Niedrigenergiestandard als Maßstab für Renovierungen erscheint im örtlichen Kontext nicht sinnvoll.
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Europa

Energieeffizienz. Wo stehen wir? Wo wollen wir hin?

Es gibt in Brüssel natürlich auch andere Themen als den Grünen Deal. Aber die spielen im kommunalen Lobbying derzeit eine vergleichsweise untergeordnete Rolle.

Das liegt daran, dass z. B. die Energieeffizienzrichtlinie ganz konkret auf die Gemeinden – direkt oder als Teil der öffentlichen Hand – abzielt. Das kann man gut finden, weil jeder seinen Beitrag zum Klimaschutz leisten muss. Das kann man aber auch hinterfragen, wenn die vorgeschlagenen Maßnahmen nicht praktikabel sind. 

Der Österreichische Gemeindebund hat sich unter anderem bei den Kommunalen Sommergesprächen damit befasst, ob die Energiewende machbar ist – viele Gemeinden zeigen es aber ohnehin schon vor. Erneuerbare Energie, effiziente Nah- und Fernwärme, CO₂-Einsparung durch Renovierungen, sanfte Mobilität und intelligente Raumordnung – Gemeinden haben viel an Best Practice zu bieten.

Die EU-Kommission hätte vor Veröffentlichung des „Fit for 55“-Pakets also durchaus einen Blick in die kommunale Landschaft wagen sollen. Denn diese ist so vielfältig wie Europa selbst und allein das spricht gegen One-size-fits-all-Lösungen. 

Die Vorschläge der EU-Kommission zu Verbesserung der Energieeffizienz

Konkret schlägt die Kommission in puncto Energieeffizienz folgende, die Gemeinden direkt betreffende Punkte vor: 

  • Jährliche Renovierungsquote von drei Prozent der Gesamtnutzfläche aller öffentlichen Gebäude, es gilt Niedrigenergiestandard. 
  • Ein jährliches Energieeffizienzziel von 1,7 Prozent für die öffentliche Hand, die Einzelbeiträge sind national festzulegen.
  • Energieeffizienz zuerst im Vergaberecht für alle öffentlichen Auftraggeber ab Überschreiten der EU-Schwellenwerte. 

Der Österreichische Gemeindebund steht hinter den europäischen Zielen und weiß, dass sich jede Investition in den Klimaschutz positiv auf die Lebensqualität (und mittel- bis langfristig meist positiv auch aufs Budget) auswirkt.

Problematisch sind jedoch die derzeit noch sehr starren Vorschläge. Mit Betonung auf „derzeit“ und „noch“, denn der EU-­Gesetzgebungsprozess steht am Anfang und die kommunale Ebene muss sich jetzt intensiv mit konkreten Beispielen einbringen. Nur so sind Änderungen Richtung mehr Flexibilität zu argumentieren und durchzusetzen. 

Viele praktische Fragen offen

Nehmen wir das Drei-Prozent-Renovierungsziel. Dieses stellt allein auf die Gesamtnutzfläche (beheizter/gekühlter Gebäude ab 250 m²) ab. Alle Gebäude von Bund, Ländern, Gemeinden sowie anderen öffentlichen Auftraggebern im Sinne des Vergaberechts sind in einem Register zu erfassen, Fortschritte sind mithilfe desselben nachzuweisen. Als Erfolg und auf die Quote anrechenbar gilt eine Renovierung gemäß Niedrigenergiestandard. 

Natürlich muss die EU-Kommission irgendwo anfangen, aber derart starre Vorgaben sind realitätsfremd. Der zur Diskussion stehende Text berücksichtigt weder Gebäudenutzung, Bausubstanz noch geografische Lage oder Ausrichtung. Auch die Baukultur wird ausgeklammert, obwohl das Neue Bauhaus zu den Lieblingsprojekten von Kommissionpräsidentin Von der Leyen zählt.  

Jede Gemeinde kennt den Unterschied zwischen Verwaltungsgebäude und Sportkomplex, ein historischer Bau wird anders optimiert als ein Kindergarten. Niedrigenergiestandard als Maßstab für Renovierungen erscheint im örtlichen Kontext nicht sinnvoll. Vereinslokale oder Feuerwehrhäuser können möglicherweise mit einfachen und weniger kostspieligen Maßnahmen wie dem Umstieg von fossil befeuerter Warmwasseraufbereitung auf Solarthermie höhere Effizienzgewinne erzielen als durch eine umfassende Gebäudesanierung. 

Wobei sich am Ende immer noch die Frage der Berichterstattung stellt. Denn wie gesagt, zahlreiche Programme, Projekte und Maßnahmen beweisen das große Engagement der lokalen Ebene. Verfügen aber all diese Gemeinden über eine Energiebuchhaltung, um den Nachweis schwarz auf weiß zu erbringen? 

Ähnlich verhält es sich mit dem 1,7-Prozent-Energieeffizienzziel. Die Beiträge der Gemeinden zum gesamtstaatlichen Ziel müssen irgendwo in Zahlen gegossen werden, das heißt, alle örtlichen Maßnahmen, die eine Reduktion des Primär- und Endenergieverbrauchs bewirken, sollten erfasst werden.

Auch hier die Frage: Wie und von wem? In manchen Bereichen können die Energieversorger helfen, überall wird das aber nicht greifen. 

Noch ein Wort zum Vergaberecht

Im Oberschwellenbereich wird das Prinzip Energieeffizienz zuerst für alle Auftraggeber eingeführt. Auch wenn der Bund damit bereits Erfahrung hat, ist auf kommunaler Ebene vor einer weiteren Verkomplizierung des Vergaberechts zu warnen.

Wie gesagt, die Verhandlungen stehen am Anfang. Der Gemeindebund hat sich intensiv an der Positionierung unseres Dachverbands CEMR beteiligt und wird weiter aktiv sein. Wir plädieren für europäisches Rahmenrecht mit klaren Zielvorgaben.

Nationale Besonderheiten und Vorleistungen sind zu berücksichtigen, eine flexible Umsetzung kann durch entsprechende Kontrollen und Strafdrohungen ergänzt werden.

Auch wenn die Renovierungsquote selbst in Österreich äußerst ambitioniert ist: Die größten Herausforderungen stellen sich dort, wo Länder noch ganz am Anfang stehen. Dort braucht es Bewusstseinsbildung auf allen Ebenen und den Aufbau technischer sowie fachlicher Kapazitäten.

Nicht nur im Rat, auch bei manchen Kommunalverbänden rumort es angesichts der Herausforderungen. Doch dieses Mal gibt es keine Ausnahmen, so viel hat die Kommission klar gemacht. Immerhin gibt es einen 806 Milliarden Euro schweren Aufbauplan, der genau diesen grünen Übergang mitfinanzieren soll.