Symbolbild Klimawandel
Punktuelle und extrem starken Regenfälle haben oft lokale Überflutungen zur Folge.
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Gemeinden passen sich an den Klimawandel an

Im November 2019 wurde Österreich wieder einmal von Katastrophen heimgesucht. Hangrutschungen, Starkregen, Vermurungen, Überschwemmungen haben in manchen Orten Südösterreichs sogar Menschenleben gefordert. Die Niederschläge werden extremer, Starkregen oder auch -schnee insgesamt häufiger. Aufgrund der Zunahme extremer Wetterereignisse sind immer öfter Regionen und Gemeinden von Katastrophen betroffen, die in den letzten Jahrzehnten verschont waren. Schlägt die Katastrophe unerwartet zu, sind die Folgen oft besonders fatal. Deshalb werden Anpassungsstrategien an den Klimawandel aktuell in den Katastrophenmanagementleitfaden des zuständigen Bundesministeriums für Nachhaltigkeit und Tourismus eingearbeitet.

Starke Regenfälle sind der Hauptgrund für die Zunahme von Katastrophenereignissen im ganzen Land. Da sind sich nicht nur alle Experten aus der Arbeit in der täglichen Praxis einig, auch die Zahlen untermauern das: Von den österreichweit 520 Ereignissen, die 2018 im digitalen Wildbach- und Lawinenkataster (WLK) erfasst wurden, sind 87 Prozent auf Starkregen bzw. Gewitter zurückzuführen.

Keine Frage also, dass sämtliche Maßnahmenpläne und Schulungen speziell auf dieses Thema Rücksicht nehmen. Denn tückisch an den starken Regenfällen ist, dass sie zumeist große Regenmengen auf geringer Fläche freisetzen und damit zu teils unerwarteten Folgen führen.

durch Mure zerstörte Straße
Von den österreichweit 520 Ereignissen, die 2018 im digitalen Wildbach- und Lawinenkataster (WLK) erfasst wurden, sind 87 Prozent auf Stark­regen bzw. Gewitter zurückzuführen.

Probleme mit Hangwasser nehmen zu

„Die punktuellen und extrem starken Regenfälle haben oft lokale Überflutungen zur Folge. Für viele Gemeinden wird damit auch das Problem von Hangwasser größer, mit dem sie vielleicht bisher noch gar nichts zu tun hatten“, bestätigt auch Thomas Hauser vom Zivilschutzverband Niederösterreich.

Auch im Westen, der aufgrund der alpinen Landschaft ohnehin besonders katastrophenerprobt ist, nehmen die Ereignisse weiter zu: „In den letzten Jahren hat tendenziell die Häufigkeit der Katastrophenereignisse zugenommen und auch unsere Schutzbauten kamen damit vermehrt zum Einsatz“, berichtet Gerald Jäger von der Widlbach- und Lawinenverbauung, Gebietsbauleitung Bregenz. Der Grund für die Zunahme starker Niederschläge darf zurecht im Wandel unseres Klimas gesucht werden. 

Spielt das Klima verrückt?

Lange und extreme Hitzewellen, starke Niederschläge, häufige Temperaturschwankungen: Viele Menschen nehmen den Wetterablauf immer öfter als extrem wahr. So hat es z. B. den Anschein, dass intensive kalte und warme Phasen sehr rasch wechseln oder dass die Jahreszeiten fließend vom Winter in den Sommer bzw. umgekehrt übergehen.

Diese Wahrnehmungen bestätigt die Zentralanstalt für Meteorologie nicht. Was die Wetterstatistik allerdings bestätigt ist: Es wird immer wärmer. In Europa ist die jährliche Mitteltemperatur ist von 1850 bis 2008 um 1,3° C gestiegen. Die neun wärmsten Jahre dieses Zeitraums waren innerhalb der letzten 12 Jahre zu beobachten. Außerdem nahmen dazu die warmen Nächte und heißen Tage deutlich zu. Laut Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) bedingt die höhere Lufttemperatur mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Zunahme von Hitzewellen. 

Höhere Temperaturen = stärkere Niederschläge

Bei Untersuchungen der globalen Niederschlagsänderung der letzten 50 bis 100 Jahre wurde festgestellt, dass die Niederschlagssummen durchschnittlich um fünf Prozent zugenommen haben. Die Zahl der Niederschlagstage ist aber in etwa gleichgeblieben. Es zeigt sich somit eine Zunahme von starken Niederschlagsereignissen.

Die Ursache der größeren Niederschlagsmengen lässt sich physikalisch erklären: Bei wärmeren Temperaturen speichert die Atmosphäre mehr Feuchtigkeit – dadurch steigt das verfügbare Niederschlagswasser. Eine aktuelle Prognose der Abteilung Klimaforschung der ZAMG rechnet mit einer Zunahme der Intensitäten 30-jähriger täglicher Niederschlagsmengen in Österreich um 17 bis 26 Prozent in den Sommerhalbjahr 2007-2051 (verglichen mit dem Zeitraum 1963-2006), eine noch stärkere Zunahme ist für den Südosten und Osten Österreichs während der Herbstmonate prognostiziert.

Anpassungen an den Klimawandel in der Praxis

Diese Zunahme der Regenmengen im Herbst nimmt Bürgermeisterin Anita Gössnitzer aus Obervellach schon heute wahr: „Unsere Sommer sind trocken, im Herbst fällt oft viel Regen in kurzer Zeit. Da ist jedenfalls eine Veränderung spürbar, die in der Bevölkerung auch Sorge auslöst, weil Ereignisse an Stellen stattfinden, wo noch nie zuvor etwas passiert ist“, so Gössnitzer.

In den Leitfaden „Katastrophenmanagement“ des Bundesministeriums für Nachhaltigkeit und Tourismus wurden seit 2012 zahlreiche Maßnahmen aus der „Strategie zur Anpassung an den Klimawandel“, die für Bund und Länder Gültigkeit hat, eingearbeitet. Im aktuellen Fortschrittsbericht ist unter anderem zu lesen, dass sich die extremen Wetterereignisse nicht nur auf den Katastrophenschutz und das Management auswirken, sondern auch auf die Folgeschäden und deren Finanzierung. Zusätzlich zum Klimawandel sind dafür auch auch Faktoren wie Wertsteigerung und -konzentration, verletzlichere Infrastrukturen und steigende Ansprüche an Mobilität und Kommunikation verantwortlich.  

44 Regionen passen sich an den Klimawandel an

Eine erste praxiswirksame Maßnahme ist das Projekt KLAR! des Klima- und Energiefonds. Er unterstützt 44 Klimawandel-Anpassungs-Modellregionen dabei, sich frühzeitig auf die Herausforderungen des Klimawandels einzustellen. So können Schäden vermindert und Chancen genutzt werden.

Ardagger ist als eine der Gemeinden der Region „Amstetten Nord“ Teil des Projekts. Bürgermeister Hannes Pressl erwartet sich aus der regionalen Zusammenarbeit konkrete Ergebnisse: „Es geht darum, auf regionaler Ebene ausdiskutieren, was durch den Klimawandel passieren kann und wie sich das auf einzelne Gemeinden auswirkt. Unser Ziel ist eine gemeinsame Prognose, die nicht Angstszenarien bedient, sondern uns dabei hilft, Gefahrenpotenziale rechtzeitig zu erkennen“, so Pressl.

Dabei gehe es nicht nur um Prävention von Katastrophen, sondern um eine Steigerung der Lebensqualität, die etwa durch zusätzliche Beschattung oder Begrünung in Zeiten größerer Hitzeperioden erreicht werden kann. „Es wäre falsch, als Bürgermeister die Augen zu verschließen vor der Veränderung und den davon ausgehenden Gefahren. Wir brauchen Wissen und Antworten, die wir innerhalb unserer Region jetzt gemeinsam finden wollen“, betont Pressl.

Schutzbauten als Vorsorge

Wo es mit der Flächenwidmung nicht getan ist, sind Schutzbauten oft der einzige Weg, um Schäden zu verhindern oder zu minimieren. In vielen Fällen übernimmt die Wildbach-und Lawinenverbauung das Projektmanagement – in enger Abstimmung mit den Gemeinden.

„Im Idealfall wird ein Projekt der WLV in Zusammenarbeit mit den Gemeinden mit sämtlichen betroffenen Bürgern und den Sachverständigen der zuständigen Behörden entwickelt. Die Gemeinden bekommen von uns schlüsselfertige Bauwerke übergeben. Auch die gesamte Finanzierung mit dem Bund und den Ländern wird durch die WLV abgewickelt“, erklärt Gerald Jäger von der Wildbach-und Lawinenverbauung Vorarlberg.

Doch Kosten entstehen nicht nur beim Bau, sondern auch in der Wartung. Wenn die Ereignisse durch den Klimawandel heftiger und häufiger werden, müssen auch Schutzbauten regelmäßig überprüft und adaptiert werden. Die Gemeinden tragen auch dafür Mitverantwortung, neue Projekte zu initiieren oder Adaptierungen anzustreben.

Neue Aspekte im Katastrophenfonds

Sind Schäden nicht zu vermeiden gewesen, kommt der Katastrophenfonds ins Spiel. Er ist zur „Förderung der Behebung von Schäden nach Naturkatastrophen im Vermögen physischer und juristischer Personen“ geschaffen worden und fällt in die Zuständigkeit der Bundesländer.

Der Bund ersetzt den Bundesländern 60 Prozent jener Hilfsgelder, die an Geschädigte ausbezahlt werden. Die Zunahme extremer Wetterereignisse und dadurch ausgelöster Hochwässer, Überflutungen, Muren oder Rutschungen nimmt der Bund zum Anlass, den geltenden Finanzierungsmechanismus zu überprüfen.

Die „Anpassung an den Klimawandel“ schlägt vor, neue Aspekte wie Maßnahmen der Risikokommunikation (z. B. Infokampagnen), den Ausbau und die Weiterentwicklung von neuen Warn- und Alarmsystemen, die Bereitstellung von Spezialausrüstung für Einsatzorganisationen (z. B. Einsatz-, Kommunikations- und Transportmittel) sowie die Förderung von Maßnahmen der privaten Eigenvorsorge im Katastrophenfonds zur berücksichtigen. Denn wie überall gilt besonders in diesem Fall: Vorbeugen ist besser als heilen. 

Was die Gemeinden brauchen

  • Schulung und Ausbildung 
  • Ansprechpartner und Unterstützung in der Katastrophenschutz-Planung 
  • Experten & Freiwillige vor Ort 
  • Zugang zu Daten und Prognosen 
  • Bewusstsein