
„Die Frage ist, wie die Eliten mit der Bevölkerung kommunizieren wollen. Man darf Kommunikation nicht mit Information verwechseln.“ Franz Fischler (hier im Gespräch mit Moderator Hans Bürger)
Foto: event-fotograf
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Ein Plädoyer fürs Miteinander
„In den letzten paar tausend Jahren hat sich herausgestellt, dass Kooperation und Zusammenarbeit immer bessere Ergebnisse bringen als alleiniges Handeln.“ Der frühere EU-Kommissar Franz Fischler zeigte bei den Kommunalen Sommergesprächen eine neue Sichtweise auf das Thema Kooperationen.
Die Kommunalen Sommergespräche in Bad Aussee standen heuer unter dem Motto „Z’sammarbeiten, z’sammhalten, z’sammreden“ . Es ging um neue Formen der Zusammenarbeit, dort, wo die klassischen Instrumente wie Verbände nicht flexibel genug sind. „Wir haben Herausforderungen in der Kinderbetreuung, der Altenpflege, der Flüchtlingsbetreuung, im Breitband-Ausbau“, sagte Helmut Mödlhammer. „In diesen Bereichen ist rasches und flexibles Handeln die wichtigste Eigenschaft einer guten Zusammenarbeit. Da sind viele Dinge nicht planbar, verändern sich ständig. Da brauchen wir neue Instrumente, wie Gemeinden zusammen diese Aufgaben bewältigen können.“
Den Auftakt machte der Vortrag von Franz Fischler, ehemaliger EU-Kommissar und Präsident des Forums Alpbach. „Mit ihm haben wir in den letzten Monaten auch Bürgermeisterkonferenzen zum Flüchtlingsthema gemacht, bei denen Gemeindevertreter sich darüber ausgetauscht haben, wie man mit dieser Herkules-Aufgabe umgehen kann“, erzählte Mödlhammer.
Durch Kooperation überlegen
Bei den Sommergesprächen hingegen widmete sich Fischler den Problemen, die die „Individualismusfalle“ mit sich bringt. „Ich gehe davon aus, dass ihr als Bürgermeister sehr viel darüber wisst, wie das Zusammenleben in einer Gemeinde funktioniert“, so Fischler. „Wir leben in einem Land, das vermutlich die höchste Dichte an Vereinen in Europa oder sogar weltweit hat. Trotzdem gibt es Bereiche und Formen des Zusammenlebens, in denen wir diese Strukturen auch wieder mit Menschlichkeit, Freude und Zusammenhalt füllen müssen.“
Die Kooperation sei eine evolutionäre Entwicklung. „In den letzten paar tausend Jahren hat sich herausgestellt, dass Kooperation und Zusammenarbeit immer bessere Ergebnisse bringen als alleiniges Handeln. Auch wenn Kooperation ein hohes Maß an Organisation und Empathie für den anderen erfordert. Dazu braucht es auch Selbstdisziplin, um getroffene Vereinbarungen zu halten. Kooperation ist aber auch evolutionär ein sehr, sehr langwieriger Prozess. Dafür braucht man oft einen langen Atem. Der Erfolg und das Wesen einer Kooperation ist aber sehr oft eben auch, dass 1 und 1 auch mehr als 2 ergeben kann.“
Kommunikation nicht mit Information verwechseln
Das Gift für die Zusammenarbeit sei der Populismus, der einfache Lösungen vorgaukle. Die Brexit-Entwicklung habe auch gezeigt, dass diese Leute die Menschen sehr bewusst anlügen und das nachher zum Teil ja auch zugeben. „Und auch beim Brexit war es so, dass die politischen, wirtschaftlichen und intellektuellen Eliten weitgehend für den Verbleib in der EU waren. Es ist aber nicht gelungen, das so zur Bevölkerung durchzutragen. Die Frage ist also, wie die Eliten mit der Bevölkerung künftig kommunizieren wollen. Man darf Kommunikation nicht mit Information verwechseln. Kommunikation ist ein beidseitiger Prozess, sie muss von beiden Seiten gewollt sein, Information ist nur ein Teil davon. Es bringt ja nichts, wenn man Menschen Informationen zur Verfügung stellt, diese Menschen aber gar kein Interesse daran haben, Informationen aufzunehmen. Ein einseitiger Dialog ist keiner; es ist wichtig, dass die Eliten das begreifen, wenn sie den Menschen komplexe Zusammenhänge erklären wollen.“
Neue Wege der Kommunikation finden
Kommunikation, so Fischler, bedeute auch, dass man die Diskussion mit misstrauischen Teilen der Bevölkerung führen müsse. „Wir müssen viel viel mehr auf die Menschen zugehen, ihnen auch Bühnen bauen, wo sie sich ausdrücken können, auch wenn sie nicht unsere Meinungen haben. Und ihnen ein Gespräch auf Augenhöhe anbieten, damit sie sich ernstgenommen fühlen. Es gibt in Österreich inzwischen zwei Millionen Menschen, die sich nur noch über Social-Media-Kanäle informieren, die ihre eigenen Meinungen verstärken. Die brauchen keine Zeitungen mehr und auch keinen ORF. Man muss sich einmal durchdenken, was d
as bedeutet. Die FPÖ interveniert im ORF deshalb nicht mehr, weil sie ihn gar nicht braucht. Die Freiheitlichen erreichen ihre Zielgruppen inzwischen viel direkter.“
Im Sinne der Subsidiarität müsse man die Gesellschaft von unten nach oben bauen, nicht von oben nach unten regieren. „Man muss erklären können: Dort, wo wir miteinander mehr Nutzen erzielen können, dort müssen wir dieses Potenzial nutzen, anstatt alleine zu arbeiten. Kooperationen sind ungeheuer wichtig. Es braucht viel mehr Miteinander. Den Nutzen muss man aber auch bewerben und erklären, worin er besteht. Es soll uns nicht überraschen oder müde machen, wenn diese Dinge Zeit brauchen.“