Windkraftanlage
Vom Boden aus kann man kaum die Spitzen der Rotorblätter sehen.
© Hans Braun

Luftgeschäften gehört die Energiezukunft

Ein kleiner und damals weithin unbekannter Ort an der Grenze zwischen Innviertel und Hausruckviertel hat sich vor etlichen Jahren aufgemacht, seine Probleme selbst zu lösen. Wie es die Bewohner rund um Bürgermeister Martin Voggenberger geschafft haben, aus ihrer Gemeinde eine blühende Energiegemeinde zu machen, davon handelt diese Geschichte.

"Als wir unseren Windpark eröffnet haben, hat’s einen grauslichen Nebel gehabt – und Wind war auch nur wenig. Man konnte vom Boden aus kaum die Spitzen der Rotorblätter sehen, Sichtweite war also höchstens 90 Meter. Ich hab’ mir gedacht, na das fängt ja gut an. Aber wie ich dann zum Reden angefangen hab’, hat der Wind aufgefrischt und auf einmal war der schönste Tag. Klingt vielleicht jetzt kitschig, aber so war’s wirklich“, erinnert sich Martin Voggenberger, Bürgermeister von Munderfing, an den Tag der Inbetriebnahme des Munderfinger Windparks im Jahr 2014, als ich mit ihm auf dem Dach des 140 Meter hohen Triebwerkshauses des „Kraftwerks 2“ stehe.

Windkraftanlage
Martin Voggenberger, Bürgermeister von Munderfing.

Amtsleiter und Geschäftsführer der Windpark Munderfing GmbH, Erwin Moser, und Mühlenwart Rudolf Pollhammer, zuständig für die Elektrik- und Anlagentechnik des Windrads, die mit uns da oben stehen, nicken zustimmend.

Automatisch wird der Blick von dieser atemberaubenden Aussicht in den Bann gezogen: Munderfing mit dem charakteristischen KTM-Werk im Westen, schemenhaft dahinter Braunau und Bayern. Der Mattsee und das Palfinger-Werk und dahinter das Umspannwerk - im Süden, wo der Windstrom eingespeist wird. Die auf den ersten Blick riesige Waldfläche des Kobernaußerwaldes im Norden und Osten …

„Wieso steht der Fünfer? Was ist da los?“ unterbricht der Mühlenwart meine ausschweifende Betrachtung ganz unsentimental. Tatsächlich, das Windrad Nummer 5 steht still. Über Funk kommt auch bald die Meldung, dass man das schon wüsste und daran sei, ein Wartungsteam zu schicken. Entwarnung also, ein kleiner technischer Defekt.

Windradt
„Wieso steht der Fünfer?“ Mühlenwart Rudolf Pollhammer unterbricht das Gespräch zwischen dem Autor und Bürgermeister Martin Voggenberger (sitzend), um auf ein Problem des Kraftwerks 5 hinzuweisen.

Ich kann weiter in dieser Traum-Aussicht schwelgen. Aber: Nicht die schöne Aussicht war der Grund meines Besuchs, sondern Munderfings Entwicklung. Immerhin hat sich die Gemeinde unter dem kongenialen Gespann Bürgermeister Martin Voggenberger und Amtsleiter Erwin Moser gleich mehrfach als Vorzeigegemeinde positioniert. Munderfing ist die einzige Gemeinde Österreichs im Besitz einer Windkraftanlage, man ist Mitglied bei den Zukunftsorten, einer Vereinigung von Gemeinden, die voneinander lernen und sich gemeinsam vernetzen.

Heftige Kritik am Windpark

Und Munderfing ist dabei, nicht nur den eigenen Ort mit Glasfaser zu versehen, sondern hat mit ihrer Initiative fast alle Gemeinden des Bezirks animiert, sich der Glasfaser-Initiative anzuschließen – aber davon später.

Es war ein harter und steiniger Weg, den die Betreiber des Windparks Munderfing gehen mussten. Massive Kritik, Anzeigen und Beschwerden wehten ihnen entgegen, immer wieder wurde die „Verschandelung der Landschaft“ kritisiert, aber: „So sehr wurde noch nie ein Projekt von den Behörden geprüft“, erinnert sich Erwin Moser, treibende Kraft und lenkender Geist hinter dem Projekt. „Aber alle Beschwerden und Anzeigen haben sich vor höchster Instanz als nichtig herausgestellt.“

Bevölkerung steht hinter dem Weg der sauberen Energie

Alles andere wäre auch verwunderlich gewesen, immerhin haben sich die Bürgerinnen und Bürger von Munderfing in einem Beteiligungsverfahren entschlossen, den Weg der sauberen Energie zu gehen. Und die politischen Vertreter in der Gemeinde standen auch von Anfang an einstimmig dahinter.

Martin Voggenberger: „Gemeinsam – Politik, Verwaltung und die Bürgerinnen und Bürger – haben wir dieses Ziel erreicht. Unser Anspruch war es ja auch, für die nächste Generation saubere Energie zu gewährleisten und die Umwelt so intakt wie möglich zu erhalten.“

Wie naturschonend Windparks gebaut werden können, bewies die Gemeinde auch mit dem Standort im Kobernaußerwald. Für die Errichtung des Windparks samt allen Infrastruktureinrichtungen wurde gerade einmal ein Hundertfünfzigstel des jährlichen Holzeinschlags im Kobernaußerwald gerodet. Dadurch waren die notwendigen Geländekorrekturen minimal und wurde folgerichtig auch die Naturschutzbewilligung erteilt. Dies wurde möglich, da die von den Bundesforsten für schwere Baufahrzeuge errichteten Wege gut genutzt werden konnten.

Selbst der Waldboden, der kurzzeitig für den Bau der Fundamente abgetragen wurde, konnte gesichert und später wieder aufgetragen werden. Und auch die maximal 1500 m² Standortflächen pro Anlage werden nach Ende der Betriebsdauer des Windparks wieder vollständig aufgeforstet.

Tiere werden wenig gestört

Der Windpark befindet sich an einem Standort, der vom Land Oberösterreich im Windkraft-Masterplan explizit als Vorrangzone niedergeschrieben ist. Und da im Wald, hoch über den Baumkronen, die biologische Aktivität relativ gering ist, werden auch Tiere entsprechend wenig von den Windrädern gestört.

Brandgefahr ist ebenfalls kein Thema: Alle Munderfinger Windräder sind mit einer Feinsprüh-Löschanlage ausgestattet, die ohne Strom funktioniert. Über Löschdüsen, welche im Maschinenhaus verteilt sind, tritt ein feiner Wassernebel aus. Dieser hat eine sehr starke Kühlwirkung und wirkt beim Verdampfen erstickend auf den Brand. 

Munderfing - das Mekka der Elektoautos

Bis 2035 soll der gesamte Energiebedarf der Gemeinde aus erneuerbaren Energiequellen gedeckt werden. Und nicht nur in Fragen der erneuerbaren Energie gilt Munderfing als Vorbildgemeinde, auch in Sachen sanfter Mobilität ist das Engagement groß. Eine Fahrradbeauftragte motiviert die Bürger zum Radfahren, unter anderem mit regelmäßigen Radausflügen.

Munderfing ist darüber hinaus das Mekka der Elektroautos. „Ein einjähriges Energie-Zukunftsprofil zeigt Wirkung“ so Bürgermeister Martin Voggenberger. Im Rahmen einer 26-tägigen Aktion für E-Mobilität wurden fünf Elektroautos angemietet und zum kostenlosen Probefahren zur Verfügung gestellt.

Rund 300 Munderfinger nutzten das Angebot und legten insgesamt 13.500 Kilometer zurück. „Die Fahrzeuge sind zu mehr als 80 Prozent (117 Fahrzeugentlehnungen) ausgelastet gewesen“, berichtet Projektleiter Erwin Moser, der von einem großen Erfolg spricht. Strom getankt wurde jeweils nachts an den Ladestationen des Projektpartners Energiewerkstatt Consulting GmbH.

Durch das Marktimpulsprogramm konnte der Bestand an rein elektrisch betriebenen E-Autos in Munderfing mehr als verfünffacht werden.

Waren es im Jänner 2017 noch vier, betrug der Bestand im Mai 2019 bereits 22 reine Elektroautos.

Auch eine E-Tankstelle für Elektroautos wurde installiert und für die Gemeinde zwei Elektrofahrzeuge angeschafft. Bereits bis zum Jahr 2021 möchte man darüber hinaus flächendeckend an das Glasfasernetz angebunden sein. Das macht die Gemeinde auch zu einem attraktiven Betriebsstandort.

„Im Grunde fühlen sich die Betriebe bei uns wohl, weil sie keine Bittsteller sind, sondern gemeinsam mit uns vorausschauend planen können“, so Martin Voggenberger. Das und der vorhandene Platz waren übrigens Hauptentscheidungsgrundlage für KTM, mit der Betriebszentrale sowie dem Ausbildungs- und Forschungszentrum von Mattighofen nach Munderfing zu übersiedeln.