Männer verschieben Symbole
Foto: Shutterstock

„Gipfel der 1000 Themen“

Beim Finanzgipfel am 70. Geburtstag der Zweiten Republik wurden Steuerreform und Stabilitätspolitik diskutiert und der Kick-off zur Finanzausgleichsreform gegeben.

Am 27. April 2015 trat das sogenannte Österreichische Koordinationskomitee zu seinem (gemäß dem Stabilitätspakt zumindest) alljährlichen politischen Treffen zur Haushaltskoordinierung der Bundes-, Landes- und Gemeindeebene zusammen. Diesmal mit einer außerordentlich umfangreichen Tagesordnung, einer besonders großen Kärntner Delegation, die bereits am Vormittag Verhandlungen mit dem Finanzminister über die Inanspruchnahme der Bundesfinanzierungsagentur geführt hat, und auch das Datum war nicht alltäglich, denn die Zweite Republik feierte an diesem Tag ihren 70. Geburtstag. Die Sitzungsthemen spannten einen weiten Bogen von der Steuerreform und den damit verbundenen Auswirkungen auf die Einnahmen aus Ertragsanteilen, über die aktuellen finanziellen Herausforderungen für die Gebietskörperschaften, eine zwischenzeitliche Novelle des Finanzausgleichsgesetzes 2008 und die geplante Reform des Haushaltsrechts bis hin zum eigentlichen Hauptthema – den Verhandlungen zum Finanzausgleich ab 2017.

Finanzielle Lage bis 2016 besonders schwierig



Gemäß Artikel 14 des Österreichischen Stabilitätspakts 2012 koordinieren Bund, Länder und Gemeinden ihre Haushaltsführung, um die nationalen und europäischen Fiskalregeln effektiv umsetzen zu können. Das Österreichische Koordinationskomitee, in dem der Bund durch den Finanzminister, die Länder durch die Landesfinanzreferenten (in OÖ, Tirol und Vbg. sind dies die Landeshauptleute) und die Gemeindebünde durch ihre Präsidenten vertreten sind, hat somit am 27. 4. auch über die aktuelle wirtschaftliche und finanzielle Lage beraten. Das Positivste vorweg, der Ölpreis ist weiterhin auf niedrigem Niveau, die aktuell niedrigen Zinsen entlasten den Gesamtstaat derzeit um 0,5 Prozent des BIP und der schwache Euro erleichtert Exporte. Demgegenüber stehen aber strukturelle Probleme, die Reformen in den Bereichen Bildung, Pensionen, Verwaltung, Gesundheit, Arbeitsmarkt, Asylwesen, Wohnbau oder auch Wirtschaftsstandort notwendig machen. Besonders aber die Einmalmaßnahmen, die der Bund derzeit im Zusammenhang mit den Banken (HETA und Co.) zu setzen hat, belasten den Gesamtstaat enorm. Dazu kommt eine erst 2016 langsam wieder besser werdende Konjunktur-lage und eine ambitionierte Senkung der Lohnsteuer im Rahmen der Steuerreform 2015/2016, die zu deutlichen Einschnitten beim Wachstum der Abgabeneinnahmen und somit der Ertragsanteile führen wird.

Paradoxon im Stabilitätspakt



Ab 2017 gilt auch im österreichischen Stabilitätspakt die Fiskalregel des „strukturellen Defizits“. Deren Berechnungsmethode ist grundsätzlich weniger streng als jene für das im heimischen Stabilitätspakt 2016 auslaufende „Maastricht-Defizit“, weil konjunkturelle Effekte und Einmalmaßnahmen herausgerechnet werden. Wie bereits vor einigen Wochen vom Finanzminister kundgetan, erfüllte Österreich bereits 2014 das strukturelle Defizit von maximal -0,5 Prozent des BIP und wird dies aller Voraussicht nach auch weiterhin 2015 bis 2019 erfüllen. Nachdem aber 2015 und 2016 im Österreichischen Stabilitätspakt weiterhin das Maastricht-Defizit gilt und der Bund seine Ausgaben für HETA und Co. nicht herausrechnen kann, droht er, innerstaatlich vertragsbrüchig zu werden und möglicherweise auch EU-rechtlich, womit sogar EU-Sanktionen in Form einer vorübergehenden Einlage von 660 Millionen Euro drohen.



Und jetzt zum Paradoxon: Grundsätzlich orientiert sich der Österreichische Stabilitätspakt an den Fiskalregeln der EU, wenn diese strenger werden, wird auch der Stabilitätspakt strenger. Aufgrund dessen, dass sich Österreich (wie auch mehrere andere Länder der Eurozone) aber gerade in der Übergangsphase aus einem positiv beendeten Verfahren wegen übermäßigem Defizit befindet, wurden die Vorgaben aus Brüssel vorübergehend (2015 und 2016) leichter. Eine Situation, die im Stabilitätspakt so nicht vorhergesehen wurde, womit im Rahmen der Sitzung am 27. April auch über die Aufteilung dieser Erleichterungen zwischen Bund und Ländern gesprochen wurde, die noch im Mai fixiert werden sollen. Die Gemeinden sollen weiterhin länderweise ausgeglichene Maastricht-Haushalte erbringen. Aus der Tabelle zu den Defizit-Zielen lässt sich die aktuelle Vorgabe des Stabilitätspakts wie auch jene aus Brüssel entnehmen, wobei dennoch nicht sicher ist, ob diese Erleichterungen in den schwierigen Jahren 2015 und 2016 auch ausreichen werden.

Nicht grundlos aber unbegründet



In den aktuellen Begutachtungsentwürfen zur Steuerreform, die am 16. Juni beschlossen werden soll, findet sich auch der Entwurf einer Novelle zum aktuellen Finanzausgleichsgesetz 2008. Darin enthalten ist unter anderem die vom Bund an die Länder gemachte Zusage, dass die Mehreinnahmen, die aus der aktuellen Novelle des Grunderwerbsteuergesetzes resultieren, nach dem allgemeinen Schlüssel des FAG 2008 (67,417/20,700/11,883) auf Bund, Länder und Gemeinden verteilt werden.



Hintergrund dieser Länderforderung dürfte sein, dass im Zuge des letzten großen Sparpakets im Februar 2012 von den Landesfinanzreferenten wie folgt beschlossen wurde: „Künftige neue Bundesabgaben sind als gemeinschaftliche Bundesabgaben (Verteilung einheitlicher Schlüssel) ohne Zweckbindung auszugestalten.“ Dass diese geplante Änderung des FAG 2008 seitens des Österreichischen Gemeindebunds, nicht zuletzt aus präjudiziellen Gründen sehr kritisch gesehen wird, liegt auf der Hand, denn die Grunderwerbsteuer kommt seit Jahrzehnten aus gutem Grund zu 96 Prozent (bei vier Prozent Einhebungsvergütung für den Bund) den Gemeinden zu. Daneben steht aufgrund der zu Redaktionsschluss noch schwelenden Debatten über die Erhöhung des Freibetrags für Betriebsübergaben noch gar nicht fest, ob und in welchem Ausmaß die im Entwurf genannten Mehreinnahmen von 35 Millionen Euro pro Jahr überhaupt eintreffen werden.

Kostendämpfungspfad des Finanzministers



Im Österreichischen Stabilitätsprogramm 2014 bis 2019, das bereits einige Tage vor dem politischen Bund-Länder-Gemeinden-Gipfel von der Bundesregierung nach Brüssel geschickt wurde, ist zu lesen, dass die zur Gegenfinanzierung der Steuerreform gesamtstaatlich geplanten Einsparungen in Höhe von insgesamt jährlich 1,1 Milliarden Euro nach dem FAG-Schlüssel (Gemeindeanteil 11,883 Prozent) auf die staatlichen Ebenen verteilt werden sollen. Die Realisierung dieser Summe soll durch einen Kostendämpfungspfad in der Verwaltung (600 Millionen Euro) sowie durch sinnvolle Einsparungen bei den Förderungen (zum Beispiel „Einfrieren“ der Förderungen in bestimmten Bereichen) in der Höhe von rund 500 Millionen Euro erzielt werden. Auf Bundesebene sind diese Pfade inklusive der Auswirkungen auf die Untergliederungen dem Stabilitätsprogramm bereits eingerechnet. Finanzminister Schelling konkretisierte diesen Kostendämpfungspfad und ersuchte die Vertreter der Länder und Gemeinden das jährliche Ausgabenwachstum in der Verwaltung (Personal- und Sachaufwand) und ebenfalls bei den ausgegliederten Einheiten unter 1,7 Prozent zu halten und auch bei den Förderausgaben einzusparen. Die konkreten Maßnahmen dazu solle jeder für sich festlegen.

Kick-off zur Finanzausgleichsreform



Das Finanzministerium hat zur Vorbereitung der Reform des Finanzausgleichs von einer derzeit sehr stark einwohnerdominierten Mittelzuteilung (zusätzlich werden die Einwohner größerer Städte auch um fast 50 Prozent stärker gewichtet als jene in Gemeinden unter 10.000 Einwohnern) hin zu einer stärker aufgabenorientierten Verteilung der Abgabeneinnahmen kürzlich bereits die sechste und siebente Studie vorgelegt. Diese Studien, die auch auf der BMF-Homepage abrufbar sind, umfassen u. a. die Themen Aufgabenorientierung, Transfers und Kostentragung, Abgabenautonomie sowie Förderung strukturschwacher Gemeinden im Rahmen des Finanzausgleichs. Nach den am 27. 4. erfolgten ersten Gesprächen über die Struktur des Reformprozesses scheinen neben einem politischen Lenkungsgremium (mit den Ministern Schelling und Ostermayer, den Landesfinanzreferenten der Länder Niederösterreich, Salzburg, Steiermark, Vorarlberg und Wien sowie den Repräsentanten von Gemeindebund und Städtebund) und einer Beamten-Arbeitsgruppe (in der neben Bund und Gemeinden alle Länder vertreten sind) jeweils eine Unterarbeitsgruppe zum Thema Aufgaben-orientierung, Transfers- und Kostentragung sowie Abgabenautonomie fix.



Weitere Unterarbeitsgruppen zu den Themen Gesundheit, Pflege und (Gemeinde-)Kooperation, letztere stellte Finanzminister Schelling selbst in Aussicht, gelten als wahrscheinlich. Ebenso wahrscheinlich ist es, dass alle Finanzausgleichspartner mittlerweile mit Themen und Forderungen „aufmunitioniert“ sind. Von Gemeindebund-Seite, der einer aufgabenorientierten Finanzierung grundsätzlich positiv gegenübersteht, werden dies unter anderen die Themen gleiche Gewichtung jedes Einwohners einer Gemeinde, Abwanderung und Strukturschwäche, Aufgabenreform, Bürokratieabbau und grauer Finanzausgleich, Transferbereinigung (Gesundheit, Pflege, Sozialhilfe etc.) und Abbau veralteter Verteilungsschlüssel, Umsetzung der VfGH-Judikatur zur EKVO, Personennahverkehr, Gemeindekooperation sowie Stärkung der gemeindeeigenen Abgaben sein.



Angesichts der enormen öffentlichen Erwartungshaltung an diese Finanzausgleichsreform – insbesondere die Medienberichterstattung wird ja seit Beginn der Finanz- und Wirtschaftskrise nicht mehr müde, jede noch so kleine Meldung zu einem Riesenproblem aufzublasen (was auch großen Anteil daran hat, wie Österreich im Ausland derzeit wahrgenommen wird) - ist es wahrscheinlich gar keine schlechte Idee - wie vom Finanzminister angeregt - sich medial einmal ein wenig zurückzuhalten und stattdessen fundierte Beratungen und Vorarbeiten zu leisten, um die von allen Seiten angestrebte grundsätzliche Reform des Finanzausgleichs bis Herbst 2016 auf den Weg zu bringen.