Christian Frank, Bürgermeister von Herrnbaumgarten
Christian Frank: „Die ganze Welt ist eh so ernst, in Herrnbaumgarten betrachten wir sie ein bissl kritisch und mit viel Humor.“

Der Bürgermeister der "Verruckten"

Christian Frank ist Bürgermeister einer Gemeinde mit einer überaus reichen, mehrtausendjährigen Geschichte. Mit dem „Nonseum“ verfügt Herrnbaumgarten über ein weltweit einzigartiges Museum, in dem sorgsam losgelöst vom Nützlichkeitsdenken des Alltags 487,3 grenzgeniale Erfindungen, die wir auch nicht brauchen, gezeigt werden. Dass das „verruckte Dorf“ seinem Namen gerecht wird, zeigen auch Aktionen wie „Nordic Sitting“ als eine Art „geriatrischer Pistenzauber“. Ein Porträt.

Herrnbaumgarten ist zweifellos die verruckteste Gemeinde Österreichs. Und das ist keine Diagnose eines Außenstehenden, sondern das Selbstbild, das die Bürgerinnen und Bürger der kleinen Weinviertler Gemeinde von sich haben. Verruckt wohlgemerkt - nicht verrückt.

Hier hinter Poysdorf, der tschechischen Grenze zu beginnt sich das Weinviertel aufzuwellen wie ein verrutschter Teppich. Die Hänge tragen das beharrliche Kettfadenmuster der Rebzeilen und die Ortschaften liegen wie zusammengeschüttelt in den weiten Falten der Täler. So erklärt es das kleine unbeugsame Dorf in 212 Metern Seehöhe am Rande der Republik und trotzdem nur eine Autostunde von Wien entfernt, auf seiner Homepage selbst. Hier beschaut man die Welt gekonnt aus einem leicht schrägen Blickwinkel.

Nonseum - Museum für 487,3 grenzgeniale Erfindungen

Stets balanciert Herrnbaumgarten fröhlich zwischen hintersinnigem Quergedenke, freundlichem Professionalismus und wohlwollendem Missverständnis.

Wo sonst, wenn nicht hier, wäre ein besserer Ort für das Nonseum? Seines Zeichens ein Museum für 487,3 grenzgeniale Erfindungen, die weder brauchbar noch sinnvoll sind.

Betrieben vom Verein zur Verwertung von Gedankenüberschüssen (VVG), ist das Nonseum Touristenmagnet Nummer eins in Herrnbaumgarten und Brennpunkt der Kuriositäten, die sich über das ganze Ortsgebiet verstreut immer wieder finden. Vorbei am Denkmal für den Vogelstrauß (ein verkehrt in der Erde steckendes Monument, von dem nur der Sockel herausragt) gelangt man beispielsweise zum örtlichen Kfz-Meister, der bei seiner Ansiedelung prompt die Adresse Boxengasse 1 verpasst bekommen hat.

Ortstafeln in Herrnbaumgarten
Ortstafelstreit gibt es in Herrnbaumgarten keinen. Ganz im Gegenteil: Ankömmlinge werden zehnsprachig auf den Beginn des Ortsgebietes hingewiesen.  

Zwischen scheinbaren und wirklichen Problemen wissen die Herrnbaumgartner wohl zu unterscheiden. Der Ortstafelstreit in Kärnten ist für sie jedenfalls kein Grund für Zwietracht. Um das zu beweisen, stellte man an den Ortseinfahrten kurzerhand zehn Ortstafeln in verschiedensten Sprachen auf. „Master’s Tree Garden“ ist eben kosmopolitisch!  

Der Bürgermeister dieser ungewöhnlichen Gemeinde heißt Christian Frank und arbeitet bereits seit seinem siebzehnten Lebensjahr hauptberuflich als Abteilungsleiter des Bürgermeisterbüros. Allerdings nicht in Herrnbaumgarten und für sich selbst (das muss man in diesem Fall dazusagen, denn zuzutrauen wäre es den Herrnbaumgartnern ja), sondern im benachbarten Poysdorf. Eine Kombination, die nicht allzu oft gegeben sein dürfte. Einerseits ist er seinem Kollegen untergeordnet und andererseits gleichgestellt. 

Kleiner Ort mit wunderbarem Ballsaal

Bei unserem Lokalaugenschein empfängt Christian Frank KOMMUNAL im Gemeindegasthaus „Zum Doppeladler“. Der Name geht auf die verscharrten Gebeine des letzten Original k.u.k. Doppeladlers zurück, die bei Umbauarbeiten im Keller entdeckt wurden, erzählt man sich hier.

Das gesamte Gebäude befindet sich in Gemeindebesitz und wurde die letzten Jahre um über eine Million Euro renoviert. Eine beachtliche Summe, gemessen am Gemeindebudget. Dafür erstrahlt das Haus vom Keller bis zum Dach in neuem Glanz, inklusive eines wunderbaren Ballsaals, den man in einem verhältnismäßig kleinen Ort wie diesem nicht vermuten würde.

Christian Frank hat bei der Revitalisierung tatkräftig mitgeholfen: „Ich kenne jede Schraube in diesem Haus.“ Man kann wohl kaum verbundener mit seinem Ort sein als Christian Frank. Er ist hier aufgewachsen, kennt jeden einzelnen Bürger und packt, wie beim Gemeindegasthaus, auch selbst mit an, wenn Hilfe gebraucht wird.

Vor 19 Jahren, im Alter von 23, wurde er erstmals geschäftsführender Gemeinderat und war als Zuständiger für Tourismus und Kultur maßgeblich daran beteiligt, das Profil des Ortes als „verrucktes Dorf“ zu schärfen. Als „verruckter Mastermind“ lässt er sich allerdings nicht bezeichnen:„Die Ehre gebührt eindeutig dem Fritz Gall (Begründer des Nonseums, Anm. d. Red.). Diesen Titel kann ich für mich nicht beanspruchen.“ 

Wegen seines aktiven Engagements stieg Frank bereits in der nächsten Legislaturperiode zum Vizebürgermeister auf, und seit 2010 lenkt er die Geschicke seines Heimatortes selbst als Bürgermeister.

Die Probleme in Herrnbaumgarten sind und waren typisch für viele Gemeinden im Weinviertel. Lange Zeit war der Ort tendenziell eine Abwanderungsgemeinde. Mittlerweile pendelt sich das Bevölkerungsniveau  aber ein. Die neu errichtete Autobahn A5 rückt den Ort näher an das Ballungszentrum Wien (Fahrzeit 40 Min.) und erlaubt das Pendeln in realistischen Zeiträumen.

Als die Post schloss, wurden Flaschenpostämter eröffnet

Ebenfalls „abgewandert“ ist die Post. Doch die Herrnbaumgartner wären nicht sie selbst, wenn sie mit diesem Ereignis nicht auch auf ihre besondere Art und Weise umgegangen wären. Am Tag der Schließung versammelte sich die Bevölkerung inklusive Musikkapelle vor dem alten Postamt und begrub zu den Klängen des Trauermarsches feierlich den Postfuchs. Anschließend zog der Begräbniszug quer durch den Ort, bis vor das Gemeindeamt. Dort wechselte die Kapelle auf Festmusik, und freudig zog man in einer Tour weiter zur feierlichen Eröffnung des ersten Flaschenpostamtes.

Binnen kürzester Zeit wurden 23 Flaschenpostämter in Herrnbaumgarten eröffnet. Diese sind bei den örtlichen Winzern eingerichtet und ermöglichen es binnen 48 Stunden postalische Urlaubs- und Liebesgrüße, Gratulationen und Beileidschreiben nicht in, sondern an Weinflaschen an die Empfänger zu übermitteln. Ein typisches Beispiel, wie die Herrnbaumgartner aus einer Not eine Tugend, und mit einem Augenzwinkern  das Beste aus einer Situation machen. 

Flaschenpostamt im Herrnbaumgarten
Selbsthilfe auf Weinviertlerisch: Wenn das Postamt schließt, eröffnet man eben ein Flaschenpostamt, oder besser gleich 23 Flaschenpostämter!

Wassermangel bereits seit Jahrzehnten

Eine andere Herausforderung, mit der sich die nördlichen Weinviertler konfrontiert sehen, ist der zunehmende Wassermangel. Anschaulichstes Beispiel in Herrnbaumgarten ist dafür der medial kolportierte „Problemteich“. Frank präzisiert: "Es ist wirklich ein Problem. Aber kein Teich, denn er hat gar kein Wasser mehr.“

Zwar gibt es zahlreiche Bemühungen, um den ehemaligen Fischteich wieder mit Wasser zu füllen, doch liegt er am höher gelegenen, „falschen“ Ende des Ortes, um ihn durch Zu- bzw. Ableitungen zu speisen, und die Niederschläge in der an sich schon regenarmen Region gehen seit Jahren zurück. Das ist insbesondere für die Wasserversorgung der Haushalte ein noch viel größeres Problem.

Zwar wurde letzten Sommer nicht, wie in der NÖN behauptet, Wasser zugekauft, doch „wenn wir es gekonnt hätten, hätten wir es getan“, schildert Frank die prekäre Situation. „Unsere Brunnen sind sehr seicht, und das Grundwasservorkommen ist nicht so großartig. Vergangenen Sommer hatten wir ernste Engpässe und mussten die Bevölkerung zur Sparsamkeit aufrufen, sonst hätten wir keine Chance gehabt. Nun haben wir vor rund einem Jahr einen neuen Brunnen gegraben, doch dessen Wasser enthält zu viel Eisen. nun bauen wir eine Enteisenungsanlage.  Das Thema Wassermangel begleitet uns schon seit vielen Jahrzehnten.“

Es ausschließlich auf den Klimawandel zu schieben wäre vielleicht vermessen, doch „Grundwasser verschwindet nicht von einem Tag auf den anderen. Das ist ein langsamer Prozess. Und wir haben kein Wasser aus 150 Metern Tiefe. Unsere Brunnen sind sieben Meter tief, also eher Oberflächenwasser. Da sind die Niederschlagsrückgänge ein relevanter Faktor.“

Abgesehen vom Dauerthema Wasser, das mittlerweile allerdings dank des neuen Brunnens etwas an Brisanz verloren hat, sieht Christian Frank die Gemeinde Herrnbaumgarten gut aufgestellt.

ausgetrockneter Teich in Herrnbaumgarten
Der Klimawandel wird sichtbar: Der (ehemalige) Teich am Ortsbeginn ist bereits völlig versiegt. Dass er sich jemals wieder füllt ist mehr als unwahrscheinlich. Wassermangel ist speziell im Sommer ein virulentes Problem in der Region. 

Offene Diskussionen im Gemeinderat

Die Autobahn hilft, ohne dass der Ort dadurch eine Belastung erfährt, der Tourismus läuft sehr gut, und im Gemeinderat funktioniert die Zusammenarbeit ausgezeichnet. „Während der Gemeinderatsperiode gibt es bei uns keine Parteipolitik. Wir sind eigentlich alle Freunde. Natürlich - wenn Wahl ist haben wir alle unsere Aufgaben, aber am Wahltag sitzen wir entspannt nebeneinander, und letztendlich versuchen wir alle das beste für Herrnbaumgarten zu erreichen. Wir können im Gemeinderat offen über alles reden, und das ist viel wert!“

Wer jetzt neugierig auf das „verruckte“ Dorf geworden ist, dem sei ein Besuch der Gemeindehomepage www.herrnbaumgarten.at und des Nonseums (www.nonseum.at) wärmstens empfohlen. Und seit die Herrnbaumgartner eine Frühstückspensionsreform durchgeführt haben, darf man sich auch in den Nächtigungsbetrieben auf einen verruckten Service freuen. Vom Nachttopf mit Zielscheibe bis zum gespiegelten Spiegelei sind Überraschungen garantiert.  

Zur Person

Christian Frank 

Alter: 42

Gemeinde: Herrnbaumgarten

Einwohnerzahl: 943 (1. Jänner 2018)

Bürgermeister seit: 1. April 2010

Partei: ÖVP