Lukas Greussing
Lukas Greussing: „Das Reden und das Extrovertierte habe ich definitiv von meinem Vater.“

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Ein Moderator als Ortschef

Lukas Greussing ist als Moderator verschiedenster Events, insbesondere als Strecken-Kommentator bei Motocross-Rennen, kein Unbekannter. Im August hat er die Nachfolge von Österreichs längstdienendem Bürgermeister angetreten.
Lukas Greussing und Georg Bantel.
Links der neue, rechts der alte Bürgermeister: Lukas Greussing und Georg Bantel. 

So gewissenhaft, wie Georg Bantel seine Vorarlberger Heimatgemeinde ­Möggers über 42 Jahre lang geleitet hat, so gewissenhaft hat er sie auch übergeben. Über eineinhalb Jahre hinweg machte Bantel den bisherigen Vizebürgermeister Lukas Greussing mit dem Amt vertraut und ließ es ihn miterleben, damit sein Nachfolger bei seinem Rückzug in den wohlverdienten Ruhestand nicht ins kalte Wasser geworfen würde. Anfang August fand der geplante Wechsel nun statt.

Greussing hat das Ruder übernommen und möchte, so wie Bantel, „den Frieden bei uns im Dorf wahren. Das ist nicht immer so einfach. Ich habe in den wenigen Wochen, in denen ich das jetzt mache, bemerkt, wie viele versteckte Reibungspunkte es gibt. Das konnte mein Vorgänger wirklich sehr gut. Er hat genau gewusst, wann er mit wem in welcher Form zu reden hat, damit die Bälle flach gehalten werden, und das übernehme ich gerne von ihm.“ Die Fußstapfen, in die Greussing treten muss, sind groß. Das hört er ständig. Und dem widerspricht er nicht. „Ja, die Fußstapfen sind groß, aber grundsätzlich möchte ich gerne neue Fußspuren hinterlassen“, fügt er nur hinzu.

 Kinderbetreuung als erstes Projekt

Ein erster starker Abdruck bzw. Eindruck ist Greussing bei der Kinderbetreuung gelungen. „Die haben wir wirklich aus dem Boden gestampft“, erklärt er. Für eine ­Kleinstgemeinde nicht selbstverständlich, hat Möggers eine Kinderbetreuung ins Leben gerufen – zusammen mit der Nachbargemeinde Eichenberg, „weil wir alleine zu klein wären, weder die finanziellen Mittel noch genügend Kinder hätten. Aber die Kinder, die da sind, haben dringenden Bedarf, betreut zu werden, damit die Mütter wieder ins Arbeitsleben kommen können.“

Ende Oktober sollen sich bereits die Pforten öffnen. Möglich ist das, weil es sich um eine Containerlösung handelt, die bis zu diesem Sommer bereits in einer anderen Vorarlberger Gemeinde als Kinderbetreuungseinrichtung im Einsatz war, schon komplett auf diese Funktion ausgelegt ist und gerade zu erwerben war. Der behördliche Spießrutenlauf, der dennoch für die beiden Gemeinden damit verbunden war, gäbe übrigens genug Stoff für einen eigenen Artikel und sei an dieser Stelle ausgeklammert. 

Aus dem Schatten des großen Bruders getreten

Um zu verstehen, wer der neue Bürgermeister ist und was ihn antreibt, lohnt es sich, einen Blick in die Vergangenheit des heute 35-Jährigen zu werfen.

Als Kind stand der kleine Lukas stets im Schatten seines um eineinhalb Jahre älteren Bruders. „Er war in allem, was er gemacht hat, immer erfolgreich. Er hat alles gekonnt und alles, was er angegriffen hat, hat funktioniert. Rückblickend glaube ich, dass mir das unterm Strich sehr geholfen hat – im Sinne davon, Dinge immer so anzugehen, dass sie auch gut werden und ich auch gesehen werde. Dafür musste ich mich oft zusammenreißen und öfters einmal die Extrameile gehen.“ 

Lukas Greussing
Lukas Greussing ganz in seinem Element – als Rennkommentator beim MX-Weekend. Foto: Steve Bauerschmidt

Mit 15 Jahren beginnt Lukas Greussing eine Lehre als Logistiker beim Textilhersteller Wolford in Bregenz.  Im Alter von 18 Jahren, unmittelbar nach dem Bundesheer, wird er von heute auf morgen zum Teamleiter von 15 Personen befördert. Ein Jahr später wird er gar Abteilungsleiter-Stellvertreter und somit Vorgesetzter von 94 Mitarbeitern. „Der Zeitpunkt war nicht zu früh, obwohl ich erst neunzehn war und die meisten mehr als doppelt so alt waren wie ich und zehnmal mehr Berufserfahrung hatten. Es war zwar nicht einfach, sich als Greenhorn durchzusetzen, doch rein beruflich hat mich das extrem geprägt und ich habe viel gelernt – von Mitarbeitergesprächen über das Führen an sich bis hin zu der Erkenntnis, wie wichtig es ist, einen guten Chef zu haben.“ Wie schon zu Kinderzeiten hat sich Greussing auch hier den Herausforderungen, die sich ihm stellten, nicht verschlossen. Ein Wesenszug, der für einen Bürgermeister nur vorteilhaft sein kann. 
    
Zu seiner Mutter hat Greussing ein ausgezeichnetes Verhältnis und ist ihr „wahnsinnig  dankbar, dass sie es geschafft hat, zwei Söhne zu erziehen, die im jugendlichen Alter wahrlich nicht so einfach waren. Sie hat mir viel an Lebensweisheit mitgeben. Das Reden und das Extrovertierte habe ich aber definitiv von meinem Vater“, lacht Greussing. Die beiden Eigenschaften kommen dem neuen Ortschef bei seiner Leidenschaft zugute, dem Moderieren und Kommentieren. Von Skirennen über Gala-Abende bis zur „Miss Vorarlberg“-Wahl  reichen seine Einsätze. Besonders gefragt ist er als Kommentator in der Motocross-Szene und daher auch viel in Deutschland bei internationalen Rennen hinter dem Mikrofon. Das zweitägige Großevent „MX-Weekend“, zu dem mehr als 10.000 Menschen nach Möggers kommen, richtet Greussing zudem als Organisator und Veranstalter selbst aus. Auch Eventmanagement kann er also.

MX-Weekend
Die perfekt im Gelände gelegene Rennstrecke des MX-Weekends in Möggers. Seit 2009 ist Lukas Greussing der Veranstaltungsleiter des Großvents. Foto: Steve Bauerschmidt

In seinem Hauptberuf war der neue Bürgermeister bis zu seinem Amtsantritt jedoch Prokurist einer Schmuckmanufaktur. Als Selbstständiger ist er zwar noch weiterhin in reduziertem Ausmaß für seinen ehemaligen Arbeitgeber tätig, sein Hauptaugenmerk gilt nun allerdings der Gemeinde, in der ein starkes Team und die Gemeindevertretung geschlossen hinter ihm stehen.

„Wir sind ein kleines Dorf mit aktuell 562 Einwohnern und haben eine Einheitsliste. In der Gemeindevertretung sehen sich alle als ein Team, um Möggers weiterzubringen. Bei uns gibt es kein Farbenspiel der Parteipolitik. Ich hätte mich auch nicht darauf eingelassen, Bürgermeister zu werden, wenn wir in der Gemeinde Parteipolitik betreiben würden. Wir sind zu klein, um uns untereinander zu zerstreiten.“ Möggers habe als Kleinstgemeinde schließlich die gleichen Aufgaben zu erfüllen wie die großen. „Alles läuft über deinen Tisch. Da brauchst du ein gutes Team, das dir hilft und zuarbeitet. Ich glaube, Parteipolitik außen vor zu lassen, ist in einer kleinen Gemeinde der einzige Weg, um Dinge erfolgreich umzusetzen.“

Gemeindekooperationen werden ausgebaut

Sollten manche dieser Dinge doch zu groß sein, heißt die Lösung: Gemeindekooperationen. Diese möchte Greussing auch ausbauen. Nicht nur mit Eichenberg, mit dem man neben der Kinderbetreuung auch schon einen gemeinsamen neuen Bauhof errichtet hat. Auch mit Scheidegg, der tourismusorientierten Nachbargemeinde auf deutscher Seite, nähert man sich einander an.

Die Bürgerinnen und Bürger aus Möggers fahren nämlich nicht nach Hohenweiler, Hörbranz, Lochau oder Bregenz zum Einkaufen, sondern nach Scheidegg, weil der Weg viel kürzer ist. Wanderrouten führen zudem von Scheidegg über Möggers auf den Pfänder. Mit dem Scheideg­ger Bürgermeister lotet Greussing daher bereits aus, welche Synergien künftig genutzt werden könnten. Für ihn steht fest, „dass es in Zukunft selbstverständlich werden muss, dass Kleinstgemeinden zusammenarbeiten“.

Möggers
Möggers ist ein malerisches Dorf in der Region Leiblachtal mit freiem Blick in die Ferne und auf den Bodensee. Foto: Boehringer Friedrich (Fredy)

Ein weiteres Anliegen ist dem Ortschef die Digitalisierung. „Weil wir dadurch Arbeitsabläufe gerade im Verwaltungsapparat einfacher machen und wertvolle Zeit freischaufeln können. Es muss nicht alles ausgedruckt werden, was ohnehin schon digital vorliegt. Mit V-DOK, dem Vorarlberger Dokumentenmanagementsystem, kann man theoretisch ein papierloses Büro haben, und das ist eigentlich mein Ziel. Derzeit sind wir dabei, Hunderte von Aktenordnern zu digitalisieren.“

Die digitale Kommunikation mit den Bürgern wird Greussing ebenso forcieren, inklusive einer neuen, zeitgemäßen Gemeinde-Homepage und der Einführung der GEM2GO-App.

„Ich hasse das Wort, weil es schon so ausgelutscht ist“, sagt Greussing über den Begriff „bürgernah“. Dennoch trifft dieser auf die beabsichtigte Verbesserung der Kommunikation ebenso zu wie auf Greussing selbst. Der umtriebige Ortschef ist nämlich auch noch im Fußballverein aktiv, sitzt im Vorstand des Ski-Clubs und ist Vizeobmann des Musikvereins.

Keine Ambitionen, den Amtszeit-Rekord zu brechen

Zeit, um mit seiner Lebensgefährtin beispielsweise Rennrad zu fahren oder klettern zu gehen, bleibt Greussing deshalb nur noch selten. Trotzdem ist der Wunsch groß, in nicht allzu ferner Zukunft mit ihr eine Familie zu gründen. Ambitionen, den Amtszeit-Rekord seines Vorgängers zu ­brechen, hat Greussing hingegen keine: „Es ist eine Gabe von Menschen in Führungspositionen, den richtigen Zeitpunkt zu erkennen, um das Amt zu übergeben. Nicht nur in der Gemeindepolitik. Das ist bei jedem Verein so, bei jedem Obmann, in jeder Firma, bei jedem Geschäftsführer oder Abteilungsleiter. Der beste Moment dafür ist immer dann, wenn es einem selbst noch gut geht und man den Job nach wie vor gerne macht. Gerade das macht es so schwierig, denn man ist ja noch immer gerne dabei. Doch nur dann hat man auch die nötige Energie für die bestmögliche Übergabe, und der Nächste hat mehr davon. Ich bin mir sicher, dass ich diesen Zeitpunkt nicht verabsäumen werde!“ 

Zur Person

Lukas Greussing

Alter: 35
Gemeinde: Möggers 
Einwohnerzahl: 562 (2021)
Bürgermeister seit: 4. August 2022
Partei: Gemeindevertretungsliste Möggers