Das Netz von Morgen muss sich an die anwachsende, dezentrale Einspeisung von regenerativer Energie anpassen, denn auf Erzeugerseite nimmt die Angebotsvielfalt enorm zu. Nicht nur Heizkraftwerke, sondern auch Windkraft- und Photovoltaikanlagen (Bild) werden einen deutlichen Beitrag zur Gesamtmenge an Strom beitragen.
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Gemeinden werden Energielieferanten

Die Energiewende ist eine Wende zugunsten der ländlichen Gemeinden. Sie sind die Energielieferanten von morgen. Somit werden auch die Kommunen in energiewirtschaftlicher Hinsicht von reinen Verbrauchern zu unumgänglichen Playern.

Was ist Smart Country?



„Smart“ ist heute vieles. Das englische Wort für pfiffig oder klug, wird im Deutschen gerne dann verwendet, wenn es gilt, auf die gesundheitlichen Aspekte von Entwicklungskonzepten hinzuweisen. Das heißt nichts anderes, als dass bei dem Ziel effizienter, technologisch fortschrittlicher, grüner und sozial inklusiver zu werden, Vernetzungen und Wechselwirkungen mit zu bedenken und optimal einzubinden. Das Schlagwort Smart City ist im gängigen Sprachgebrauch etabliert und subsummiert kurz und prägnant die weitläufigen Dimensionen, die sich hinter den Initiativen verbergen urbane Ballungsräume zukunftsfit zu machen. Doch was ist Smart Country? Im Prinzip nichts anderes als die smarten Leitgedanken auf den ländlichen Raum zu erweitern und dementsprechend zu adaptieren. Natürlich liefern kleine und mittelgroße Kommunen andere Voraussetzungen als dichtbesiedelte Metropolen. Diese Vorteile, die sie gegenüber den großen Städten besitzen, wie etwa der Grad der Verbauung bzw. die Menge an freien Nutzflächen gilt es bestmöglich zu nutzen.

Energiewende durch neuen Approach



Ein neuer Zugang hat zum Thema „Smart Country“ hat sich zum Ziel gesetzt, als Schrittmacher der Energiewende den Regionen und Kommunen neue wirtschaftliche Impulse und Aussichten zu bringen. Entscheidender Vorteil ist die Tatsache, dass auf dem Land der erforderliche Platz vorhanden ist, um erneuerbare Energie aus Wind, Sonne oder Biomasse zu erzeugen. Dadurch wird auch den Gemeinden geholfen, ihre Energieeffizienz- und Klimaschutzziele umzusetzen. Wie? Zum Beispiel durch den Ausbau der Verteilernetze. Dieser Ausbau ist nämlich eine Voraussetzung um den Transport regenerativ erzeugten Stroms zum Verbraucher barrierefrei zu ermöglichen. Mit den „Stromautobahnen“ quer durch das Bundesgebiet ist es nicht getan. Essentiell ist die Modernisierung und Leistungssteigerung der regionalen Netze. Erst dadurch kann der Strom, der statt aus wenigen großer, zunehmend aus einer Vielzahl kleiner Anlagen ins örtliche Netz gespeist wird, auch tatsächlich in die Städte gelangen. Das Hauptaugenmerk liegt also auf der Kapazität und Stabilität dieser Netze.



Die innovativen Netzkonzepte zielen darauf ab, mehr dezentrale Erzeugung am bestehenden Netz zu ermöglichen. Da gibt es beispielsweise das Forschungsprojekt „Smart Country“, das sich der praktischen Erprobung und wirtschaftlich-technische Bewertung solcher Netzkonzepte widmet. Als Knackpunkt hat sich im Zuge dessen das Aufrechterhalten der Spannungsqualität für die Aufnahme größerer Energiemengen herauskristallisiert, denn die Einspeisungen aus erneuerbaren Quellen schwanken. Als Lösung dafür wurden sogenannte Biogasspeicher identifiziert. Sie werden ein wesentlicher Bestandteil der Netze von morgen.



Die Nachfrage nach Biogasspeichern bedeutet auch neue Zukunftschancen für die kleinstrukturierte Landwirtschaft, in der Form, dass Bauern nicht nur Agrarprodukte sondern auch Strom erzeugen werden können. Heinz Hoffmann, auf dessen Hof bereits eine intelligente Biogasanlage steht, ist dadurch nicht nur mehr Landwirt sondern auch Energiewirt.

Praxistauglich



Dass Smart Country keine Zukunftsmusik ist, sondern bereits gelebt werden kann, zeigt das Modellprojekt Rheinland-Pfalz. In der Modellregion Bitburg-Prüm setzt man ganz auf erneuerbare Kräfte aus heimischen Ressourcen, wie Biomasse und Erdwärme, Sonne und Wind. Bis zum Jahr 2030 möchte man hier den Anteil der erneuerbaren Energien am Stromverbrauch auf 100 Prozent steigern. Bereits bis 2020 soll der Anteil des Stroms aus Windenergie verfünffacht werden. Diese ehrgeizigen Ziele sind Impuls für die involvierten Kreise, Städte und Kommunen. Diese punkten mit Bürgernähe und energieeffizienten Lösungen vor Ort, und profitieren von den erforderlichen Investitionen und Beschäftigungseffekten. Mit der Gewissheit der erfolgreich gelebten Praxis, blickt man in den betroffenen Gemeinden positiv in die Zukunft, denn man hat erkannt dass die Energiewende mit ihren intelligenten Konzepten und der Verbindung von neuester Energie mit Informations- und Kommunikationstechnik gerade die eigenen, ländlichen Strukturen stärkt.

Neue Chancen durch Veränderung



Der Smart Country Ansatz bietet zweifellos neue Chancen, er erfordert aber auch ein Umdenken. Einen Aufbruch zu neuen Strukturen. Vertraute Verhältnisse werden zurückgelassen, neues Terrain beschritten. Das weckt Befürchtungen und Sorgen, wie es jede Veränderung mit sich bringt. Zu einem gewissen Grad auch nicht zu Unrecht. Alte Probleme werden zwar obsolet, allerdings tauchen dafür neue auf. Die riesige Chance, die sich uns gegenwärtig bietet, ist, diese Probleme vorab zu identifizieren und ihnen schon bei der Entwicklung und Ausbreitung der Smart Country-Modelle mit intelligenten Lösungen zu begegnen, bevor sie wirtschaftlich, logistisch oder physikalisch nicht mehr zu lösen sind. Es gibt auch schon jede Menge Konzepte, um diese vorbeugend zu egalisieren. Zum Beispiel das Konzept der Smart Grids, der intelligenten Netze.



Früher floss der Strom nur in eine Richtung. Vom Kraftwerk zum Verbraucher. Das Netz von Morgen muss sich allerdings an die anwachsende, dezentrale Einspeisung von regenerativer Energie anpassen, denn auf Erzeugerseite nimmt die Angebotsvielfalt enorm zu. Nicht nur Heizkraftwerke, sondern auch Windkraft- und Photovoltaikanlagen werden einen deutlichen Beitrag zur Gesamtmenge an Strom beitragen. Fossile Brennstoffe werden Schritt für Schritt durch eine sichere und wirtschaftliche Versorgung, die auf erneuerbar produziertem Strom basiert, ersetzt. Nichts anderes ist unter Energiewende zu verstehen.

Das Netz denkt mit



Zukünftige Netze müssen die Fähigkeit besitzen „mitzudenken“, da sich die Energiemärkte ständig verändern werden. Für die Netzinfrastrukturen, ebenso wie für die Steuerung von Erzeugung, Speicherung und Verbrauch sind die besten Technologien einzusetzen. Auf den Punkt gebracht heißt das: Die Probleme denen man begegnen muss heißen schwankendes Stromangebot und viele, kleine, dezentrale Lieferanten. Die Lösung dafür liegt in Smart Grids, die mithilfe der Technologie von heute den Strom flexibel, effizient und versorgungssicher bereitstellen.  Von welchen Technologien die Rede ist? Zum Beispiel schon zuvor erwähnte Biogasspeicher.

Strom aus der Konserve



Das Prinzip des Biogasspeichers ist eigentlich relativ simpel. Schon bisher wurde auftretenden Energieengpässen mit der Zuschaltung, etwa von Gaskraftwerken begegnet. Nicht anders verhält es sich mit Biogasspeichern. Der Unterschied besteht nunmehr darin, dass die Schwankungen beim Smart Country-Modell wetterbedingt stärker fluktuieren und die Notwendigkeit diese auszugleichen zu einem weiterem klassischen Problem führen: der möglichst verlustfreien Speicherung von Strom. Der Biogasspeicher bietet die Möglichkeit die Energie nicht in Form von Elektrizität sondern als Methan-Gas zu konservieren. Produziert wird das Gas zwar ständig, aber so lange ausreichend Strom aus Wind- und Sonnenenergie produziert wird, behält man es als Reserve im Speicher. Bei Bedarf kann dieses wetterunabhängig mittels Kraft-Wärme-Kopplungsprozess zu Strom umgewandelt werden. Besonders positiv: Das Biogas selbst wurde ebenfalls durch erneuerbare Energiequellen am Land gewonnen.



Auch dieses System des indirekten Speicherns hat seine theoretische Phase weit hinter sich gelassen und ist praxiserprobt. Durch die Technik von heute ist es im Zuge des Modellprojekts Smart Country sogar gelungen eine Biogasanlage derart zu konstruieren, dass das Gas nahezu verlustfrei gespeichert werden kann.



Das Problem der starken Schwankungen kann also mittels Biogasspeichern gelöst werden. Doch es gibt eine weitere Herausforderung: In den ländlichen Regionen wächst die Stromerzeugung an, die Verbrauchslast bleibt allerdings gering. Die Folge davon: die Verteilernetze am Land laufen Gefahr ihre Belastungsgrenzen zu erreichen. Das zeigte sich auch im Smart Country Testnetzgebiet. Die ursprüngliche Jahreshöchstlast des Mittel- und Niederspannungsnetzes in der Region Trier war für 450 Megawatt konzipiert, doch die installierte Leistung der regenerativen Erzeugungsanlagen übersteigt bereits 1.000 Megawatt. Weitet sich die dezentrale Stromerzeugung wie im Modellprojekt auf ganz Deutschland aus, wird diese Netzüberlastung an vielen Orten auftreten. Das Gegenmittel lautet auch in diesem Fall intelligente Technologie.

Wissen ist Macht



Das gilt auch für die Netzsteuerung. Um diese sicher und effizient betreiben zu können benötigt man Daten, auf denen basierend man Entscheidungen treffen kann. Diese Daten erhält man durch Messungen. Früher reichte ein Messpunkt am Beginn eines Verteilernetzes aus. Doch wenn Verbraucher fortan häufig auch Produzenten sein sollen, ist eine erhöhte Transparenz unumgänglich. Die Einspeisung und Last variieren im Tages- und Jahresverlauf hinsichtlich der Schwankung aber auch der Stromrichtung. Es sind daher mehr Messpunkte notwendig. Die totale Überwachung braucht dennoch niemand zu fürchten, denn keinesfalls muss dazu jeder Netzknotenpunkt überwacht werden. Schon einige wenige Messpunkte mehr reichen aus, um die erforderlichen Werte über die Netzspannung zu erfassen. Die derart gewonnen Informationen liefern alle Daten über die Lastflüsse im Mittelspannungsnetz.



Diese Daten sind keineswegs nur in lokalen Netzen hilfreich. Auch über weite Strecken hinweg helfen sie mit, das Netz zu optimieren. Die sogenannte Weitbereichsmessung ermöglicht, die Spannungsschwankungen zu reduzieren.



In Verteilernetzen muss die Spannung stets in den zulässigen Grenzen gehalten werden. Soll fortan zusätzlich erzeugter Strom aus erneuerbaren Energiequellen eingespeist werden, stellt das vor allem die bestehenden, ländlichen Netze mit langen Leitungen vor Schwierigkeiten. Häufig ist es notwendig diese auszubauen. Hat man die Messdaten von weit entfernten Endpunkten weniger Mittelspannungsleitungen, reicht das bereits aus um in einer 110-Kilovolt-Umspannanlage mittels Stufenregelung die Spannungsschwankungen um knapp ein Drittel zu senken.

Fazit



Die Energiewende ist eine Wende zugunsten der ländlichen Gemeinden. Sie sind die Energielieferanten von morgen. Einem Gut, das in der heutigen technologisierten Welt unverzichtbar ist. Somit werden auch die Kommunen in energiewirtschaftlicher Hinsicht von reinen Verbrauchern zu unumgänglichen Playern. Diese Aufwertung mag auch in politischer Hinsicht so manche Verhandlungsposition stärken. In jedem Fall eröffnet Smart Country den Gemeinden von einem ganz zentralen Industriezweig zu profitieren, der ihnen in der Regel bislang verschlossen blieb. Die positiven Effekte für Bevölkerung und Beschäftigungssituation sind kurzfristig durch die Errichtung, und langfristig durch Betrieb und Wartung gegeben. De facto emissionsfrei und nachhaltig produzierend, werden neue Arbeitsplätze geschaffen, die Wertschöpfung komplett im Inland gehalten, und das wirtschaftliche Spektrum der Gemeinde pluralistischer. Dass sich Dezentralisierung als taugliches Mittel in Deutschland bewährt hat, zeigen jetzt schon zahllose Beispiele.