Bärbel Stockinger
„Man ist in jeder Führungsposition gut beraten, wenn man immer wieder hinterfragt, ob man selbst noch der Richtige ist.“ Bärbel Stockinger über die Gefahr der Betriebsblindheit bei fortschreitender Amtsdauer.
© Gemeinde Bad Erlach

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Frischer Wind für Bad Erlach

Bärbel Stockinger hat vor Kurzem als erste Frau die Leitung der Gesundheits- und Wellnessgemeinde Bad Erlach übernommen. Beim Lokalaugenschein verrät sie KOMMUNAL, welche Themen sie jetzt angeht.

Bad Erlach
Bad Erlach aus Nordosten. Am Horizont das Wechselgebiet, im Bildvordergrund mit „List GC“ der erste der heute vier Leitbetriebe der Marktgemeinde. Fotos: Andreas Hussak

So trüb und unwirtlich das Wetter draußen ist, so sonnig und herzlich ist der Empfang, den Bärbel Stockinger KOMMUNAL in ihrer Amtsstube im Rathaus von Bad Erlach bereitet.

Es ist Mitte Jänner und die frischgebackene Bürgermeisterin ist noch keine zwei Monate im Amt. In der Kommunalpolitik ist sie dennoch schon ein alter Hase und kann gut 17 Jahre Erfahrung im Gemeinderat vorweisen. Erst Anfang Dezember wurde sie von diesem einstimmig zur Nachfolgerin von Langzeitbürgermeister Johann Rädler gewählt. Dieser saß fast zwei Jahrzehnte im Nationalrat und war  unter anderem Konsumentensprecher und später Migrations- und Integrationssprecher der Bundes-ÖVP. Es sind also durchaus große Fußstapfen, in die Stockinger nun tritt.

Rathaus Bad Erlach
Aufgrund des historischen Wachstums hat Bad Erlach bis heute keinen Hauptplatz. Das Rathaus der Marktgemeinde wurde daher 1988 in relativer Ortsmitte, direkt an der Pitten, errichtet.  

„Mein Vorgänger war ein großer Visionär und in den letzten zwanzig Jahren hat sich unter ihm das Bild von Bad Erlach gänzlich geändert und entwickelt“, erzählt die Ortschefin und erinnert an die große Industriegeschichte des Ortes mit seinen ehemals zahlreichen Ziegelöfen. Doch diese Zeiten sind vorbei und als bald nach der Jahrtausendwende auch noch der letzte größere Betrieb, der Büromöbelhersteller Bene, absiedelte, gab es im Ort gar nur noch 150 Arbeitsplätze. Unter Rädlers Führung kamen vier neue Leitbetriebe nach Bad Erlach, das dadurch zu Stockingers Amtsübernahme stolze 1.400 Arbeitsplätze bei mittlerweile 3.200 Gemeindebürgerinnen und -bürgern vorweisen konnte. Die Einwohnerzahl stieg während Rädlers Amtszeit nämlich auch rasant um fast die Hälfte an. 

Bärbel Stockinger hat es miterlebt: „Ich bin ja selbst hier aufgewachsen und der Bevölkerungszuwachs ist in den letzten Jahren schon enorm gewesen. Ich sehe daher auch das Identifikationsthema als eine meiner Aufgaben, um wieder eine Dorfgemeinschaft zu werden. Bei Menschen aus ländlichen Gemeinden klappt das eher, bei den Städtern ist es etwas schwieriger, weil sie es nicht gewohnt sind. Ich möchte aber auf jeden Fall die alteingesessenen Familien und die neuen Bürger, die genauso wichtig sind, wieder zu einer Dorfgemeinschaft und zu einem größeren Miteinander zusammenführen“, erklärt sie. Ihr Vorgänger habe ein tolles Fundament geschaffen. „Uns geht es jetzt darum, dass diese großen Erfolge auch tatsächlich beim Bürger ankommen, dass wir investieren und die Infrastruktur dementsprechend herstellen bzw. nachziehen, zum Beispiel den Glasfaser- oder den Fernwärmeausbau.“ 

Stockinger geht es auch um Bürgernähe: „Wir wollen auch die vermeintlich kleinen Anliegen, die die Bürger haben, jetzt zu unseren großen Aufgaben machen.“

Als eines ihrer größten Anliegen bezeichnet die neue Bürgermeisterin die Digitalisierung. Ihr Vorgänger ist um 30 Jahre älter als sie und hatte seinen Fokus auf anderen Dingen. Der erste Schritt zu einer modernen Verwaltung wurde bereits letztes Jahr mit der Einführung einer Berechtigungskarte für alle Bürger zur Benutzung des Bauhofs gesetzt. Als Nächstes möchte Stockinger innerhalb der Verwaltung auf ein elektronisches Ablagesystem umstellen, bei dem die Rechnungen nur noch über QR-Code gescannt werden müssen. Und die Gemeindezeitung erfreut sich zwar bei der älteren Bevölkerung nach wie vor großer Beliebtheit, um aber auch die jüngeren Generationen zu erreichen, ist die digitale Amtstafel ebenso ein Projekt auf Stockingers To-do-Liste, wie es die mittlerweile schon stark intensivierten Aktivitäten der Marktgemeinde auf Social Media waren.

Der Kontakt mit den Bürgern ist Stockinger wichtig. Genauso wichtig ist ihr aber auch ihre Familie, womit sich für sie die Herausforderung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie stellt: „Das ist sicher für viele Bürgermeister ein Thema, weil es ein 24/7-Job ist. Ich habe zwei Söhne, die sind fünf und sieben Jahre alt. Ich kann nicht wie mein Vorgänger, vor allem nachdem er nicht mehr Nationalrat war, von Montag bis Sonntag an jeder Abendveranstaltung teilnehmen. Die Kinder wollen verständlicherweise auch mal von der Mama ins Bett gebracht werden und eine Gute-Nacht-Geschichte hören. Ich möchte nicht, dass sie später einmal das Gefühl haben, die Mama war nur arbeiten.“ 

Warum es Role Models für Frauen braucht

Mit der Wahl der zweifachen Mutter ins Amt bekleiden nun übrigens 216 Frauen in Österreich das Bürgermeisterinnenamt. Ob das für sie eine besondere Bedeutung habe, beantwortet Stockinger mit einem klaren Jein:

„Ich denke, das Bürgermeisteramt sollte immer der am besten geeignete Kandidat ausfüllen, egal welches Geschlecht. Ich glaube aber auch, dass man Role Models braucht, damit sichtbar wird, dass das Amt auch eine Frau ausüben kann. Insofern bedeutet es mir schon viel, weil ich gerne hätte, dass jedes Kind, jeder Jugendliche, der sich über seinen Beruf Gedanken macht, das vollkommen frei von seiner Geschlechterrolle oder von den Erwartungen, die in der Gesellschaft vorhanden sind, überlegt.“

Frauen haben es noch immer schwerer, als Politikerin so weit zu kommen, meint Stockinger. Das habe sie ganz am Anfang ihrer Gemeinderatstätigkeit gemerkt, denn als Frau habe man zusätzlich noch mit Vorurteilen zu kämpfen. Die nunmehrige Bürgermeisterin hat diese Vorbehalte erfolgreich zerschlagen – und sie weiß auch warum. 

Der Sport hat sie geprägt, denn durch ihn hat sie bereits früh gelernt, dass man viel ­schaffen kann, wenn man es sich zutraut.

„Ich habe sehr früh sehr viel Bergsport mit meinem Vater betrieben. Mit sechs Jahren war ich das erste Mal ohne jede technische Hilfe am Schneeberg oben und mit zehn Jahren hatte ich meinen ersten Dreitausender bezwungen“, erinnert sich Stockinger an die Wandertouren ihrer Kindheit zurück. Ein besonderes Faible hat sie auch für Teamsport. Der ehemaligen Handball- und Basketballspielerin gefällt, dass jeder im Team seine Aufgabe hat und diese bestmöglich für seine Mannschaftskollegen ausführt. „Auf diese Weise miteinander erfolgreich zu sein, ist eine der schönsten Lehren fürs Leben, die man machen kann“, findet die Bürgermeisterin und hofft, dass auch ihre Kinder diese Erfahrung machen werden. Davon abgesehen ist Sport natürlich gesund und das passt ganz wunderbar zu Bad Erlach, das sich als Gesundheits- und Wellnessgemeinde einen Namen gemacht hat. 

Noch vor den beiden Rehabilitationszentren Kokon (für Kinder und Jugendliche) und Lebens.Med Zentrum (für onkologische Patienten) ist Österreichs einzige Erwachsenentherme, die Linsberg Asia Therme, wahrscheinlich die bekannteste Einrichtung, die zum Gesundheitsimage von Bad Erlach beiträgt.

Mit Sicherheit ist sie die einzige, die dem Ort, den viele noch als Erlach kennen, im Jahr 2008 zu seinem Namenszusatz „Bad“ verhalf, nachdem bei Bohrungen in 1.200 Metern Tiefe eine Heilquelle gefunden wurde.

Linsberg Asia
Nachdem 2004 bei Bohrungen Heilwasser gefunden wurde, wurde 2008 in der Katastralgemeinde Linsberg die gleichnamige Asia-Therme eröffnet. Das ehemalige Erlach heißt seitdem Bad Erlach.  

Der Ort soll aber nicht nur für Touristen eine Gesundheitsgemeinde sein, sondern auch für die eigenen Bürger. Das ist der Gemeinde auch einigen Aufwand wert. So gibt es seit etwa zwei Jahren das Projekt Community Nurse. Bad Erlach nimmt jedoch nicht an dem EU-finanzierten Pilotprojekt teil, sondern hat sich dafür entschieden, eigenständig und aus eigenen Mitteln eine Pflegekoordinatorin zu beschäftigen.

Diese Aufgabe erfüllt die Gemeindeschwester und das mit fulminantem Erfolg, berichtet Bürgermeisterin Stockinger: „Mit Tanja Wagenhofer haben wir einen absoluten Glückstreffer gelandet. Ihre positive Ausstrahlung und ihre Art, auf Menschen zuzugehen, trägt sicherlich wesentlich dazu bei, dass das Angebot so gut angenommen wird. Sie ist Ansprechpartner bei kurzfristigen Problemen, hilft bei bürokratischen Hürden, bei der Suche nach Heimplätzen, beim Beantragen der Pflegestufen und vielem mehr.“ 

Neben ihren Telefonberatungen ist die Community Nurse regelmäßig nachmittageweise vor Ort im Amt, wobei sich genauso regelmäßig zeigt, wie groß der Bedarf der Bevölkerung an ihrer Hilfe ist und wie gut die kostenlosen Beratungsgespräche angenommen werden. Für die Bürgermeisterin steht jedenfalls fest: „Die Community Nurse ist gekommen, um zu bleiben.“ Die Gemeinde baut das Angebot sogar noch aus. Eine Psychologin besucht die Schulen und bietet am Gemeindeamt jeden zweiten Montag Beratungen an. 

Bärbel Stockinger hat noch etliche weitere Ideen, wie das Leben der Bad Erlacher verbessert werden könnte. Ob sie alle wird umsetzen können, wird man sehen. „Das Bürgermeisteramt wird nicht umsonst von vielen auf lange Zeit ausgeübt. Entwicklungsprozesse dauern teilweise Jahre. Deswegen würde es mich freuen, wenn ich möglichst lange bleiben kann, so der Bürger das will“, meint die Bürgermeisterin, deren Vorgänger im Schnitt 14 Jahre im Amt waren. Und sie weiß: „Man ist in jeder Führungsposition gut beraten, wenn man immer wieder hinterfragt, ob man selbst noch der Richtige ist, weil doch Betriebsblindheit einkehrt. Ich habe nicht das Ziel, auf Biegen und Brechen bleiben zu müssen bis ich in Pension gehe. Schauen wir einfach stetig, was das Beste für alle ist.“ 

Bad Erlach
Unmittelbar neben Bad Erlach befindet sich der Zusammenfluss der Pitten (von links kommend) und der (derzeit nicht wasserführenden) Schwarza (von oben), die ab hier die Leitha bilden. 

Zur Person

Bärbel Stockinger

Alter: 40

Gemeinde: Bad Erlach 

Einwohnerzahl: 3.196 (2022)

Bürgermeisterin seit: 2. Dezember 2022

Partei: ÖVP