Ingmar Höbarth
Ingmar Höbarth ist Gründungsmitglied von Global 2000 und Greenpeace, sowie seit der Einrichtung im Jahr 2007 Geschäftsführer des Klima- und Energiefonds.

Kommunalwirtschaftsforum 2022

Gemeinden als Motor der Energiewende

6. April 2022
Der Geschäftsführer des Klima- und Energiefonds Ingmar Höbarth gab in seiner Keynote zu bedenken, dass Österreich durch die alpine Struktur mit 2 Grad Celsius stärker als der globale Durchschnitt (1,1 Grad) vom Temperaturanstieg betroffen ist. Zudem sind die Folgen des Klimawandels regional völlig unterschiedlich. Aktuell ist derzeit die Trockenheit im Osten und Süden Österreichs.

„Das Beängstigende ist, dass wir nicht wissen, was als nächstes auf uns zukommt. Das nächste Hochwasser, oder vielleicht demnächst ein Spätfrost.“ Was viele zudem nicht wüssten: „Die CO2-Mengen, die wir heute ausstoßen bleiben 100 Jahre persistent. Das heutige CO2 produzieren wir somit eigentlich für unsere Enkelkinder.“

Das berühmte 1,5-Grad-Ziel von Paris müsse erreicht werden, sonst könnte sich die Erde um fast 5 Grad erhitzen. „Je später wir mit Maßnahmen anfangen, desto stärker müssen die Emissionen fallen, und desto heftiger und einschneidender werden die Maßnahmen“, warnte Höbarth.

Ambitionierte Klimaziele gesteckt

Bei der Klimakonferenz in Paris habe sich die Weltgemeinschaft verpflichtet die Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu limitieren. In Europa hat man minus 55 Prozent Treibhausgase bis 2030 zum Ziel, in Österreich 100 Prozent erneuerbaren Strom bis 2030, und Klimaneutralität bis 2040. Mit diesen Zielen habe man die lange geforderten Rahmenbedingungen für die Politik geschaffen, die für Investitionssicherheit und Planung wichtig sind.

„Jetzt geht es an die harte Realität. Das betrifft den  Verkehr, die Industrie, Gebäude, die Landwirtschaft und Abfallwirtschaft. Wirtschaftliche Interessen  sind mit den Klimazielen unter einen Hut zu bringen. Es müssen praktisch alle ihren Beitrag leisten, wobei der Verkehr sicherlich das Hauptproblem ist, da wir den noch nicht wirklich in den Griff bekommen haben“, konstatiert Höbarth.

Zwei Milliarden Euro Schaden jährlich

„Viele werden in den Gemeinden von den Klimaschäden auf unterschiedliche Ausformung unmittelbar betroffen sein: Hochwasser, Brände, Hagelkörner groß wie Eier, Trockenheit, oder Stürme. Das sind alles Anomalien, die nicht normal sind. Man muss immer unterschieden – Wetterausreißer, hat es immer schon gegeben. Aber es ist wissenschaftlich erwiesen, dass die Häufung auf den menschengemachten Klimawandel zurückzuführen ist“, sagt Höbarth.

„Wir haben uns angeschaut, was das die österreichische Volkswirtschaft kostet. Die Klimaschäden, die man heute ausweisen kann, betragen bereits zwei Milliarden Euro pro Jahr. Das Problem dabei ist, dass man nicht so viel in Geldwerten ausweisen kann, wie es Schäden gibt.“ Die Folgeschäden seien besonders schlagend in den Bereichen Gesundheit ( vor allem ein städtisches Problem mit Hitze etc.), aber auch  in Land- und Forstwirtschaft. „Es sind alle Bereiche bis hin zur Biodiversität in unterschiedlicher Ausprägung betroffen, Tendenz steigend. Je früher wir Maßnahmen setzen, desto billiger wird es, und desto sozial verträglicher und gesünder wird es.“

Anpassen an den Klimawandel ist wichtig

In Paris wurden zwei Säulen gleichwertig beschlossen, der Klimaschutz (Mitigation) und die  Klimawandelanpassung (Adaption). „Uns war schon klar bevor die Folgeschäden in Österreich  evident geworden sind, dass wir uns an die unvermeidbaren Folgen des Klimawandels anpassen müssen. Wir haben sonst keine andere Chance. Wir können unsere Volkswirtschaft, unseren Tourismus, unsre Land- und Forstwirtschaft und letztendlich unseren Wohlstand nicht in der Art und Weise aufrechterhalten, wenn wir uns nicht rechtzeitig anpassen“, stellt Höbarth klar. Auch hier gelte, dass je früher Anpassungsmaßnahmen vorgenommen würden und Entscheidungen getroffen würden, es desto günstiger werden würde. Auch könne man so die Bevölkerung besser mitnehmen.

Gemeinden sind gefragt

Die Gemeinden seien als Entscheidungsträger gefragt. Entsprechend den zwei Säulen habe man auch zwei Modelle. Die Klima- und Energiemodellregionen (KEM) einerseits, und andererseits das Programm KLAR, das die Klimawandelanpassungsregionen abbildet, die die Gemeinde unterstützen um die Schäden überhaupt zu definieren und entsprechende Maßnahmen zu treffen.

Das seien aber nicht die einzigen Programme erklärt Höbarth: „Es gibt mittlerweile ein vielfältiges Angebot. Es gibt LEADER, es gibt das Klimabündnis, und es gibt „e5“. Wir schauen, dass wir mit allen möglichst in Synergie zusammenarbeiten, denn es gibt derartig viel zu tun, dass man einfach zusammenarbeiten muss.“

Die Klima- und Energiemodellregionen sind ein Programm, das unglaublich viel Dynamik aufweist. Es Mittlerweile gibt es über 120 Klima- und Energiemodellregionen. „Wir haben jetzt drei Schwerpunktregionen. Das steirische Vulkanland mit dem Schwerpunkt Bioökonomie, und nachhaltiger Tourismus in Zell am See/Kaprun und in der karnischen Region“, freut sich Höbarth. Das Bundesgebiet sei nicht schlecht abgedeckt.

Insgesamt 1.040 Gemeinden sind in den KEM aktiv, mit insgesamt 3,1 Mio. Einwohnern. Dazu kommen 74  Klimawandelanpassungsmodellregionen. „Wir bekommen jedes Jahr etliche KEM-Regionen dazu, aber bei den KLAR-Regionen ist der Zuwachs noch viel stärker, weil die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister Antworten auf die Frage suchen, wie sie mit den Folgeschäden umgehen sollen. Dafür bietet unser Programm wirklich die entsprechende Unterstützung“, stellt Höbarth klar.

Erfolgsfaktoren der KEM-Regionen

Wie sieht es mit dem Treibhausgasausstoß in den Modellregionen aus? Eine Untersuchung ergab: Privathaushalte und Konsum haben fast 50 Prozent, Gewerbe und Industrie 31 Prozent und die Land- und Forstwirtschaft 21 Prozent. Jede KEM-Region muss darauf achten, wie ihre Ausgangssituation aussieht, denn die Idee hinter den KEMs ist, regionale Modelle zu zeigen. Die Erfolgsfaktoren sind, eine Vision zu haben, etwa frei von fossilen Energien zu werden, die lokale Identifikation, und die Konkurrenz bzw. der Vergleich zwischen den Regionen, denn diese sporne an.

Die Bevölkerung macht mit

Der Klimafonds finanziert grundsätzlich, die Co-Finanzierung kommt aber von den Regionen und Gemeinden. „Das ist ein ganz wesentlicher Faktor. Die Energiewende findet vor Ort in unterschiedlichsten Ausformungen und Projekten statt. Von Mobilität über Biomasse bis zur Erzeugung von erneuerbaren Energien. Das Besondere ist, dass durch die Kommunikation und die kurzen Wege in der Gemeinde und in den Regionen die Bevölkerung mitbekommt, was passiert. Das wird in den Gemeindemedien kommuniziert. Da geht es auch um Bewusstseinsbildung in den Regionen und Gemeinden. Das funktioniert sehr gut. Es gibt zahlreiche Bürgerbeteiligungen. Es gibt genug Kapital, das zur Verfügung steht und die Leute machen gerne mit. E-Car-Sharing Projekte funktionieren. Die gehen bis zu 40 und 50 Fahrzeuge pro Projekt. Das kann mit eine Lösung für die berühmte Letzte Meile sein“, erklärt Höbarth.

Der Klima- und Energiefonds fördert

„Wir vergeben für bestimmte Projekte Investitionsförderungen. Das sind ganz konkret zehn Maßnahmen vor Ort, wie etwa der Regionsmanager, aber auch Mustersanierungen, Holzheizungen, Solarthermie, Ladeinfrastruktur, Photovoltaik, thermische Speicher für Wärme und Kälte, Klimaschulen, oder Energiegemeinschaften“, berichtete Höbarth. In Zukunft werde man voraussichtlich auch Energiespeicher fördern. Mittlerweile gibt es über 6.000 Klimaschutzprojekte, die vor Ort wirken. Die Mittel die dafür insgesamt ausgeschöpft wurden belaufen sich auf 60 Mio. Euro. „Die Niederösterreicher waren dabei Weltmeister im Geldabholen. Rang zwei geht an die Steiermark“, so Höbarth.

Der Sinn hinter den Modellregionen

Der Nutzen besteht laut Höbarth in der steigenden Unabhängigkeit von Energieimporten, sowie der Versorgungssicherheit. Die Wertschöpfung bleibe in der Region. Arbeitsplätze werden geschaffen und der Kaufkraftabfluss verringert, während das Bewusstsein der Bevölkerung gesteigert wird. Zudem gäbe es einen Multiplikator-Effekt durch erfolgreiche Modelle und deren Vorbildfunktion.

Energiegemeinschaften sind im Kommen

Beim Klima- und Energiefonds sieht man die Gemeinden „in dieser Arbeit wirklich als Schlüsselpunkt. Sie haben auch Vorbildfunktion. Die Gemeinden sind ganz nahe an den Bürgerinnen und Bürgern, und für uns ein ganz wichtiger Hebel für die Umsetzung der Klimaziele“, bekennt Höbarth, als er über  die Energiegemeinschaften spricht. „Früher war immer alles abstrakt wenn man von der Klimakrise gesprochen hat. Bei den Energiegemeinschaften ist jeder Bürger konkret involviert. Zudem haben sie einen sozialen Aspekt. Man bildet Gemeinschaften hat einen Austausch. Es können Gemeinden genauso mitmachen wie Unternehmen und die Bevölkerung, sei es Photovoltaik, Solarthermie, Biomasse, oder sonstiges.“

Handlungsvorschläge

Was können die Gemeinden jetzt für die Energiewende und ein Ende der Abhängigkeit tun?

Höbarth schlägt vor: „Die Gemeinderäte könnten beschließen, dass das Gasnetz nicht weiter ausgebaut wird. Oder, dass ein sukzessiver Rückbau der Gasversorgung in öffentlichen Gebäuden eingeleitet wird. Oder, dass der Ausstieg der Gemeindegebäude aus Öl bis 2024 erfolgt. Oder, dass eine Verpflichtung zu Photovoltaik und Solarthermie im Neubau erfolgen soll.“ Ansätze gebe es genügend. Ein Musterbeispiel dafür ist die Gemeinde Hartberg, die bereits im Jahr 2015 ein Gas-Ausbauverbot auf öffentlichem Grund ausgesprochen hat.