Gelturm wird von Coronavirus umgeworfen
Nach den mittlerweile relativ fixen minus 8,5 Prozent, die die Gemeinden ohne Wien bei den kassenmäßigen Ertragsanteilen im Jahr 2020 durchschnittlich verzeichnen werden, erwartet das Finanzministerium auch 2021 ein deutliches Minus – trotz eines konjunkturellen Aufholeffekts.
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Ertragsanteile: Auch 2021 deutlicher Rückgang zu erwarten

Bereits unmittelbar mit dem ersten Lockdown am 16. März 2020 waren die ersten finanziellen Auswirkungen der Corona-Krise auch in den Gemeindekassen zu spüren. Noch viel drängender ist derzeit aber die Frage, wie es mit den Gemeindefinanzen weitergeht. Eine Vorschau.

Ab Mitte März kam es vor allem zu Einnahmenrückgängen bei verschiedenen kommunalen Betrieben sowie zu unmittelbaren Mehrausgaben – von Hygienemaßnahmen über Kommunikation und EDV bis hin zu Überstunden in bestimmten Bereichen und nicht selten auch deutlichen Baukostenüberschreitungen bei laufenden Projekten.

Ab April 2020 begann durch die prekäre Situation auf dem Arbeitsmarkt auch der Rückgang der Kommunalsteuer, die leider nach wie vor nicht in die Kurzarbeitsbeihilfen einbezogen ist. Die Einnahmen aus dieser wichtigsten gemeindeeigenen Abgabe dürften heuer bundesweit um bis zu zehn Prozent einbrechen – je nach Unternehmensstruktur in der Gemeinde in jeweils sehr unterschiedlichem Ausmaß.

Einbruch der Ertragsanteile ab Mai 2020

Wie das Diagramm verdeutlicht, setzte im Mai 2020 der Einbruch der Ertragsanteile ein. Im Juni 2020 brachen - verglichen mit dem Juni des Vorjahres - die Vorschüsse aufgrund der vom Bund großflächig gewährten Zahlungserleichterungen bei USt, ESt, KÖSt und Co. um rund ein Drittel ein.

Dies führte bei sehr vielen Gemeinden am 23. Juni 2020 erstmals dazu, dass nach Abzug von Umlagen und Beiträgen seitens der Länder null Euro von den Abgaben-Ertragsanteilen übrig blieben, was sich teilweise ähnlich drastisch auch im Juli und August fortsetzte.

Vorschüsse auf Ertragsanteile

Insgesamt brachen die Vorschüsse der Gemeinden mit Wien seit Mai um fast 1,2 Milliarden Euro im Vergleich zum Vorjahreszeitraum ein. Nur den sehr positiv verlaufenen Vorschussmonaten Jänner bis April 2020 (Abgabenaufkommen November 2019 bis Februar 2020) ist es zu verdanken, dass die kassenmäßigen Ertragsanteile der Gemeinden heuer nicht zweistellig einbrechen werden.

Ertragsanteile auch 2021 deutlich im Minus

Nach den mittlerweile relativ fixen minus 8,5 Prozent, die die Gemeinden ohne Wien bei den kassenmäßigen Ertragsanteilen (im Kalenderjahr vereinnahmt) im Jahr 2020 durchschnittlich verzeichnen werden, erwartet das Finanzministerium in seiner aktuellen Prognose auch 2021 ein deutliches Minus – trotz eines konjunkturellen Aufholeffekts.

Dieser Rückgang im kommenden Jahr resultiert nämlich vor allem aus der im Sommer beschlossenen Steuerreform (Konjunkturstärkungsgesetz) und den mit den heurigen Vorschüssen bereits konsumierten Übergenüssen von rund 400 Millionen Euro.

Und diese Übergenüsse bei den 2020er Ertragsanteilen holt sich der Finanzminister im Wege der sogenannten Zwischenabrechnung (Aufrollung des Finanzausgleichsjahrs 2020 – bedingt durch den Zwei-Monats-GAP zwischen Steueraufkommen und Vorschüssen) durch einen Abzug von den März-Vorschüssen des Folgejahres wieder zurück.

Sollte es hier also nicht zu einer vom Gemeindebund geforderten Ausnahme kommen, könnten die am 23. März 2021 einlangenden Überweisungen der Abgabenertragsanteile nach Saldierung mit Landesumlage, Krankenanstaltenbeiträgen und Co. ein weiteres Mal null Euro betragen (Stichwort: Liquidität).

Prognose noch ohne zweiten Lockdown

Die aktuelle BMF-Prognose sieht für 2021 einen Rückgang der Ertragsanteile der Gemeinden ohne Wien von rund –3,2 Prozent vor. Wien zeigt sich ein Stück weit besser, da dort die Grunderwerbsteuer etwas stärker eingeschätzt wird als 2020.

ABER: Diese BMF-Prognose von Anfang November beinhaltet noch nicht den am 17. November 2020 gestarteten zweiten „harten“ Lockdown. Das für 2021 zu erwartende Minus der Gemeindeertragsanteile dürfte somit noch um ein gutes Stück höher ausfallen, als es in der Tabelle dargestellt ist. Denn schließlich ist kurz bis mittelfristig leider auch zu befürchten, dass AMS-Chef Kopf mit seiner Aussage „Etlichen Betrieben wird die Luft ausgehen, wenn die Stundungen von Steuer- und Sozialabgaben auslaufen“ recht behalten wird, auch wenn der Bund gerade die Steuern senkt und sehr viel (geborgtes) Geld in die Hand nimmt, um möglichst viele Unternehmen über die Krise zu retten.

Entwicklung der Ertragsanteile
Das für 2021 zu erwartende Minus der Gemeindeertragsanteile dürfte noch um ein gutes Stück höher ausfallen als es in der Tabelle dargestellt ist, weil darin der zweite harte Lockdown noch nicht enthalten ist.

Zusätzliche Corona-Hilfen für Gemeinden notwendig

Allein heuer dürften sich die finanziellen Folgen für die Gemeinden ohne Wien – durch coronabedingte Mindereinnahmen und Mehrausgaben – im Bereich von 1,5 Milliarden Euro bewegen. Die seitens der Länder seit dem Frühjahr geschnürten Gemeindepakete ermöglichten den Gemeinden zwar die für 2020 nötige Liquidität (Ausweitung der Inanspruchnahmemöglichkeit von Kassenkrediten oder auch Erleichterungen bezüglich Darlehensaufnahmen), eine wirkliche Entlastung durch zusätzliche Landesmittel erfolgte aber nur in wenigen Bundesländern.

Die sogenannte Gemeinde-Milliarde des Bundes (Kommunalinvestitionsgesetz 2020) mildert durch die Förderbarkeit von „Altprojekten“ und laufenden Instandhaltungsmaßnahmen zwar ebenfalls die finanziellen Folgen der Corona-Krise etwas ab, im Gegenzug lässt der Bund jedoch die kommunalen Wirtschaftsbetriebe bei seinen Hilfsprogrammen für die Unternehmen weitgehend durch den Rost fallen.

Gemeinden brauchen Planungssicherheit

Was gerade den Gemeinden nun besonders fehlt, ist die Planungssicherheit. Denn gegenüber Bund und Ländern verfügen sie über einen weitaus geringeren Ermessensanteil in ihren Budgets. Vieles ist Pflichtaufgabe, Aufgabe der Daseinsvorsorge oder Ko-Finanzierungsaufgabe - und damit weder kurz- noch langfristig einzusparen. Ganz im Gegenteil, die Gesundheitsausgaben und jene im Pflege- und Sozialhilfebereich werden deutlich steigen.

Darüber hinaus können die Gemeinden ihre Einnahmen im Gegensatz zu den gesetzgebenden Ebenen nicht nach Belieben steuern und selbst die Gebühreneinnahmen der Gemeinden sind weitgehend durch Verwaltungsrecht bzw. höchstgerichtliche Judikatur nach oben gedeckelt. Und nicht zuletzt können sich die Gemeinden im Vergleich zu Bund und Ländern nicht so günstig und friktionsfrei refinanzieren (nach wie vor fehlt der Zugang der Gemeinden zur Österreichischen Bundesfinanzierungsagentur).

Sparbudgets 2021 sind notwendig, schwächen aber die Wirtschaft

Mittlerweile sind die Girokonten vieler Gemeinden deutlich überzogen, strukturelle Benachteiligungen verfestigen sich. Die frei verfügbaren Rücklagen sind dezimiert bis aufgebraucht und neue Kredite aufgenommen. Sparbudgets 2021 sind notwendig, schwächen aber gleichzeitig die lokale Wirtschaft. Die Steuerreform kostet die Gemeinden allein 2021 eine halbe Milliarde Euro an Ertragsanteilen. Es wäre nun an der Zeit, dass der Bund weitere Unterstützungen für die Gemeinden auf den Weg bringt.