Manfred Matzka
Manfred Matzka: „KI sollte nicht primär zur Automatisierung von Bescheiden genutzt werden, sondern zum Erkennen von Doppelregelungen, zur Prüfung von Gesetzestexten auf Verständlichkeit und zur Verbesserung von Vollzugslogik.“
© Jürg Christandl

E-Government jenseits des Technokratentums

Was braucht kommunale Digitalisierung wirklich? Manfred Matzka, langjähriger Sektionschef im Bundeskanzleramt und Verfassungsexperte, forderte in seinem pointierten Vortrag am Kommunalwirtschaftsforum mehr Menschlichkeit, strategisches Augenmaß und einen kritischen Blick auf die Überregulierung. Seine Thesen sind ein Weckruf für Entscheidungsträger in Gemeinden.

Matzka zeichnete zu Beginn ein Bild digitaler Verwaltung, das nicht nur von Effizienz, sondern auch von Entfremdung geprägt ist. Seine provokante Diagnose: Wir erleben heute  eine Form von Digitalisierung, die „alles für das Volk, aber nichts durch das Volk“ bedeutet. Während Verwaltungsprozesse zunehmend digitalisiert und zentralisiert werden, fehlt es häufig an echter Bürgerpartizipation und Nutzerorientierung.

Digitale Angebote ohne Dialog?

Gerade im kommunalen Bereich sei das Spannungsverhältnis zwischen technischer Möglichkeit und menschlicher Realität besonders deutlich. Matzka kritisierte die oftmals einseitige Kommunikation über Gemeindewebsites und digitale Plattformen als „One-Way"-Lösung. Die Potenziale interaktiver und aktivierender Werkzeuge würden vielfach ungenutzt bleiben. Der Zugang zu digitalen Verwaltungsleistungen müsse für alle Bürger, auch für digital weniger Versierte, ermöglicht werden. Dazu gehören einfache Einstiege, persönliche Ansprechbarkeit und echte Serviceorientierung.

Überregulierung als Innovationsbremse

Ein zentrales Hindernis für eine bürgernahe digitale Verwaltung sei die Komplexität der Rechtsgrundlagen. 38 relevante Rechtsvorschriften und EU-Verordnungen für den Digitalbereich auf kommunaler Ebene nennt Matzka – eine Zahl, die verdeutlicht, warum viele Gemeinden an Kapazitätsgrenzen stoßen. Sein Appell: KI sollte nicht primär zur Automatisierung von Bescheiden genutzt werden, sondern zum Erkennen von Doppelregelungen, zur Prüfung von Gesetzestexten auf Verständlichkeit und zur Verbesserung von Vollzugslogik.

Echte Digitalisierung braucht Gestaltungsspielräume

Digitalisierung heißt für Matzka nicht Zentralisierung. Er fordert einheitliche Standards bei Benutzeroberflächen und Schnittstellen, jedoch mit einem klaren Bekenntnis zu kommunaler Vielfalt. Gestaltungsspielräume müssten erhalten bleiben, gerade auf lokaler Ebene, wo die Verwaltung den Menschen am nächsten ist. Bürgerfreundliche Anwendungen sollten intuitiv nutzbar sein und von Anfang an aus Sicht der Betroffenen gedacht werden.

Digitalisierung als Motor für Verwaltungsreform

Matzka plädiert für ein Umdenken in der Verwaltungsorganisation: Digitalisierung als Anlass, veraltete Arbeitsmodelle zu hinterfragen, Hierarchien abzubauen und neue Formen des Arbeitens zu etablieren. Junge Fachkräfte lässt man nicht mit Amtsstuben beeindrucken, sondern mit modernen, kooperativen Arbeitswelten.

Informationsfreiheit als Chance begreifen

Mit dem kommenden Informationsfreiheitsgesetz ab September 2025 werden Gemeinden verstärkt in die Pflicht genommen. Matzka empfiehlt, diese Entwicklung nicht als Bedrohung zu sehen, sondern als Gelegenheit zur proaktiven Information der Bevölkerung. Transparenz durch leicht zugängliche, verständlich aufbereitete Daten sei ein Schlüssel zu mehr Vertrauen und weniger Bürgerunzufriedenheit.

Digitalisierung braucht den Menschen

Matzkas Vortrag war ein Plädoyer für eine menschenzentrierte Digitalisierung, die sich an den realen Bedürfnissen der Bürgerinnen und Bürger orientiert. Er rief dazu auf, digitale Werkzeuge mit Augenmaß zu nutzen, kreative Potenziale auf Gemeindeebene zu aktivieren und Verwaltung neu zu denken – nicht für die Technik, sondern für die Menschen.

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