Heidenheim
Heidenheim an der Brenz ist eine Stadt mit knapp 50.000 Einwohners im Osten Baden-Württembergs an der Grenze zu Bayern.
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„Es braucht generell einen Rettungsschirm für Kommunen“

Im Gespräch mit Oberbürgermeister Bernhard Ilg aus Heidenheim in Baden-Württemberg wird klar, dass deutsche Städte und Gemeinden nur mit Hilfe der Länder und des Bundes gut durch die die Corona-Krise kommen werden.

Wie halten Sie während der Krise Kontakt zu den Bürgern? Haben Sie zum Beispiel virtuelle Bürgersprechstunden eingerichtet oder verstärkt über soziale Medien kommuniziert?

Bernhard Ilg: Die Stadt Heidenheim kommuniziert aktiv über die Webseite und die sozialen Medien mit den Bürgerinnen und Bürgern rund um das Thema Corona. Unser Bürgertelefon hat vor allem in den ersten Tagen der Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus den Bürgern Sicherheit gegeben.

Durch hohe Erreichbarkeit und schnelle Kommunikation in die Bevölkerung haben wir versucht, den Menschen in der Stadt Ängste zu nehmen und Verständnis zu schaffen. Unser Oberbürgermeister hält zudem den Kontakt zu den Verbänden, Organisationen und Vereine.

Wie bereiten Sie sich auf den Sommer vor? Rechnen Sie zum Beispiel damit Freibäder öffnen zu können?

Wir freuen uns über die aktuellen Lockerung der Corona Verordnungen, das ist ein wichtiges Zeichen für den Handel, die Gastronomie und vor allem für Familien. Die Landesregierung hat bis auf weiteres die Öffnung von Bädern, Großveranstaltungen oder Sportveranstaltung und Kultureinrichtungen verneint. Das Waldfreibad hat in den vergangenen Tagen die üblichen Frühjahrswartungsarbeiten abgeschlossen und sobald die Landesregierung die Öffnung beschließt, kann das Freibad öffnen. Sollte die Freigabe für das Freibad spät kommen, wird Heidenheim die Hallenbadsaison früher beginnen und keine Freibadsaison eröffnen.

Wo in der Verwaltung hat die Corona-Situation zu den größten Problemen geführt und wie sind Sie diese angegangen?

Die Stadtverwaltung hat rund vier Wochen das Rathaus für den Publikumsverkehr geschlossen und öffnet das Rathaus auch jetzt nur bei Terminen. Uns ist es gelungen, als eine Pilotstadt mehrere Online-Prozesse über service-bw innerhalb weniger Tage für unsere Bürgerinnen und Bürger anzubieten. Das Onlineangebot weiten wir nun aus.

Wir haben durch die tägliche Arbeit des früh einberufenen Krisenstabs stets effektiv und zeitnah auf Veränderungen und neue Verordnungen reagieren können. Gemeinderats- und Ausschusssitzungen können nicht im gewohnten Umfang stattfinden, da aber die Heidenheimer Stadträtinnen und -räte bereits seit Jahren digital arbeiten, konnten wir auch dieser Situation gerecht werden.

Bernhard Ilg
Bernhard Ilg: „Wir benötigen Hilfen des Landes oder des Bundes für Einnahmeausfälle bei den Kindergartengebühren, VHS- und Musikschulgebühren. Außerdem einen Ersatz für den krisenbedingten Mehraufwand.“

Eine Umstellung ist es allemal, wenn man nicht schnell zum Kollegen an den Schreibtisch kann, Abstand halten muss und die Menschen mit Masken ins Rathaus kommen. Aber diese Maßnahmen sind notwendig und richtig, um baldmöglichst zu einem Alltag zurück zu kehren. Einschränkung gibt und gab es im Bereich Kultur und Veranstaltung. Große Veranstaltungen wie die Opernfestspiele mussten vollständig abgesagt werden. Hier zahlen wir den Künstlern 25 Prozent ihrer Gage, dafür müssen die Opernfestspiele im nächsten Jahr 20 Prozent ihres Budgets einsparen. Das sorgte für viel Erleichterung bei den Künstlern.

Wie hat sich die finanzielle Situation von Heidenheim seit Beginn der Kontaktbeschränkungen verändert?

Durch den Rückgang von Steuereinnahmen und wegfallenden Gebühreneinnahmen durch die Corona-Krise werden der Stadt Heidenheim voraussichtlich mehrere Millionen Euro im Haushaltsjahr 2020 fehlen. Dazu kommt, dass die Stadtverwaltung auch in der aktuellen Krisenzeit wesentliche Verwaltungsdienstleistungen (z. B. Volkshochschule und Musikschule) für die Bürgerinnen und Bürger vorhalten musste.

Die Höhe der finanziellen Belastung richtet sich nach der Dauer der verordneten Beschränkungen. Aktuell gehen wir von einem Minus von 20 bis 30 Prozent bei den wesentlichen Steuereinnahmen wie der Gewerbesteuer und den Anteilen an der Einkommen- und Umsatzsteuer aus. Bei der Vergnügungssteuer rechnen wir mit 25 Prozent Minus.

Die Höhe der Einnahmeausfälle richtet sich nach der eingehenden Anzahl an Anträgen auf Herabsetzungen der Steuerlast durch Unternehmen und Vereine sowie den Ergebnissen der Mai-Steuerschätzung. Wegen der Schließung von Kultur-, Sport- und Sozialeinrichtungen gibt es weitere Einnahmeausfälle.

Welche Hilfen würden Sie sich von Bund und Land für die Kommunen wünschen?

Wir benötigen Hilfen des Landes oder des Bundes für Einnahmeausfälle bei den Kindergartengebühren, VHS- und Musikschulgebühren. Außerdem einen Ersatz für den krisenbedingten Mehraufwand. Generell braucht es einen „Rettungsschirm“ für Kommunen oder Förderprogramme, so wie es die Wirtschaft auch erhalten hat.

Viele Kommunen bereiten momentan Nachtragshaushalte oder gar Haushaltssperren vor und schrauben Investitionen zurück. Können in zunehmendem Maße keine genehmigungsfähigen Haushalte vorgelegt werden, sind auch zeitlich befristete Ausnahmeregelungen bei den Genehmigungsvorschriften wünschenswert.