keine Angst vor einem Zusammenbruch der Wasserversorgung umgehen. Zu Beginn der Corona-Krise gab es zwar gehäuft Anfragen an die Betreiber, ob das Virus über das Trinkwasser übertragbar sei, aber seit die Österreichische Agentur für Ernährungssicherheit (AGES) das verneint hat, ist diesbezüglich wieder Ruhe eingekehrt.

„Alles im grünen Bereich, daher ist die Wasserversorgung momentan kein Thema, auch nicht in der öffentlichen Medienberichterstattung“, fasst es der Wasserwirtschaftsexperte zusammen.      

Strikt getrennte Teams sollen Wasserversorgung/Abwasserentsorgung sicherstellen

Schauplatzwechsel ins niederösterreichische Industrieviertel. Hier leitet Wolfgang Scherz als Geschäftsführer des Abwasserverbands Wiener Neustadt-Süd die örtliche Abwasserentsorgung. Er erzählt, welche Vorkehrungen angesichts der Pandemie dort getroffen wurden:

Wolfgang Scherz
Wolfgang Scherz, Geschäftsführer des Abwasserverbandes Wiener Neustadt-Süd: „Wir arbeiten in separierten Teams, die einander physisch nicht begegnen.“

„Wir haben mit 16. März umgestellt, und sind damit als Abwasserverband Wiener Neustadt-Süd in bester Gesellschaft mit den anderen großen Kläranlagenbetreibern. Wir arbeiten in separierten Teams, die sich physisch nicht begegnen. Wir haben im Wesentlichen drei Teams gebildet. Das heißt, wenn mir ein Team ausfällt, habe ich noch immer zwei zur Verfügung. Davon abgesehen haben wir großen Wert auf die strikte Trennung von Mitarbeiterteams und Verwaltung gelegt. Und die wird seitdem konsequent durchgezogen, sodass es zu keinem Totalausfall der Betriebsmannschaft kommen sollte. Das Risiko ist jedenfalls sehr stark gesenkt.“

Derzeit keine Kanalarbeiten wegen Corona

Die Gefahr, dass innerhalb der Teams der erforderliche Mindestabstand unterschritten wird - etwa bei Arbeiten in einem engen Schacht oder Kanal –, wird so weit wie möglich vermieden:

„Die Arbeiten im Kanal wurden eingestellt. Sollte es irgendwo einen Notfall geben oder eine Störung, die unbedingt behoben werden muss, wird natürlich auch weiterhin sofort eingeschritten, aber davon abgesehen gibt es weder Routinearbeiten am Kanal noch Sonstiges in diese Richtung. Das wird österreichweit so gehandhabt. Diesbezüglich haben wir uns abgestimmt, sodass nur noch im Notfall hinausgefahren wird, dementsprechend selbstverständlich mit persönlicher Schutzausrüstung, bestehend aus Handschuhen, Mundschutz, Augenschutz etc.“, erklärt Scherz, „und im Kläranlagenbereich ist es an und für sich kein Problem, die Mindestabstände einzuhalten.“

Arbeiten in einem Kanal
In der Abwasserentsorgung sind die Bediensteten mit einer Vielzahl von Krankheitserregern konfrontiert, ganz unabhängig davon, ob gerade eine Pandemie herrscht oder nicht. Foto: stock.adobe.com/dkHDvideo

Keine Corona-Gefahr im Abwasser

Die Mitte April kolportierte Nachricht, dass in der Schweiz die Abwässer analysiert werden sollen, um zu erkennen, wo es Infektionen mit dem Coronavirus gibt, überraschte Scherz keineswegs. Schon vierzehn Tage zuvor sei in Belgien ein derartiger Nachweis gelungen.

„Das gibt es auch aus anderen Bereichen und es ist nicht das erste Mal, dass über das Abwasser versucht wird, einen Footprint über das Einzugsgebiet zu erstellen. Es wird auch von der Universität in Innsbruck einen Versuch in diese Richtung geben, darüber sind wir informiert. Man muss aber dazusagen, dass es hier nicht um DNA geht, sondern um RNA. Das sind nur noch Fragmente einer DNA. Die kann man nachweisen, sie haben aber keine Auswirkung als Risiko auf unsere Mitarbeiter, denn die Viren, genauer gesagt ihre Überreste, stellen keine Gefahr mehr dar“, erklärt Scherz und verweist auf Prof. Andreas Farnleitner, den Leiter des Forschungszentrums „Wasser und Gesundheit“ sowie der Forschungsgruppe Umweltmikrobiologie und Molekulare Diagnostik an der TU Wien.

Dessen Team beschäftigt sich seit Jahren mit Krankheitserregern in der Umwelt: „Man muss sich nur einige der ganz grundlegenden Eigenschaften des Virus ansehen, um zu verstehen, wie es sich verhält“, sagt Farnleitner. „Das können alle namhaften Wasserhygieneorganisationen auf nationaler und internationaler Ebene mit Sicherheit schon jetzt sagen, auch wenn es dazu für genau dieses Virus natürlich noch keine experimentellen Daten gibt.“ Grundsätzlich sei das Coronavirus sehr anfällig für Zerstörung.

Andere Viren sind größeres Problem im Abwasserbereich

Farnleitner gibt in diesem Zusammenhang auch zu bedenken, dass es zahlreiche andere Viren gibt, die im Abwasser vorhanden sind und denen die Mitarbeiter in der Kanalisation und der Kläranlage tagtäglich ausgesetzt sind. Diese Krankheitserreger sind viel intensiver und höher risikobehaftet als das Coronavirus, weswegen die betroffenen Arbeiter seit jeher eine Schutzausrüstung benutzen müssen. Dies sei all jenen gesagt, die meinen, dass die nun üblicherweise hervorgehobenen Systemrelevanten ein höheres Infektionsrisiko eingehen.     

Wasserversorgung und Abwasserentsorgung sind sichergestellt

Wie schon Manfred Eisenhut von der ÖVGW versichert auch Scherz, dass abwassertechnisch alles im grünen Bereich liegt. „Wir hatten erst vor Kurzem eine Videokonferenz mit Kollegen vom Neusiedler See bis zum Bodensee. Egal ob Abwasserentsorger, Kanalerrichter oder Kläranlagenbetreiber - wir gehen alle einheitlich vor und sehen im Moment für die Infrastruktur der Daseinsvorsorge keine gröberen Probleme, selbst wenn sich das noch über Wochen hinziehen sollte.“

Auch bei Dingen wie Verbrauchsmaterial oder Werkzeugen, bei denen manche Betreiber unter Umständen vom Ausland abhängig sein könnten, wird es nicht kritisch werden, versichert Scherz: „Wir haben Versorgungssicherheit mit den Betriebsstoffen, die wir benötigen, und auch hinsichtlich der Klärschlammentsorgung, die natürlich ein ganz wesentliches Thema in unserem Bereich ist. Derzeit funktioniert alles gut und auch die Kollegen aus ganz Österreich, mit denen ich gesprochen habe, sehen derzeit keine außergewöhnlichen Probleme.“

FFP2-Masken sind derzeit schwierig zu bekommen

Gänzlich frei von Problemen ist die Branche dennoch nicht. Nur außergewöhnlich sind sie eben nicht, denn es sind die gleichen Heraus­forderungen, die sich vielen stellen: „Da stößt man überall ins selbe Horn. Es geht nämlich um persönliche Schutzausrüstung wie Masken und Ähnliches. Die mittlerweile wohlbekannten FFP2-Masken, die wir ohnehin als Standard in gewissen Bereichen haben, sind jetzt eben schwierig zu bekommen. Da muss man halt schauen, dass man irgendwie durchkommt, aber das ist nichts Außergewöhnliches, das hören Sie aus jedem Bereich“, konstatiert Scherz nüchtern.     

„Investitions- und Baumaßnahmen oder die Regeltechnik sind ohnehin relativ stark zurückgefahren. Es fängt erst jetzt wieder an, dass das schön langsam hochgefahren wird. Und auch da nur unter Einhaltung aller möglichen Sicherheitsvorkehrungen, die die Sozialpartner vereinbart haben. Wir sind Gott sei Dank - auch über den ÖWAV – gut aufgestellt“, resümiert der Geschäftsführer des Abwasserverbandes.

Wasserwarte und Klärwärter wurden einheitlich instruiert

Die aktuelle Lage in Österreichs Wasserversorgung erscheint eindeutig, dennoch sei der Vollständigkeit halber ein Blick in eine rurale Kommune geworfen.

Franz Xaver Hölzl, der Bürgermeister von Weitersfelden im oberösterreichischen Mühlviertel, zählt in seiner Gemeinde eine Hauptkläranlage für ca. 900 Einwohner sowie weitere 19 dezentrale Kläranlagen. Er berichtet, dass die Wasserwarte bzw. die Klärwärter von den Genossenschaften und dank klarer Handlungsempfehlungen des ÖWAV einheitlich und umfassend instruiert wurden. Der Betrieb sei bislang reibungslos verlaufen, die Abstandsregel als Schutzmaßnahme sei die einzige nennenswerte Umstellung gewesen und funktioniere problemlos, so Hölzl.

Gute Nachrichten sind insbesondere in Krisenzeiten Balsam für die Seele. Die Wasser- bzw. Abwasserwirtschaft in Österreichs Gemeinden ist selbst unter den aktuellen Umständen sicher und zuverlässig. Daran scheinen auch weder die Bevölkerung noch die Medien zu zweifeln. Dennoch sollte das niemand als selbstverständlich ansehen.

Ein Dank an die Wasserversorger - nicht nur in Krisenzeiten

Daher eine persönliche Bitte des Autors: Wenn bei nächster Gelegenheit abermals den systemrelevanten Helden gedankt wird, denken Sie auch an jene, die nicht sichtbar sind und doch Tag für Tag ihr Bestes geben, um uns unseren hohen Lebensstandard überhaupt erst zu ermöglichen. Auf Dauer gesehen ist kaum eine Funktion entbehrlich - spätestens, wenn man es vom wirtschaftlichen Standpunkt aus betrachtet.

Die Corona-Zeit wird vorübergehen, doch insbesondere die Beschäftigten in der Abwasserwirtschaft werden weiterhin mit unzähligen Krankheitserregern konfrontiert sein, so wie sie es auch zuvor schon immer waren - im Dienste der Allgemeinheit und zu unser aller Wohl.

Ein aufrichtiges Danke dafür!