Florian Tursky
„Wichtig ist, dass die analoge Barrierefreiheit durch die digitale Barrierefreiheit ergänzt wird. Ergänzt, aber nicht ersetzt.“
Staatssekretär Florian Tursky im Gespräch mit KOMMUNAL-Chefredakteur Hans Braun
© KOMMUNAL/Thomas Max

Interview

„Die Daten sollen pendeln, nicht die Menschen“

Das Thema künstliche Intelligenz (KI) hat natürlich auch die Debatten um das „digitale Dorf“ oder die „digitale Gemeinde“ befeuert. KOMMUNAL hat bei Digitalisierungsstaatssekretär Florian Tursky nachgefragt, wie die Gemeinden aufgestellt sind, wie die Strategien aussehen und wo Österreich eigentlich auf der Digitalisierungslandkarte steht.

Herr Staatssekretär, es geht um die digitale Gemeinde. Es gibt dazu so viele Ansätze, dass wir Sie um eine Definition des Begriffs bitten würden. Was verstehen Sie unter „digitale Gemeinde“?

Florian Tursky: Ich möchte einen Schritt weiter vorne beginnen. Ich glaube, dass die Digitalisierung für die österreichischen Gemeinden eine unglaubliche Chance ist, überhaupt für die Diversität unserer österreichischen Gemeinden, die wir haben. 

Wir hatten in den vergangenen Jahren verschiedene Trends, die dort und da auch das Leben aus den Gemeinden entfernt haben – viele Gemeinden sind zu klassischen Schlafgemeinden geworden, wie ich schon in Tirol feststellen musste. Es hat Abwanderungen aus den Gemeinden gegeben, die Menschen wollten mehr in Ballungszentren. Und hier ist die Digitalisierung ganz klar der Gegentrend. Das hat die Corona-Pandemie gezeigt. Da ist es ja geradezu zu einer Stadtflucht gekommen. 

Also prinzipiell sehe ich die Digitalisierung aus ganz, ganz vielen Gründen als eine Riesenchance für die österreichischen Gemeinden und da natürlich auch die Möglichkeiten, wie man Services für die Bürgerinnen und Bürger anbietet.

Der Föderalismus, den wir in Österreich haben, ist bei der Digitalisierung aus meiner Sicht eine Chance. Das wird zwar oft anders gesehen, aber wir sind in Österreich nun mal föderal aufgebaut und leben davon, nahe an den Menschen zu sein. Dafür sind die österreichischen Gemeinden Garant, nahe am Menschen zu sein. Die Frage ist jetzt nur, wie übersetzt sich das ins digitale Zeitalter?

Die Lösung wird nicht sein, die Services zu zentralisieren, sondern die Lösung muss aus meiner Sicht sein, dass wir als Bund gewisse Register anbieten, gewisse Services. Aber die Verarbeitung der ganzen Zahlen, Daten, Fakten und dann auch die Planung, die daraus resultiert, das steht den örtlichen Gemeinden zur Verfügung, die es dann maßgeschneidert für die Bedürfnisse der Gemeinden und für das jeweilige Umfeld – und da kennen sich die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, Gemeindepolitikerinnen und -politiker am besten aus – anpassen.

Okay, welcher Service und welche Planung sind damit gemeint? Eine Gemeinde muss jetzt nicht selber planen, welche Services sie anbietet?

Ein ganz klassisches Beispiel. Meine Frau und ich bekommen ein Kind. Wir werden digital mit diesem Kind verbunden und in diesem Moment soll die Gemeinde, in der ich wohne, das auch erfahren. Und in soundso viel Jahren sollten wir damit rechnen, dass wir auch einen Kindergartenplatz benötigen – und das erleichtert die Planung.

Das ist vielleicht ein kleines, aber greifbares Beispiel. Ich bin zwar nicht in der Gemeindepolitik verhaftet, aber ich glaube, die Fantasie ist bei den Gemeindepolitikern umso größer. Das ist eine unglaubliche Chance, um auch in den kleinen Gemeinden – und wir wissen, wie schwierig es mittlerweile ist, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu finden – diese Vielzahl an Aufgaben zu bewältigen, die Gemeinden mittlerweile haben.

Es kommt ja nicht von ungefähr, dass es auch immer schwieriger ist, Politikerinnen und Politiker auf Gemeindeebene finden. Ich glaube, da wird die Digitalisierung eine Riesenchance sein, um auf Gemeindeebene sehr viel zu ermöglichen, ohne die Menschen von der Gemeinde zu entfernen.

Das war ja bei vielen die große Angst, die ich oft verspürte, beginnend auch mit der Zentralisierung des Meldewesens, dass wir den ersten Konnex zwischen Bürgerinnen und Bürger und Gemeinde verlieren. Diese Angst müssen wir nehmen. Eine super Initiative zum Beispiel war, dass viele Gemeinden auch als Passbehörde fungieren, dass man auf die Gemeinde gehen und seinen Pass beantragen kann.

Was auch immer im Gespräch war: dass Services für Bauansuchen, Baufertigstellung, Verlängerungen von beispielsweise Bewilligungen für Fahrzeuge für Firmen digitalisiert werden.

Am Ende des Tages? Natürlich. Aber das heißt nicht, dass wir von den Gemeinden etwas wegnehmen, sondern das heißt, die Services entsprechend zu vereinfachen. Bei Bauregeln ist das ganz, ganz wichtig. Und da bin ich sehr froh, dass einige Bundesländer und Gemeinden da mit gutem Beispiel vorangehen, dass wir insgesamt das ganze Bauwesen einreichen und digitalisieren können.
Auch für Bauunternehmer hat das ein unglaubliches Potenzial, weil die sich wahnsinnig viel dadurch ersparen werden, auch was die Verwaltung betrifft. 

Der Register- und Systemverbund soll es ermöglichen, dass ich im Zuge eines Amtsweges nicht Nachweise von einem Amt zum anderen tragen muss, sondern dass das alles im Falle des Amtswegs digital über Schnittstellen entsprechend zur Verfügung steht.

Das heißt, wenn es mit der Person verbunden ist, braucht es die ID Austria?

Florian Tursky
„Wir wollen keinen gläsernen Bürger schaffen.“

Die ID-Austria ist die digitale Identität und würde ähnlich funktionieren wie ein „Reisepass fürs Internet“. Deshalb ist sie auch leider etwas kompliziert zu beantragen, weil eben die Sicherheitsanforderungen so groß sind.

Und die ID-Austria soll es mir ermöglichen, dass ich Amtswege komplett digital durchführen kann, weil ich mich eindeutig identifizieren und so auf die verschiedenen Register zugreifen kann.

Was mir dabei wichtig ist: Wir wollen dadurch keinen gläsernen Bürger schaffen. Der Beamte, der Amtswege durchführt, soll auch nur für diesen einen Amtsweg Zugriff auf die verschiedenen Register, die sich nicht in seinem Haus befinden, zum Beispiel Strafregister, haben. Aber nicht generell. 

Ein Planspiel vor mehr als zehn Jahren mit der rein digitalen Gemeinde „Kettenbruck“ hat gewisse Ängste hervorgebracht: Wenn das alles digital funktioniert, wofür braucht man dann noch Gemeindeverwaltungen? Oder gar Bürgermeister?

Wenn uns die vergangenen Jahre eines gezeigt haben, dann das: Je näher Politiker sich am Bürger befinden, umso wichtiger sind sie. Dort treten auch Parteien und Ideologien in den Hintergrund.

Stimmt, Kommunalpolitik ist im Wesentlichen Sachpolitik. Aber es geht auch um andere Dinge: Wie könnte Digitalisierung dazu beitragen, soziale Isolation und Einsamkeit zu bekämpfen? Dies auch unter dem Gesichtspunkt, wenn ich digital von zu Hause aus Amtswege machen kann, muss ich ja nicht einmal mehr aufs Amt gehen. 

Ich glaube, gerade die Corona-Pandemie hat gezeigt, welche Möglichkeiten für Gemeinden in neuen digitalen Lösungen stecken. Wer hätte früher gedacht, dass sich das österreichische Schulsystem von einem auf den anderen Tag umstellen kann? Wer hätte daran gedacht, dass jede Firma sich von heute auf morgen auf Home­office umstellt, auch wenn es Probleme dabei gegeben hat? Aber es hat doch einiges sehr gut funktioniert. 

Und jetzt sehe ich da zwei Themen. Einerseits ist der persönliche Kontakt sicher nach wie vor wichtig und ich möchte auch keine rein digitale Gesellschaft. Digitalisierung kann dort und da soziale Isolation fördern. Da müssen wir aufpassen. Andererseits habe ich natürlich neue Möglichkeiten, was die Teilhabe betrifft. Egal, ob es die Verwandten sind, die sich sehr weit weg befinden, oder alte Freunde, die vielleicht auch mittlerweile bettlägerig sind, man kann mit ihnen kommunizieren. 

Und Digitalisierung hat natürlich enormes Potenzial, was die Integration von Menschen mit Beeinträchtigungen betrifft.
Wichtig ist, dass die analoge Barrierefreiheit durch die digitale Barrierefreiheit ergänzt wird. Ergänzt, aber nicht ersetzt.

Digitale Kommunikation, wenn sie in abgegrenzten Zirkeln stattfindet, kann ein frucht­barer Nährboden für Fake News sein. Wie geht man dagegen an?

Aber Fake News hat es am Stammtisch früher auch gegeben. Die Problematik von Fake News im Internet ist die ständige Bestärkung durch Algorithmen auf der einen Seite und auf der anderen Seite, dass sie natürlich viel schneller und viel breiter verbreitet werden können. 

Das Gute wiederum ist, dass ich – richtig gemacht – Fake News im Internet sehr schnell identifizieren kann. Jetzt sind wir in diesem wahnsinnig schwierigen Feld mit der Frage: Wo beginnt Regulierung im Internet und wie sieht dort die Zukunft aus?

Wir sind in der digitalen Transformation und das bedeutet, dass ganz viele Themen noch nicht geregelt sind, wo wir und unser Regelwerk auch mit dieser Geschwindigkeit international nicht nachkommen Die Europäische Union hat schon ein paar gute Initiativen. Beispielsweise der „Digital Service Act“, der jetzt gekommen ist und der genau solche Dinge verhindern und Algorithmen offenlegen soll und der Serviceanbieter dazu verpflichtet, Dinge zu löschen und bei Beleidigungen zu agieren. Das ist ein EU-Regulatorium, wo auf europäischer Ebene gerade wahnsinnig viel in Verhandlung steht. Und da sehe ich einen großen Hebel. 

Fake News sind ein Problem im Internet, einfach aufgrund der Dimension, die sie annehmen können. Aber es muss auch digitale Lösungen geben, um sie zu enttarnen.

Kann eine KI da helfen?

Natürlich. Aber alles, was für das Gute eingesetzt wird, kann auch für Böses eingesetzt werden.

KI und Gegen-KI.

Künstliche Intelligenz wird unser Leben vollkommen verändern. Ich glaube zum Positiven. Aber natürlich wird es auch negative Aspekte geben, gerade in der Cyberkriminalität. Stellen Sie sich vor, der berühmte Brief vom Onkel aus Amerika, der eine Erbschaft hat – wenn den plötzlich eine KI verfasst mit gewissen Merkmalen, dann kann das täuschend echt werden.

Gerade in Gemeinden ist der persönliche Kontakt zu den Menschen extrem wichtig. Würde Digitalisierung helfen, die Beteiligung an der Demokratie und das Demokratieverständnis zu stärken?

Digitalisierung hat sicher die Möglichkeit, Menschen wieder mehr zu erreichen, auch mit politischen Botschaften.

Aber die Frage, die da immer mitschwingt, ist: „Sollen wir zukünftig digital wählen?“ Und da habe ich eine ganz klare Meinung: aktuell sicher nicht, weil das Vertrauen der Menschen in digitale Lösungen noch zu gering ist. Nicht von der Sicherheit her, aber die Beispiele aus den USA zeigen, dass dann Verschwörungstheoretiker und Co die Legitimation von digitalen Wahlen in Zweifel ziehen können.

Kommen wir zum Thema Umwelt und Nachhaltigkeit. Wie könnte uns die Digitalisierung da weiterbringen?

Wir haben derzeit zwei Transitions. Das eine ist die digitale Transformation, das andere ist die grüne Transformation. Man spricht von der Twin-Transition. Also, dass diese beiden Transformationen Hand in Hand gehen müssen. Davon bin ich auch überzeugt. Digitalisierung heißt meist Effizienzsteigerung. Digitalisierung bedeutet, Dinge besser analysieren und effizienter nutzen zu können.

Digitalisierung wird der maßgebliche Faktor sein, um auch dem Klimawandel entgegenzuwirken. Mir wird dann immer vorgehalten, dass das doch alles wahnsinnig viel Energie kostet. Ja, natürlich wird auch zum Beispiel unser Stromverbrauch in den nächsten Jahren noch steigen, bevor es wieder zurückgeht. Aber ich werde neue Technologien dazu nutzen können, das effizienter aufzuzeigen.

Digitalisierung hängt wesentlich von der Verfügbarkeit von Breitband ab. Derzeit haben rund 60 Prozent der österreichischen Haushalte potenziell Anschluss an das Glasfasernetz (siehe auch breitbandatlas.at), auch wenn viele es nicht nutzen. Doch Österreich hat keine vollständige Breitbandanbindung. Wann wird die Breitbandanbindung bis in letzte Tal vollflächig fertig sein?

Bis ins Jahr 2030 flächendeckend in ganz Österreich – mobil und stationär. Wir nehmen dafür das notwendige Geld in die Hand. 

Aber es ist ein bisschen komplizierter. Ich möchte ganz kurz ausholen: Österreich hatte von Anfang an keine klare Strategie, wie man den Breitbandausbau antreibt. Es wurde eher einmal der Privatwirtschaft überlassen. Das war der damalige Trend. Das hatte natürlich zur Folge, dass unser Breitbandausbau keine klare Strategie verfolgt hat, weil ja der Bund nicht zuständig war. Es gab auch keine Aufteilung, wofür die Länder und wofür die Gemeinden zuständig sind, wie wir das in anderen Bereichen der Daseinsvorsorge gemacht haben. 

Das hatte zur Folge, dass jedes Land eigene Strategien gemacht hat. Alle hoch ambitioniert, alle hochprofessionell. Sehr oft hat die Privatwirtschaft besonders dort ausgebaut, wo es sich sie auszahlt – also in den Ortszentren und Zentralräumen.

Das hat jetzt zur Folge, dass der Ausbau für uns immer teurer wird, weil wir jetzt die Gemeinden anschließen müssen, die noch nichts haben. Wir gehen davon aus, dass rund 6 Milliarden privatwirtschaftliche Gelder aktuell in den österreichischen Breitbandausbau fließen werden, dazu 1,4 Milliarden Euro vom Bund mit der zweiten Breitbandmilliarde. Wegen des Engagements der Gemeinden und der Privatwirtschaft hat das extrem Fahrt aufgenommen.

Unser Ziel ist, dass nicht die Menschen, sondern die Daten pendeln sollen. Das ist unser Ziel und wir sehen das auch als unglaublichen Vorteil für die österreichischen Gemeinden, dass die Menschen auch in den entlegeneren Tälern bleiben, dort wirtschaften können, dort arbeiten können, dort alles haben.

Das Problem, das wir derzeit haben, sind die 60 Prozent aller österreichischen Haushalte, die potenziell Internet mit der Glasfaser hätten, es aber nicht nützen. Die Zahl derer, die es nützen, ist weit geringer. Warum? 

Das Problem, das wir derzeit haben, sind die 60 Prozent aller österreichischen Haushalte, die potenziell Internet mit der Glasfaser hätten, es aber nicht nützen.“

Weil Österreich historisch betrachtet ein unglaublich gutes mobiles Handynetz hatte und ganz, ganz viele sich Tubes aufgestellt haben, mit denen sie eine sehr hohe Datenleistung bekommen haben. Aber alle zwei Jahre nimmt das weltweite Datenvolumen zu, am Ende des Tages wird sehr viel nur über die Glasfaser möglich sein.

Damit wird aber auch der Business Case interessanter. Denn wenn ich annehme, dass dann wirklich  50 Prozent einen Vertrag abschließen und nicht nur zehn oder 20 Prozent, dann zahlt sich der Breitbandausbau aus. Und genau an dieser Schwelle sind wir gerade. Mir ist aber klar, dass die Frustration in vielen Gemeinden groß ist.

Wie sieht denn die Vision aus? Und wann soll sie fertig sein?

Die Schwierigkeit mit dem Glasfaserausbau ist jetzt, das alles zu bewerten. Ich möchte natürlich möglichst schnell den nächsten Call raus- und den Breitbandausbau voranbringen. Ich will aber keinen Pfusch machen. Jemand muss diese sechs Milliarden, die da privatwirtschaftlich investiert werden sollen, bewerten. Wo werden die investiert? Ist es realistisch, dass die investiert werden? 

Wir wollen auf jeden Fall dieses Jahr noch die Förder-Landkarte erstellen, sodass wir nächstes Jahr auch einen neuen Breitband-Call vergeben können. Wann die Ausschreibung stattfindet, weiß ich noch nicht.

Ich würde gerne zur Frage von Digitalisierung und sozialer Ungleichheit zurückkommen – wie kann ich digitale Barrierefreiheit sicherstellen?

Ein Riesenthema! Wir versuchen insbesondere in den Schulen zu fördern, dass entsprechend Endgeräte zur Verfügung stehen. Eine interessante Diskussion, die dazu auf UN-Ebene gerade weltweit stattfindet, ist, ob es so etwas wie ein Recht auf Internetzugang gibt. Das betrifft zwar hauptsächlich den globalen Süden, aber natürlich geht es auch bei uns darum, dass die Menschen künftig nur mehr konkurrenzfähig gegenüber anderen sein werden, wenn sie digitale Fähigkeiten haben.

Diese digitalen Fähigkeiten haben einerseits eine Bildungs- und andererseits eine Hardware-Komponente. Wir haben eine österreichweite Kompetenz, auch mit dem Gemeindebund und dem Städtebund, weil wir österreichweit die digitalen Kompetenzen nach oben bringen wollen. Neun von zehn Jobs brauchen schon heute digitale Fähigkeiten. Das ist das eine. 

Das andere ist natürlich auch die Barrierefreiheit bei den Endgeräten. Die Barrierefreiheit beim Handy scheint zu funktionieren in der Bevölkerung. Wo wir wirklich schauen müssen – weniger im Laptopbereich, aber im Tablet-Bereich –, ist, dass wir das auch in den Schulen entsprechend fördern.

Generell: Wie sieht es denn mit der digitalen Kompetenz in unserer Gesellschaft aus?

Österreich ist klar über dem EU Schnitt. Das ist gut, aber wir haben dennoch Aufholbedarf. Neun von zehn Jobs bedürfen digitaler Fähigkeiten. Wir wissen, dass rund ein Drittel der Österreicherinnen und Österreicher im erwerbsfähigen Alter nicht darüber verfügen.

Noch dazu überschätzen sich die Österreicherinnen und Österreicher maßlos. Auf einer Skala von 1 bis 100, was ihre digitale Fähigkeiten oder Kompetenzen betrifft, schätzen sich die Österreicher durchschnittlich auf 70 ein, sind aber in Wahrheit nur gute 40. Wir müssen hier enorm investieren, damit die Menschen auch zukünftig den Anschluss nicht verlieren. 

Bei der Digitalisierung ist öfter die Rede davon, niemanden unterwegs zu verlieren, aber zugleich niemanden digital aufzuhalten.
Niemanden digital aufzuhalten, ist für mich immer die Balance zwischen Regulierung und Innovation. Das wird ein enormes Thema der nächsten Jahrzehnte auf europäischer Ebene. Wie schaffe ich es, Regulierung zu haben, um auch die digitale Souveränität Europas abzusichern und auch zu schauen, dass es nicht zu Fehlentwicklungen kommt, und auf der anderen Seite trotzdem Innovation zu bringen?
Das ist das eine und das andere ist: Wie schaffe ich es, dass niemand dabei auf der Strecke bleibt? 

Nationale Regelungen machen da keinen Sinn. Das heißt, wir müssen internationale Regelungen schaffen, was digitale Regulierung betrifft. Ein Beispiel, das uns allen sehr auf die Nerven gegangen ist, ist die Datenschutzgrundverordnung. Das ist eine der ersten Regulierungen, die es gegeben hat, die aber mittlerweile zum weltweiten Standard geworden ist. Sogar die USA haben das übernommen. 

Wir machen jetzt den europäischen AI-Act, also eine Regulierung über die Anwendung künstlicher Intelligenz. Wir brauchen genau solche überregionalen Regelungen, eben damit auch digitale Mechanismen nicht gegen die Bevölkerung eingesetzt werden. Beim AI-Act regulieren wir zum Beispiel, dass es nicht möglich sein darf, künstliche Intelligenzen für Social Scoring zu verwenden, was ja beispielsweise China unterstellt wird, genau das zu tun.