Verlegung von Glasfaserkabeln - Baustelle
Um Abwanderung zu verhindern, muss der ländliche Raum die gleiche digitale Infrastruktur wie die Städte erhalten.
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Gemeinden nehmen den Glasfaserausbau selbst in die Hand

10. April 2019
Die großen Telekomkonzerne scheuen in entlegenen Gebieten aus Kostengründen davor zurück, die Glasfaserinfrastruktur bis zu den Häusern oder Wohnungen der potenziellen Konsumenten zu verlegen. Als Ersatz für dieses sogenannte Fiber to the Home-Modell (FTTH) werden die betroffenen Haushalte heute mehr schlecht als recht über bestehende Kupferleitungen mit Internet versorgt. Diese genügen jedoch zukünftigen Anforderungen nicht. „Kompromisse für den ländlichen Raum, wie die Idee einer alleinigen Versorgung durch 5G, werden die digitale Kluft langfristig nur vergrößern. In einem Glasfasernetz erreichen Datenraten, Latenzzeiten und besonders die Zuverlässigkeit Werte, die in einem Mobilfunknetz nicht realisierbar sind“, warnt Heinz Pabisch, Leiter der Action Group Gigabit Fiber Access (aggfa) in der Computer Measurement Group (CMG).

„Wenn eine Kommune die Versorgung mit Glasfaserinfrastruktur selbst in die Hand nimmt und offenen Zugang für alle Dienstanbieter gewährt, werden die Gemeindebürger nicht nur mit zuverlässigen und schnellen Anschlüssen versorgt. Sie können dann auch zwischen verschiedenen Anbietern wählen, weil sich der Wettbewerb vom Netz auf die Produktebene verlagert“, erklärt Pabisch.

Die Action Group Gigabit Fiber Access (aggfa) der CMG-AE und der Österreichische Gemeindebund zeigen anlässlich der 2. Fiber-Enquete gemeinsam mit Glasfaser-Pionieren aus den Bundesländern nationale Pilotprojekte und internationale Erfolgs-Modelle auf. In Österreich wird der Fahrplan in der demnächst erscheinenden Breitbandstrategie 2030 geregelt. Darin sollten auch Mechanismen verankert werden, die die bestehende digitale Kluft zwischen ländlichem Raum und Ballungszentren verkleinern.

Ländlicher Raum muss die gleiche digitale Infrastruktur wie die Städte erhalten

„Wir haben es einst geschafft, jeden Bauernhof mit einem Güterweg anzubinden und jede Liegenschaft ans Strom- sowie ans Telefonnetz anzuschließen. Heute ist unser Ziel, jede Liegenschaft in diesem Land mit einem hochwertigen Glasfaseranschluss anzubinden“, sagt Johannes Pressl, Vorsitzender Arbeitskreis Digitalisierung im Österreichischen Gemeindebund. Das sei derzeit die zentrale Zukunftsfrage für die Gemeinden und den ländlichen Raum, damit die Menschen nicht noch mehr in die Städte abwandern.

„Moderne Arbeitsformen, digitale medizinische Hilfen, autonome Fahrzeuge, moderne Betriebe, deren Maschinen in Echtzeit in alle Welt kommunizieren, und hochwertige Sicherheitssysteme – das alles muss am Land zu gleichen Bedingungen möglich sein, wie in den Städten“, appelliert Pressl.

Neben dem Bandbreitenziel braucht es auch ein Infrastrukturziel

„Der österreichische Gemeindebund ist der Überzeugung, dass es in Österreich langfristig ein flächendeckendes Glasfasernetz braucht und dass dieses in Zukunft wieder von der öffentlichen Hand bestimmt sein muss. Zudem muss dieses Netz allen Anbietern offenstehen“, ist Pressl überzeugt.

Ergänzend zur Breitbandstrategie 2030 der österreichischen Bundesregierung brauche es daher nicht nur ein Bandbreitenziel, sondern auch ein Infrastrukturziel.

Hannes Pressl
Johannes Pressl, Bürgermeister von Ardagger: „Österreich braucht ein flächendeckendes Glasfasernetz, das allen Anbietern offen stehen muss.“

Der Gemeindebund setzt dabei stark auf Bundesländerinitiativen wie zum Beispiel jene von nöGIG in Niederösterreich oder von Fiber Service OÖ. Zudem gebe es immer mehr Gemeinden, die den Glasfaserausbau selbst in die Hand nehmen – wobei Pressl als Bürgermeister von Ardagger selbst einer solchen Gemeinde vorsteht, die in Abstimmung mit der nöGIG beim Leerrohr-Ausbau aktiv ist.

Wasserwirtschaftsfonds soll als Vorbild für Glasfaserfonds dienen

Hinsichtlich der Finanzierung macht der Gemeindebund einen konkreten Vorschlag: „Die Gemeinden haben in den letzten Jahrzehnten wichtige Daseinsvorsorge-Infrastrukturen im Bereich der Trinkwasserversorgung und Abwasserentsorgung im ländlichen Raum geschaffen, weil es das Instrumentarium des Wasserwirtschaftsfonds gibt. Bund, Länder und Gemeinden sollten sich über ein ähnliches Fördermodell auch im Bereich der Glasfaserinfrastruktur einigen“, fordert Pressl.

Die Gemeinden würden sich gerne einbringen, wobei die Bundesländer aber die Koordination übernehmen sollten. Den Finanzierungszeitraum eines Glasfasernetzes will der Gemeindebund mit seinem Modell eines Glasfaserfonds vom Errichtungszeitraum entkoppeln.

„Die Gemeinden oder Gemeindeverbände könnten vor Ort als Träger den Ausbau der Netzinfrastruktur übernehmen und dabei einheitlichen Ausbaustandards des Bundes und der Länder folgen. Die Refinanzierung erfolgt dann langfristig über Anschlussgebühren, laufende Betriebseinnahmen sowie darauf abgestimmte Zins- und Annuitätenzuschüsse vom Bund und den Ländern aus dem Glasfaserfonds. Nach längstens 25 Jahren sollte die Ausfinanzierung garantiert sein“, wünscht sich Pressl.

„Am Ende sollten die Netze in Ländergesellschaften – ähnlich wie bei den Stromnetzen – übertragen werden, damit auch langfristig einheitliche Entwicklungs- und Betriebs-Standards sichergestellt werden“, erklärt Pressl. Von der Rundfunk und Telekom Regulierungs-GmbH (RTR) wünscht sich der Gemeindebund dafür entsprechende regulatorische Vorgaben, um die Investition in die Infrastruktur zu schützen und Überbau zu vermeiden.

Tirol: Win-win-Situation für die Bevölkerung und Kommunen

Auch in Tirol haben bereits etliche Gemeinden die Vorteile dieses Modells erkannt. Als Anlaufstelle im Land dient die Breitbandserviceagentur Tirol GmbH.

Sie ist zuständig für Koordination und Beratung im Zusammenhang mit der Glasfaserversorgung. Die Agentur standardisiert Prozesse und Verträge und bietet den Gemeinden Dienste an, um möglichst günstig bauen zu können. Laut Arno Abler, Geschäftsführer der Breitbandserviceagentur, sind die entlegenen Täler und kleinstrukturierten Gemeinden in Tirol eine besondere Herausforderung. Daher seien zwei Parameter für den Erfolg der Projekte ausschlaggebend: Die Kosten gering zu halten und möglichst viele Gebäude anzuschließen. Nur dadurch können ausreichend Umsätze für das Netz lukriert werden.