Digitale Darstellung von Netzwerken
Mit Open Government soll nicht einfach breitere Verantwortlichkeit erzielt werden, sondern die Beziehung zwischen Staat und Bürgern sollte sich grundlegend ändern. Letztendlich sollen neue Wege der Problemlösung gefunden werden. Bild: Shutterstock

Open Government für kleine Orte und Städte

Open Government eröffnet neue Wege der Zusammenarbeit von Menschen und Institutionen. Die Bürgerinnen und Bürger werden stärker eingebunden. Das führt nicht nur zur besseren Lösung von Problemen, auch die demokratische Legitimation des Handelns von Behörden wird erhöht. Die US-Politikwissenschaftlerin Beth Simone Noveck bringt in der Festschrift, die anlässlich des 70-jährigen Bestehens des NÖ Gemeindebundes erschienen ist, Beispiele aus aller Welt.

Mit „Pulsepoint“ hat die Feuerwehr von San Ramon in Kalifornien eine App entwickelt, die es Menschen ermöglicht, in medizinischen Notfällen Leben zu retten. Durch sofortige und korrekt durchgeführte Wiederbelebungsmaßnahmen (CPR) nach einem Herzstillstand erhöhen sich die Überlebenschancen von Betroffenen um das Zwei- bis Dreifache. Jedoch erhält nicht einmal die Hälfte der Opfer eine solche Soforthilfe und muss auf die Ankunft und Hilfe von nur wenigen zur Verfügung stehenden offiziellen Ersthelfern wie Rettungssanitätern oder Polizisten warten. Mit Pulsepoint wird diese normalerweise ausschließlich von Staatsbediensteten ausgeführte Tätigkeit dezentralisiert, indem entsprechend geschulte Bürger als Ersthelfer tätig werden können.



Durch die Nutzung eines offenen Notruf-Datenfeeds kann Pulsepoint registrierte und für Wiederbelebungsmaßnahmen geschulte Personen wie beispielsweise Ärzte außer Dienst, Krankenschwestern und -pfleger, Polizisten und geschulte Laien verständigen, damit diese betroffenen Menschen in ihrer Nähe zu Hilfe kommen. Sie erhalten von Pulsepoint in Großbuchstaben die Nachricht „CPR Needed“ (Wiederbelebung erforderlich). Mit der App wurden bereits 11.000 Mal private Helfer in Herz-Notfällen zu Hilfe gerufen. Pulsepoint ist (wie GoodSAM im Vereinigten Königreich oder Dobrovoletz in Russland) ein Musterbeispiel dafür, wie ein Staat durch verstärkte Zusammenarbeit und die Nutzung von Daten dezentralisiert öffentliche Dienstleistungen erbringen sowie Entscheidungen treffen und Probleme lösen kann.

Neue Wege der Problemlösung



Staaten haben auf allen Ebenen mit zunehmend komplexeren Problemen zu kämpfen, wobei immer weniger Ressourcen zur Verfügung stehen. Herausforderungen von Armut bis Einwanderung erfordern neue Wege in der Arbeit von großen und kleinen Institutionen, wobei diese sich neue Technologien zum Erhalt besserer Daten (datengestützte Innovation) und vielfältigere Ideen und Mithilfe (kooperative Innovation) zunutze machen können. Diese Innovationen in Regierungsinstitutionen sind unter dem Begriff „Open Government“ zusammengefasst, da damit die Verwendung digitaler Kommunikationstools zur Öffnung öffentlicher Organisationen für Informationen und Ideen von außerhalb der institutionellen Grenzen hervorgehoben wird. Open Government ist mehr als Transparenz. Mit Open Government soll nicht einfach breitere Verantwortlichkeit erzielt werden, sondern die Beziehung zwischen Staat und Bürgern sollte sich grundlegend ändern. Letztendlich sollen neue Wege der Problemlösung gefunden werden.



Nach einer Vorstellung der Technologien, die Open Government ermöglichen, wird in diesem Beitrag erläutert, wie diese Technologien vor allem auf lokaler Ebene eingesetzt werden.[1] Abschließend folgen Empfehlungen, wie kleinere Orte und Städte durch den Einsatz von Technologie eine Kultur der Innovation in der Verwaltung institutionalisieren können.

Der technologische Kontext



Das Ideal von Open Government – die Regierung des Volkes, durch das Volk, für das Volk – findet sich in allen Demokratien wieder. Umfragen zeigen jedoch immer wieder ein tiefes Misstrauen gegenüber Institutionen, die beim Regieren scheinbar auf „das Volk“ vergessen haben. Laut einer Studie von Dahlia Research sind weniger als ein Drittel aller Europäer der Meinung, dass ihre Politiker das Richtige für ihr Land tun. Wir leben in einer Zeit noch nie da gewesener technologischer und wissenschaftlicher Innovationen mit enormen Fortschritten bei der sauberen Energieerzeugung, dem Ausrotten von Krankheiten und dem Sicherstellen von mehr Wohlbefinden und Ausbildungsmöglichkeiten. Gleichzeitig sehen wir deutliche Defizite innerhalb der Regierungsinstitutionen – es fehlt an Flexibilität, Innovationskraft und an Kapazitäten. Die Situation könnte mit Hilfe der drei Technologien Big Data, Kooperationsplattformen sowie der Technologien des Fachwissens verbessert werden.



Erstens kann die Streuung von Sensoren zum Sammeln großer Datenmengen – auch Big Data genannt – Entscheidungsträgern ein genaueres und evidenzbasiertes Bild des tatsächlichen Zustands von Wirtschaft, Gesellschaft und Infrastruktur geben. In den letzten 20 Jahren haben wir gelernt, neue Arten von Inhalten in großen Mengen zu erstellen und zu speichern. Ende 2012 wurde die vorhandene Datenmenge auf etwa 2,8 Zettabyte (2,8 Billionen GB) geschätzt; bis 2020 rechnet man mit einem Anstieg dieser Menge auf 40 ZB.[2] Laut einem Branchenbericht von McKinsey aus dem Jahr 2011 wächst die weltweit generierte Datenmenge pro Jahr um ca. 50 Prozent; dies entspricht einem etwa 40-fachen Anstieg seit 2001.[3]



Falls es an Infrastruktur zum Montieren von Datensensoren fehlt, können zunehmend Datensammelsysteme verteilt werden. So sammelt beispielsweise Plume Labs in Paris täglich eine halbe Million Datenpunkte zur Luftverschmutzung und nutzt dabei 11.000 auf der ganzen Welt verteilte Luftüberwachungsstationen. Neben den herkömmlichen Wetterstationen bedient man sich dabei eines großen Netzwerks an Bürgern in 20 Ländern, die sich an wissenschaftlicher Arbeit beteiligen („Citizen Scientists“), und so kann Plume stündlich die Luftverschmutzung in 150 Städten vorhersagen und darüber berichten. Open-Data-Vorschriften, gemäß denen Daten in wiederverwendbaren Formaten veröffentlicht werden müssen, beschleunigen die Verfügbarkeit der Daten. In ganz Österreich haben mehr als 900 Gemeinden mehr Transparenz in die Daten zu ihren Ausgaben gebracht.



Neben den Tools zur Sammlung, Speicherung, Übertragung, Verarbeitung und Visualisierung von großen Datenmengen über Personen und ganze Bevölkerungsgruppen stellt die Entwicklung von neuen Tools der kollektiven Intelligenz einen zweiten großen Technologietrend dar, mit dem mehr Open Governance durch das Sammeln von Beiträgen der Bürger – sowohl in Form von Ideen als auch Aktionen – ermöglicht wird. Diese Beiträge beschränken sich nicht darauf, Menschen um ihre Meinung zu fragen, sondern können auch die getrennte, jedoch koordinierte Ausführung unterschiedlicher Aufgaben umfassen, wie wir es bei Pulsepoint gesehen haben, oder auch am Beispiel von „Schau auf Linz“, wo Bürger Schlaglöcher und nicht funktionierende Straßenlaternen bei der Gemeinde melden können.[4] Die mobile App „Bürgerforum Vorarlberg“ ermöglicht es den Bürgern ebenfalls, auf Probleme in der Gemeinde aufmerksam zu machen, indem sie Fotos und Textnachrichten direkt an die Stadtverwaltung senden.[5]



Ein derartiges Engagement kann auch gemeinschaftlich erfolgen. In Indonesien wurde beispielsweise nach den Wahlen im Jahr 2014 die Website „Kawal Pamilu“ (Wache über die Wahl) erstellt, auf der Daten zu finden waren, mithilfe derer die Bürger die offizielle Stimmenauszählung mit den ursprünglichen Auflistungen der Wahllokale vergleichen konnten. 700 Freiwillige halfen mit, handgeschriebene Formulare zu digitalisieren und so die genaue Überprüfung der Wahlergebnisse zu ermöglichen. Sie arbeiteten zwei Tage lang mit einem Budget von 49 Euro.[6] In Wien kann die Öffentlichkeit an der Erstellung einer Online-Enzyklopädie über die Stadtgeschichte mit dem Titel „Wien Geschichte Wiki“ mitwirken.[7]



Es ist unbedingt erforderlich, dass diese von Sensoren und Menschen stammende riesige Informationsmenge auch von Personen kuratiert wird, die über das entspre- chende Fachwissen verfügen, um all die Informationen zu verstehen und einzuordnen. Überall werden in großem Stil digitale Spuren von wissensbezogenen Aktivitäten hinterlassen (denken Sie beispielsweise nur an die digitalen Zertifikate, die Sie für einen Online-Kurs erhalten), wodurch der Prozess des Sichtbarmachens und Auffindens von Fachwissen automatisiert werden kann. Mit diesen Technologien des Fachwissens – Expertennetzwerke wie LinkedIn oder Google Scholar, mit denen nach den Qualifikationen von Personen gesucht werden kann – wird es einfacher, sich über die Fähigkeiten und Erfahrungen von Menschen zu informieren und sie dann den Möglichkeiten entsprechend in der Verwaltung oder im bürgerlichen Leben einzusetzen. So wurde zum Beispiel in der kleinen Gemeinde Torfaen in Wales ein System eingerichtet, das lokale Bürger, die Erfahrung im Umgang mit Diabetes und Alzheimer haben, mit andern Bürgern zusammenbringt, bei denen diese Krankheiten erst kürzlich festgestellt wurden und die Hilfe brauchen.[8]



Nach Vorstellung dieser drei Tools – Big Data, kooperative Intelligenz und Technologien des Fachwissens – wird im Folgenden ausgeführt, wie diese angewendet werden, um die Verwaltung zu verändern, und mit welchen Schritten dieser Kulturwandel in kleinen und großen Gemeinden institutionalisiert werden kann.

Datengestützte Verwaltung



Eine große Zahl der in den letzten Jahren erfolgten Innovationsinitiativen, von der Ernennung von Chief Technology Officers und Chief Data Officers bis zur Einführung von Open Data-Portalen auf allen Verwaltungsebenen sowie der Freigabe von Millionen neuer Verwaltungsdatensätze im Internet, hat eine datengestützte Verwaltung möglich gemacht. Diese Entwicklungen beruhen auf der Hypothese, dass Regierungsinstitutionen korrekter und effektiver sind, wenn sie in ihrer Entscheidungsfindung auf Daten zurückgreifen, und dass neuer öffentlicher Nutzen geschaffen wird, wenn Institutionen Daten für die Öffentlichkeit freigeben.[9]



Das Sammeln und die verantwortungsvolle Verwendung von Daten sowie die Freigabe von nicht personenbezogenen öffentlichen Daten zur freien Verwendung lassen auf Folgendes hoffen:



Regierungen und Bürger können in höherem Maße evidenzbasierte Entscheidungen treffen, z. B. wenn Regierungen durch das Analysieren ihrer Ausgaben Möglichkeiten zum Sparen von Steuergeldern entdecken. In Mexiko wurden beispielsweise die Daten zu Schulausgaben öffentlich gemacht und man fand heraus, dass in Hidalgo 1512 Lehrer auf der Gehaltsliste standen, die alle am 12. Dezember 1912 geboren waren. Im indischen Bundesstaat Rajasthan werden die Budgets der Dörfer an die Mauern am Hauptplatz geschrieben und eingehend geprüft.



Probleme werden schon im Vorfeld erkannt und es wird nicht nur darauf reagiert. Die New Yorker Feuerwehr hat die in Papierform vorhandenen Informationen über Gebäudebegehungen digitalisiert und einen Risikoalgorithmus erstellt, um die Brandgefahr bewerten zu können.



Mehr Bewusstsein für die öffentliche Meinung und Stimmung, z. B. durch die Analyse des „Gardenhose“-Datenstroms von Twitter.[10]



Mehr demokratisches Engagement und Bürgerbeteiligung durch die Freigabe von Daten wie z. B. bei Datathons wie dem Flüchtlings-Hackathon „Gute Taten für gute Daten“ von Open Knowledge Austria.[11]



Regierungen lösen Probleme immer noch erst nach deren Auftreten, anstatt datenbasiert Risiken vorherzusehen und dort anzusetzen, wo es an Ressourcen zur Durchführung fehlt. Die Herausforderung des Regierens liegt nicht in einem Mangel an Informationen. Sie besteht vielmehr darin, Daten zu verstehen und aus ungefilterten Informationen operative Erkenntnisse zu gewinnen, die eine effizientere Leistungserbringung ermöglichen.

Empfehlungen



EINS: Erweitern Sie die analytischen Fähigkeiten in der gesamten Verwaltung durch Schulungsprogramme im Bereich der angewandten Datenanalyse für lokale Beamte.



Es wird erwartet, dass die explosionsartige Zunahme verfügbarer neuer Datenquellen und die Entwicklung neuer Technologien in der Datenwissenschaft zur Verwertung dieser Daten enorme Auswirkungen auf öffentliche Institutionen und deren Problemlösung und Entscheidungsfindung haben werden. Die Hoffnungen auf solch datengestützte, evidenzbasierte Entscheidungsfindungsprozesse haben sich jedoch bisher großteils nicht erfüllt, weil die Beamten kaum Erfahrung darin haben, aus Daten umsetzbare Erkenntnisse zu gewinnen. Sie wissen nicht, wie man Daten auf verantwortungsvolle Weise sammelt, analysiert, verwendet, weitergibt und speichert. Da kein Geld für die Einstellung von – ohnedies raren – Datenexperten vorhanden ist, muss das vorhandene Personal entsprechend geschult werden, sodass die öffentliche Verwaltung ihre eigenen sowie fremde Daten nutzen kann. Internationale Anbieter wie Coursera bieten zwar Online-Kurse in Datenwissenschaft an, aber es gibt nur wenige Programme, die sich auf die Entwicklung einer datenanalytischen Denkweise im Hinblick auf das Erreichen von Zielen für das Gemeinwohl konzentrieren.[12] Es entstehen neue Programme, die konkret für lokale Beamte konzipiert sind. Die Universitäten von Chicago, Maryland und New York bieten gemeinsam einen Kurs in angewandter Datenanalyse an. Ebenso gibt es einen Lehrgang an der Johns-Hopkins-Universität. Das Open Data Institute in London bietet eintägige Schulungen zu Open Data und deren Verwendung in der Verwaltung an. Gemeinden müssen mit anderen Gemeinden sowie mit Universitäten zur Erstellung und Nutzung solcher Programme zusammenarbeiten.



ZWEI: Stärken Sie durch die Investition in eine benutzerfreundliche, auf lokale Gegebenheiten ausgerichtete Dateninfrastruktur das lokale Unternehmertum und schaffen Sie wirtschaftliche Möglichkeiten.



Unternehmer im Einzelhandel mögen zwar Experten in ihrem jeweiligen Bereich sein, sie haben jedoch üblicherweise keinen Zugang zu hochwertigen Informationen über die wirtschaftlichen Bedingungen in den Regionen, in denen sie tätig sind. Unabhängig von der Größe einer Gemeinde bestünde die Möglichkeit, vorhandene, auf lokaler oder nationaler Ebene gesammelte oder von regionalen Unternehmen zur Verfügung gestellte Datensätzen zu kombinieren und somit den Bürgern bessere Leistungen zu bieten. In New York City wird beispielsweise gerade eine Plattform mit dem Titel „Business Atlas“ entwickelt, mit der diese Informations- lücke geschlossen werden soll; mittels dieser Plattform erhalten kleine Unternehmen Zugang zu hochwertigen Informationen, mit deren Hilfe sie dann entscheiden können, wo sie ein neues Geschäft eröffnen oder ein bestehendes erweitern wollen. Dieses Tool vereint eine Reihe ganz unterschiedlicher Daten, wie z. B. Unternehmenseintragungen des Ministeriums für Konsumentenangelegenheiten, Umsatzsteuerdaten aus dem Finanzministerium, demographische Daten aus der Volkszählung sowie Verkehrsdaten.



Wie bereits ausgeführt, bedienen sich viele Regierungen zunehmend der Technologie, um in ihrer Arbeit „smarter“ zu werden, jedoch nicht durch Datennutzung, sondern durch menschliche Intelligenz. Derartige Beteiligungsplattformen beruhen auf der Hypothese, dass Regierungsentscheidungen effektiver und korrekter ausfallen, wenn die Regierung Diversität unter den Teilnehmenden ermöglicht und ihre Bemühungen mit anderen Interessenvertretern besser koordiniert.



Die Erweiterung der Möglichkeiten zu öffentlichem Engagement durch den Einsatz von Technologie lässt auf Folgendes hoffen:


  • Bessere Einblicke in die öffentliche Meinung, wenn man beispielsweise die Menschen zu aktuellen Maßnahmen befragt oder sie um Vorschläge für Strategien bittet, wie es das Vereinigte Königreich auf seiner ePetitions-Website tut.

  • Aktuellere und detailliertere Informationen über die Zustände vor Ort, wie z. B. Meldungen von Bürgern über verlassene Grundstücke oder Schlaglöcher auf „Schau auf Linz“.

  • Einreichung von besseren Ideen für politische Gestaltung, wie dies bereits in Paris geschieht, wo der Bürgermeister über die Website „J‘ai une idée“ die Öffentlichkeit einlädt, konkrete Vorschläge zu unterbreiten.

  • Höhere Beteiligung an der Lösung von Problemen. Die Regierung von Uganda erhält schon seit längerer Zeit Hilfe von 300.000 „Citizen Scientists“, die mit dem Berichts-Tool Ureport per SMS Daten zum bakteriellen Welken von Bananen melden, das Bananenernten vernichtet.[13]

  • Durch das Internet ist die Teilnahme der Bürger am öffentlichen Leben auf neue Art und Weise zwar einfach geworden, die Menschen werden jedoch immer noch viel zu oft nach ihrer Meinung gefragt anstatt nach ihren Fähigkeiten und Fachkenntnissen.






  •  

  •  



DREI: Fragen Sie Menschen nicht nur nach ihrer Meinung, sondern bitten Sie sie, ihr Wissen und ihre Ideen auf entsprechenden Plattformen der Welt mitzuteilen.



Über die Website Challenge.gov, die im Herbst ihr sechsjähriges Bestehen feierte, fordern amerikanische Regierungsorganisationen die Öffentlichkeit zur Mithilfe bei der Bewältigung schwieriger Themen auf. Die Initiative bedient sich der einfachen Logik, dass Wissen in der Gesellschaft weit verstreut ist und mehr Menschen ihre innovativen Ideen teilen, wenn sie danach gefragt werden. Seit der Gründung von Challenge.gov im Jahr 2010 haben Organisationen auf Bundesebene der Bevölkerung mehr als 600 Aufgaben gestellt und um Lösungs-ansätze für Probleme gebeten, wie zum Beispiel die Verringerung der Unterschiede im Wortschatz zwischen Kindern aus wohlhabenden und einkommensschwachen Familien oder schnellere Umwandlung von Salzwasser in Süßwasser für die Landwirtschaft in Entwicklungsländern. Websites, auf denen Menschen ideelle Beiträge leisten, können lokalen Verwaltungen bei der kurzen und klaren Skizzierung von Problemen helfen und die Öffentlichkeit zur Beteiligung an deren Lösung einladen.



VIER: Verbinden Sie die Aufgaben mit Preisen und schaffen Sie so Anreize für die Menschen, Informationen weiterzugeben.



Der Einsatz von Preisen kann die Problemlösung beschleunigen. Nachdem das Forschungs- labor der Air Force öffentlich die Aufgabe gestellt hatte, wie ein verdächtiges Fahrzeug an einem militärischen Checkpoint gestoppt werden könne, fand man in nur 60 Tagen und mit dem Einsatz von wenigen tausend Euro eine Lösung für ein Problem, das die Sicherheitskräfte des Militärs und der Polizei jahrelang beschäftigt hatte. Die Preise müssen nicht immer groß oder in Form von Bargeld sein. In der Stadt Manor in Texas (6500 Einwohner) wurden die Bürger über die Innovationsplattform „Spigit“ aufgefordert, Ideen für eine bessere Stadtverwaltung zu entwickeln. Personen aus der Bevölkerung, deren Ideen umgesetzt wurden, durften beispielsweise einen Tag lang den Sheriff begleiten oder wurden mit einem Cowboyhut belohnt. Der größte Anreiz ist oft das Versprechen, möglicherweise in die Umsetzung der vorgeschlagenen Idee zu investieren, und dies ist auch das Erfolgsgeheimnis partizipativer Budgeterstellung in 1500 kleinen Orten und Städten weltweit. In einem neuen GovLab-Projekt werden über Crowdsourcing in Echtzeit Informationen über Baustellen von Bauarbeitern gesammelt. Der Anreiz zur Teilnahme besteht in schnelleren Durchsetzungsmaßnahmen zum Schutz der Arbeiter.



FÜNF: Konzentrieren Sie sich stärker auf Gestaltung, die den Menschen in den Mittelpunkt stellt.



Auch ohne viel Technologie können kleine Verwaltungen ihren Bürgern bessere Dienstleistungen bieten, wenn die Öffentlichkeit in die Entwicklung und Gestaltung dieser Leistungen eingebunden wird. Die Gestaltung von Leistungen als Antwort auf die Bedürfnisse der Menschen („der Mensch im Mittelpunkt“) ist das Markenzeichen von MindLab in Dänemark. Basierend auf den Methoden und Werkzeugen von MindLab können Gemeinden in Zusammenarbeit mit anderen Gemeinden (und mit Universitäten) ihre eigenen Vorgaben für die Zusammenarbeit mit Bürgern entwickeln und Best-Practice-Beispiele für den Wissensaustausch unter Gemeindemitgliedern erstellen.



Diese technologiegestützten Beteiligungsmöglichkeiten vertrauen weitgehend auf offene Ausschreibungen und die Hoffnung, dass sich die richtigen Personen melden. Diese Methode, die Fähigkeiten und Kenntnisse der Bürger zu nutzen, ist jedoch recht unzuverlässig. Mit technologischer Unterstützung können Beteiligungsmöglichkeiten an Personen mit entsprechenden Referenzen, mit Erfahrung, Wissen und Interesse an einem bestimmten Thema gerichtet werden.



SECHS: Jede lokale Verwaltung sollte mindestens eine besondere Fähigkeit seiner Beamten in den Akten führen.



Viel zu oft wird bei Bürgerbeteiligungsprojekten die Tatsache übersehen, dass Beamte auch Bürger sind, deren Position in hierarchisch aufgebauten Institutionen es ihnen jedoch oft erschwert, ihr Wissen zu teilen. In Houston werden Gemeindemitarbeiter um Vorschläge zur Kosteneinsparung gebeten. Im Rahmen des Programms „Bright Ideas“ erhielt die Stadt mehr als 160 Ideen und hat bereits viele davon umgesetzt; das Kosteneinsparungspotenzial dabei beträgt etwa 11 Millionen Dollar pro Jahr. Vor allem in kleineren Gemeinden ist es möglich, anhand der Personalakten besondere (oder auch nicht vorhandene) Fähigkeiten der Beamten zu erfassen und ihnen passende Probleme zur Lösung vorzulegen. In New York City gibt es beispielsweise die Volunteer Language Bank mit mehrsprachigen Beamten, die bei Bedarf an Übersetzungsdienstleistungen entsprechend zum Einsatz kommen. Derzeit sind mehr als 1200 Beamte freiwillig in der Datenbank registriert, die etwa 70 Sprachen sprechen und ihre Sprachkenntnisse dem Gemeinwohl zur Verfügung stellen.[14]



SIEBEN: Entwickeln Sie ein eigenes Pulsepoint für Österreich und bringen Sie Menschen und Möglichkeiten zusammen, um Leben zu retten, Kinder zu unterrichten, Unternehmen zu gründen und vieles mehr.



Egal, ob es sich um das Durchführen von Wiederbelebungsmaßnahmen, Hilfe bei Unternehmensgründungen, das Unterrichten von Computerkenntnissen in oder nach der Schule oder um wissenschaftliche Arbeiten von Bürgern („Citizen Science“) handelt, mit denen unsere Gemeinden sauber und sicher bleiben sollen – die Bürgermeister könnten in den Einsatz von Technologie investieren, um die Fähigkeiten und Interessen der Bürger bei entsprechenden Gelegenheiten einzusetzen und damit die österreichischen Gemeinden zu stärken.



Die Bereitstellung eines Plans für den Einsatz von Technologie soll innovativen Köpfen in den Verwaltungen helfen, ihre Vorhaben wirksamer umzusetzen und gleichzeitig das Recht der Bevölkerung auf Beteiligung an Verwaltungstätigkeiten fördern, indem man sich der Talente, Kreativität und Interessen der Menschen bedient. Platon behauptet in seinem Werk „Der Staat“ bekannterweise, dass die Demokratie ein fehlerhaftes Konzept sei, da gewöhnliche Menschen im Unterschied zu Philosophen nicht die geistigen Fähigkeiten hätten, Entscheidungen im Sinne des Gemeinwohls zu treffen. Open Government, ermöglicht durch Big Data, kooperative Intelligenz und die Technologien des Fachwissens, eröffnet neue Wege der Zusammenarbeit von Menschen und Institutionen bei der Lösung von Problemen und beweist, dass Platon nicht Recht hatte.



 



[1] John Boik, Lorenzo Fioramonti und Gary Milante: „Traditional democratic institutions are failing”, http://foreignpolicy.com/2015/03/16/rebooting-democracy-participatory-reform-capitalism/.



[2] John Murdoch-Burn: „Study: less than 1% of the world’s data is analysed, over 80% is unprotected”, The Guardian (19. Dezember 2012), http://www.theguardian.com/news/datablog/2012/dec/19/big-data-study-digital-universe-global-volume.



[3] McKinsey Global Institute, Big Data: The next frontier for innovation, competition, and productivity, Technical Report, Juni 2011. Siehe auch M.G. Siegler, „Eric Schmidt: Every 2 days we create as much information as we did up to 2003,” Tech Crunch, 4. August 2010. Abrufbar unter: http://techcrunch.com/2010/08/04/schmidt-data/.



[4] http://schau.auf.linz.at/. Für mehr Informationen über das Projekt siehe Stefan Etzelstorfer, Thomas Gegenhuber und Dennis Hilgers in Open Tourism: Open Innovation, Crowdsourcing and Co-Creation Challenging the Tourism Industry, http://link.springer.com/chapter/10.1007/978-3-642-54089-9_18.



[5] http://buergerforum.vol.at



[6] http://odimpact.org/case-indonesias-kawal-pemilu.html



[7] https://www.wien.gv.at/wiki/index.php?title=Wien_Geschichte_Wiki



[8] http://www.smarterstate.org



[9] Toward a Research Agenda on Opening Governance, MacArthur Research Network on Opening Governance, https://medium.com/@opengovnet/toward-a-research-agenda-on-opening-governance-a6d451b398e#.8mzph6ry4



[10] http://thegovlab.org/how-twitter-gives-scientists-a-window-into-human-happiness-and-health/. Unter „Garden hose feed“ versteht man eine willkürliche Auswahl von etwa 10 Prozent aller auf Twitter versendeten Nachrichten.



[11] http://okfn.at/gutedaten/#infos. Ein Hackathon (Wortschöpfung aus „Hack“ und „Marathon“) ist eine kollaborative Software- und Hardwareentwicklungsveranstaltung.



[12] https://datasciencebe.com/2014/09/24/nice-list-of-data-science-bootcamp-programs-posted-by-ikechukwu-okonkwo/



[13] Anna Scott: „Open data: how mobile phones saved bananas from bacterial wilt in Uganda”, The Guardian (11. Februar, 2015), abrufbar auf http://www.theguardian.com/global-development-professionals-network/2015/feb/11/open-data-how-mobile-phones-saved-bananas-from-bacterial-wilt-in-uganda.



[14] Siehe http://www.smarterstate.org