Digitalisierung
Der Digitalisierungsprozess ist weit komplexer als ein einfaches Planspiel, er durchdringt alle Lebensbereiche, vielfältige Anwendungen beruhen auf unterschiedlichsten Technologien.
© metamorworks/Shutterstock.com

Keine Regierung kommt um die Digitalisierung herum

Das digitale Zeitalter hat uns bereits gefesselt, in den Medien wird viel gezeigt und versprochen. Alles wird digital, und kaum merkbar bekommt dieses Wort seine ursprüngliche Bedeutung wieder zurück. Heute identifiziert man sich, bestellt, stimmt ab – alles ganz einfach, eben mit dem Finger, lateinisch „digitus“.

Seit 2017 haben wir ein Ministerium für Digitalisierung, ultraschnelles Internet wird beworben, die ersten 5G-Endgeräte kommen bereits langsam auf den Markt, die MobilDevice-Hersteller haben schon die Absatzzahlen in den Augen.

Aber können wir das digitale Zeitalter einfach so kaufen wie ein 5G-Handy? Wir werden merken, dass ein ganzes Bündel von Voraussetzungen vorliegen muss, gemeinsame Anstrengungen notwendig sind, damit ein Endgerät der fünften Generation wirklich auch überall alle Vorteile zeigen kann, ein Formel-1-Bolide wird seine Stärken auch nicht auf einem Schotterweg entfalten können. Klar ist, dass die so genannte 5. Generation bloß ein weiterer Schritt in die digitale Welt sein wird.

Verwaltung hat Chancen der Digitalisierung erkannt

Vieles ist schon heute auch ohne 5G möglich, und die vielfältigen Beispiele kennen wir: Internethandel, Verkehrsleit- und Bemautungssysteme, Terminvereinbarungen in der Kfz-Werkstätte oder beim Zahnarzt, der Besuch von Vorlesungen und Fernkurse unter dem Schlagwort E-Learning und so fort.

All das wäre ohne die rasante Digitalisierung nicht möglich. Im öffentlichen Bereich hat man neben Gesundheit oder Bildung in vielen Bereichen der Verwaltung die Chancen der Digitalisierung erkannt. Die digitale Steuererklärung, aber auch schon so einige Anwendungen in der Gemeindeverwaltung, etwa jüngst das Zentrale Wählerregister.

Eines der bedeutendsten Kapitel der Regierungsverhandlungen zwischen Türkis und Grün ist die Frage des Klimaschutzes. Damit sind aber die neuen digitalen Technologien angesprochen. Energieeffizienz bei Heizung und Beleuchtung, Optimierung im öffentlichen Verkehr, Gewinnung von sauberer Energie und vieles andere sind Herausforderungen, die zum großen Teil bereits von Gemeinden umgesetzt werden und noch verstärkt werden müssen.

Die Wirtschaft nutzt den Megatrend ebenfalls erkennbar intensiv: Im produzierenden Gewerbe, im Handel, aber auch im Transportwesen sind die Nutzungsanreize überzeugend. Ein eigener Wirtschaftssektor ist entstanden und floriert. In der Stadt Wien erwirtschaftet dieser Bereich bereits das Sechsfache des Volumens der ebenfalls boomenden Tourismusbranche (2017 waren das 14,3 Milliarden Euro oder 24 Prozent der gesamten Wertschöpfung). Aber das nur nebenbei.

Das magische Viereck einer digitalen Transformation

Digitalisierung kann nicht nur Wettbewerbsfähigkeit und Wohlstand sichern, sondern ist auch ein Schlüssel für die Fragen, wie wir künftig unser Gemeinwesen organisieren wollen, wie wir für Lebensqualität und Nachhaltigkeit sorgen wollen, wie wir uns effektiv auf die Herausforderungen des Klimawandels einstellen.

Im Rahmen des jüngsten Besuchs des Gemeindetages Baden-Württemberg in Wien wies der ehemalige Sprecher der Plattform Digitales Österreich im Bundeskanzleramt, Christian Rupp, auf das magische Viereck einer digitalen Transformation hin. Das sind die technische Machbarkeit, die rechtliche Zulässigkeit, der politische Wille und die Erwartungen der künftigen Nutzer.

Ohne Frage kann man Chancen erst nutzen, wenn man das oft zitierte magische Viereck der Innovationen berücksichtigt. Danach müssen die technischen Möglichkeiten erkannt und zweitens deren Einbettung in einen bestehenden oder noch zu schaffenden Rechtsrahmen vorgesehen werden.

Drittens muss ein politischer Wille zur Umsetzung herrschen, und letztlich müssen die Lösungen den Erwartungen der künftigen Nutzer entsprechen.

Das ist sicher ein gutes Schema für die anstehenden strategischen Umsetzungspläne einer digitalen Agenda, doch der Digitalisierungsprozess ist weit komplexer als ein einfaches Planspiel, er durchdringt alle Lebensbereiche, vielfältige Anwendungen beruhen auf unterschiedlichsten Technologien, Daten und Verantwortlichkeiten.

Gleichwertige Lebensverhältnisse von Stadt und Land schaffen

Allein die Schaffung der Infrastruktur und der ausreichenden Kapazitäten hängt an den unterschiedlichsten Akteuren. Zuletzt hatten die Vertreter des Gemeindebundes die Erfahrung gemacht, dass es eines sehr starken politischen Willens bedarf, um das Ziel von gleichwertigen Lebensverhältnissen zwischen Stadt und Land zu erreichen, denn diese können in den Strukturen unsere Landes nicht durch eine am freien Markt entstehende Infrastruktur erreicht werden.

Die öffentliche Hand hat daher auch eine wichtige Rolle, all das gehört in die politische und legistische Ebene. Denn sie muss regulieren und Prioritäten setzen, sie darf sich nicht von einzelnen Akteuren treiben lassen, muss Fehlentwicklungen erkennen und verhindern können. Und sie muss letztlich auch zusehen, dass die Digitalisierung in jene Bahnen gelangen kann, wo der größte gesamtgesellschaftliche Nutzen erzielt wird. So müssen auch investierte Mittel im Sinne der Allgemeinheit so effektiv wie möglich eingesetzt werden.

Bei Telekommunikations-Investitionen liegt Österreich nur dem 60. Platz

Internationale Studien messen den Einsatz von Digitalisierung anhand von gewissen Parametern, etwa Infrastruktur, Bildung, Gesundheit und Verwaltung.

Hier gibt es einerseits den DESI (Digital Economy and Society Index), Österreich liegt danach im Mittelfeld der europäischen Staaten. Es gibt aber auch ein Ranking of World Digital Competitiveness des IMD, das darin die digitale Wettbewerbsfähigkeit von 63 Ländern der Erde misst. Aussagekräftig ist nicht unbedingt, an welcher Stelle sich ein Land generell gerade befindet, sondern welche Parameter mehr oder weniger zu diesem Ranking beitragen.

Auch wenn es nicht einfach ist, Länder anhand von gewissen Faktoren zu vergleichen, sollte es doch aufrütteln, wenn Österreich nach dieser Studie zwar auf Rang 20 liegt (2018 Rang 15), aber in der Frage der Telekommunikations-Investitionen nur den 60. Platz belegt. 

Chance für Nachhaltigkeit

Freilich sollte man bei der Entwicklung von Strategien nie die Zukunftsbilder aus den Augen lassen; hierbei sollten auch andere politische Ziele einfließen, wie die Vermeidung von verkehrsbedingten CO2-Ausstößen, die mit einem Bekenntnis zum ländlichen Raum als Lebensraum und als Arbeitsplatz einhergehen. Letztlich muss die effektive Umsetzung von digitalen Anwendungen im Zentrum stehen.

Die Festlegung eines politisch akkordierten Umsetzungsplanes wird vor allem eine Aufgabe der künftigen Regierung sein, aber es müssen auch im Sinne einer gesamthaften Anstrengung alle Ebenen des Staates eingebunden sein.

Umsetzungsstrategien für leistungsstarke Daten-Infrastruktur entwickeln

Der Weg in Österreichs digitale Zukunft wird nur über eine leistungsstarke Daten-Infrastruktur führen, die im konkreten Fall Glasfaser heißt, möge sie nun direkt in das Haus (FTTH) oder zum 5G-Sendemast führen.

Dazu müssen mittelfristig Umsetzungsstrategien entwickelt werden, die einerseits die erforderlichen finanziellen Mittel dafür vorsehen, und andererseits vor allem bei der Infrastruktur eine ordnungspolitische Regulierung benötigt, denn einen Wettbewerb auf Infrastrukturebene werden wir uns bei der Schaffung von annähernd gleichwertigen Lebensbedingungen nicht leisten können.

Gerade zu Beginn der Regierungsverhandlungen hat der Österreichische Gemeindebund daher seine Forderungen in diesem Bereich artikuliert: 

  • Für den flächendeckenden und effektiven Ausbau einer Glasfaser-Basisinfrastruktur müssen die bisher geringen Fördervolumina stark erhöht werden, in den kommenden Jahren bis 2030 müssen dafür jährlich mindestens 200 Mio. Euro ausgeschüttet werden. Die dafür erforderlichen Mittel sind aus dem Bundesbudget zu garantieren und sollen durch die laufenden Frequenzversteigerungen aufgebracht werden.
    Mit dem neuen Förderprogramm sollen die knappen Finanzmittel gebündelt und im Sinne eines gemeinsamen Zusammenwirkens aller Stakeholder die bestmögliche Glasfaser-Basisinfrastruktur in ganz Österreich errichtet werden.
  • Für die zu schaffende Infrastruktur fordert der Gemeindebund, dass den so genannten Open-Access-Netzen (OAN) jedenfalls der Vorrang eingeräumt werden muss, damit vor allem in schwach entwickelten Regionen versteckte Monopole vermieden werden. Der Wettbewerb auf der Diensteebene soll damit gefördert, die volkswirtschaftlich günstigsten Ausbauvarianten forciert und den Netzerrichtern auch eine langfristige Wirtschaftlichkeit gesichert werden. Die entsprechend notwendigen Änderungen im Telekommunikationsgesetz müssen zeitnah umgesetzt werden.
  • Die Grobplanung der Netze, die Festlegung von Maststandorten sowie die Mitverlegungen und die nötige Zusammenarbeit bei Bauvorhaben muss in enger Abstimmung mit den Gemeinden erfolgen, damit Überbauungen verhindert und die gesamtwirtschaftlich besten Lösungen gefunden werden.
  • Es muss klargestellt werden, dass digitale Netze den Zweck der Daseinsvorsorge verfolgen und eine möglichst weitgehende Bevölkerungsabdeckung (Flächendeckung) erfolgt. Glasfaser muss Vorrang vor allen anderen Technologien haben.

Umsetzung nicht ohne die Gemeinden

Österreich hat einige Vorteile, die es nutzen kann, um den Weg in die digitale Welt fortzusetzen. Die Gemeinden erwarten sich, dass es auch in der kommenden Regierung ein Digitalisierungsressort gibt, das sich der Bedeutung eines Hochleistungsnetzes bewusst ist und daher den Schulterschluss mit dem Infrastrukturressort sowie allen Gebietskörperschaften sucht.

Damit die Digitalisierung auch bei allen Menschen in diesem Land ankommen kann, braucht es Umsetzungsstrategien, die die Gemeinden einbeziehen und auf deren Wissen und den Kapazitäten der Gemeinden aufsetzen. Nur mit den Gemeinden wird es eine effektive Digitalisierung geben und somit eine sinnvolle Klimaschutzpolitik und Standortpolitik für mehr Lebensqualität in diesem Land.